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Wild, Hermine [d. i. Adele Wesemael]: Eure Wege sind nicht meine Wege. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Gestalt gelegt, die so feenhaft zart erschien und doch mit so elastischer Widerstandskraft ausgestattet war, sah er das Wogen ihrer Brust, fühlte er ihren etwas bedrängten Athem kommen und gehen, und er vergaß, daß es noch Menschen außer ihnen gab. Man blieb stehen und drängte sich aus den anderen Zimmern zu, sie zu sehen; ihr Mann verließ den Spieltisch, um sich an dem Triumphe seiner jungen Frau zu erfreuen. Aber Louis hatte nur Augen und Gefühl für den wunderbaren Schatz lieblichster Weiblichkeit, den er mit seinen Armen umschlossen hielt. Es lag soviel kokette Herausforderung in ihrem Wesen, so viel wollüstige Hingebung zugleich. War es die Bewegung des Tanzes, die sie ihm näher brachte? Ihr Athem schlug wie Flammen an seine Brust. Das Blut kochte heiser in seinen Adern auf, und ein Rausch lag in allen seinen Sinnen. Jetzt blickte sie mit spöttischem Lächeln zu ihm auf und er schloß unwillkürlich sie fester an sich. Da wurde sie blaß, und mit ihrem Erblassen kehrte seine Besinnung zurück. Er erschrak über seine eigene Heftigkeit und hielt inne. -- Ich fürchte mich nicht! flüsterte sie leise mit gesenkten Augen zu ihm empor. Aber ihm war es zu viel. Er ließ sie los, taumelte und hielt sich nur mit Mühe von einer Ohnmacht zurück.

Du tanzest doch zu wild, sagte jetzt ihr Manu zu der Gruppe tretend, um welche die übrige Gesellschaft sich drängte. Leonie wandte ihm ihr erglühendes Gesicht zu und hing sich zutraulich wie ein reuiges Kind an seinen Arm.

Ich tanze so gern, sagte sie, aber wenn du es wünschest --

Nein, mein Herzchen! erwiderte er, du sollst dich unterhalten, so viel du willst, nur schaden sollst du dir nicht, nur das nicht, liebes Kind! Er strich ihr liebkosend die Haare aus dem Gesicht, und sie schmiegte sich innig und lächelnd an ihn an. Zornig wandte sich Louis ab und ging hinaus. Unter der Thüre des

Gestalt gelegt, die so feenhaft zart erschien und doch mit so elastischer Widerstandskraft ausgestattet war, sah er das Wogen ihrer Brust, fühlte er ihren etwas bedrängten Athem kommen und gehen, und er vergaß, daß es noch Menschen außer ihnen gab. Man blieb stehen und drängte sich aus den anderen Zimmern zu, sie zu sehen; ihr Mann verließ den Spieltisch, um sich an dem Triumphe seiner jungen Frau zu erfreuen. Aber Louis hatte nur Augen und Gefühl für den wunderbaren Schatz lieblichster Weiblichkeit, den er mit seinen Armen umschlossen hielt. Es lag soviel kokette Herausforderung in ihrem Wesen, so viel wollüstige Hingebung zugleich. War es die Bewegung des Tanzes, die sie ihm näher brachte? Ihr Athem schlug wie Flammen an seine Brust. Das Blut kochte heiser in seinen Adern auf, und ein Rausch lag in allen seinen Sinnen. Jetzt blickte sie mit spöttischem Lächeln zu ihm auf und er schloß unwillkürlich sie fester an sich. Da wurde sie blaß, und mit ihrem Erblassen kehrte seine Besinnung zurück. Er erschrak über seine eigene Heftigkeit und hielt inne. — Ich fürchte mich nicht! flüsterte sie leise mit gesenkten Augen zu ihm empor. Aber ihm war es zu viel. Er ließ sie los, taumelte und hielt sich nur mit Mühe von einer Ohnmacht zurück.

Du tanzest doch zu wild, sagte jetzt ihr Manu zu der Gruppe tretend, um welche die übrige Gesellschaft sich drängte. Leonie wandte ihm ihr erglühendes Gesicht zu und hing sich zutraulich wie ein reuiges Kind an seinen Arm.

Ich tanze so gern, sagte sie, aber wenn du es wünschest —

Nein, mein Herzchen! erwiderte er, du sollst dich unterhalten, so viel du willst, nur schaden sollst du dir nicht, nur das nicht, liebes Kind! Er strich ihr liebkosend die Haare aus dem Gesicht, und sie schmiegte sich innig und lächelnd an ihn an. Zornig wandte sich Louis ab und ging hinaus. Unter der Thüre des

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[0091] Gestalt gelegt, die so feenhaft zart erschien und doch mit so elastischer Widerstandskraft ausgestattet war, sah er das Wogen ihrer Brust, fühlte er ihren etwas bedrängten Athem kommen und gehen, und er vergaß, daß es noch Menschen außer ihnen gab. Man blieb stehen und drängte sich aus den anderen Zimmern zu, sie zu sehen; ihr Mann verließ den Spieltisch, um sich an dem Triumphe seiner jungen Frau zu erfreuen. Aber Louis hatte nur Augen und Gefühl für den wunderbaren Schatz lieblichster Weiblichkeit, den er mit seinen Armen umschlossen hielt. Es lag soviel kokette Herausforderung in ihrem Wesen, so viel wollüstige Hingebung zugleich. War es die Bewegung des Tanzes, die sie ihm näher brachte? Ihr Athem schlug wie Flammen an seine Brust. Das Blut kochte heiser in seinen Adern auf, und ein Rausch lag in allen seinen Sinnen. Jetzt blickte sie mit spöttischem Lächeln zu ihm auf und er schloß unwillkürlich sie fester an sich. Da wurde sie blaß, und mit ihrem Erblassen kehrte seine Besinnung zurück. Er erschrak über seine eigene Heftigkeit und hielt inne. — Ich fürchte mich nicht! flüsterte sie leise mit gesenkten Augen zu ihm empor. Aber ihm war es zu viel. Er ließ sie los, taumelte und hielt sich nur mit Mühe von einer Ohnmacht zurück. Du tanzest doch zu wild, sagte jetzt ihr Manu zu der Gruppe tretend, um welche die übrige Gesellschaft sich drängte. Leonie wandte ihm ihr erglühendes Gesicht zu und hing sich zutraulich wie ein reuiges Kind an seinen Arm. Ich tanze so gern, sagte sie, aber wenn du es wünschest — Nein, mein Herzchen! erwiderte er, du sollst dich unterhalten, so viel du willst, nur schaden sollst du dir nicht, nur das nicht, liebes Kind! Er strich ihr liebkosend die Haare aus dem Gesicht, und sie schmiegte sich innig und lächelnd an ihn an. Zornig wandte sich Louis ab und ging hinaus. Unter der Thüre des

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T13:30:48Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T13:30:48Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Wild, Hermine [d. i. Adele Wesemael]: Eure Wege sind nicht meine Wege. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wild_wege_1910/91>, abgerufen am 28.04.2024.