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Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 2. Dresden, 1764.

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unter den Römischen Kaisern.
zu vergleichen. Die Münzen dieses Kaisers sind in der Zeichnung sowohl,
als in der Arbeit, unter die schönsten Kaiserlichen Münzen zu rechnen: zu
einigen derselben sind die Stempel mit so großer Feinheit geschnitten, daß
man an der Göttinn Roma, die auf einer Rüstung sitzet, und dem Com-
modus eine Kugel überreichet, an den Füßen die kleinen Köpfe von den
Thieren, aus deren Fellen man Schuhe trug, ausgeführet sieht 1). Man
kann aber von einer Arbeit im Kleinen auf die Ausführung eines Werks im
Großen nicht sicher schließen; derjenige, welcher ein kleines Modell eines
Schifs zu machen weis, ist dadurch nicht geschickt zum Bau eines Schifs,
welches im tobenden Meere bestehen kann: denn viele Figuren auf Rück-
seiten der Münzen folgender Kaiser, die nicht übel gezeichnet sind, würden
sonst einen irrigen Schluß auf das Allgemeine der Kunst veranlassen. Ein
erträglicher Achilles klein gezeichnet, wird von eben der Hand groß, wie
die Natur, ausgeführet, vielmals als ein Thersites erscheinen. Es ist
auch glaublich, wenn auf Münzen des dritten Jahrhunderts die Rücksei-
ten über den Begriff selbiger Zeiten gearbeitet sind, daß man sich alter
Stempel bedienet habe.

Des Commodus Andenken beschloß der Senat zu Rom zu vertilgen,
und dieses gieng vornehmlich auf dessen Bildnisse; dieses fand sich an vie-
len Brustbildern und Köpfen desselben, die der Herr Cardinal Alex. Al-
bani
entdeckete, da er den Grund zu seinem prächtigen Lusthause zu Net-
tuno am Meere graben ließ. Von allen Köpfen ist das Gesicht mit dem
Meißel abgeschlagen, und man erkennet dieselben nur an einigen andern
Zeichen, so wie man auf einem zerbrochenen Steine den Kopf des Anti-
nous an dem Kinne und Munde erkennet. Jn der Villa Altieri ist ein
Kopf eben dieses jungen Menschen, nach Anzeige des Mundes, welcher nur
allein von demselben erhalten war, als ein Antinous ergänzet.

Es
1) Buonaroti Oss. sopr. alc. Medagl. tab. 7. n. 5.
Winckelm Gesch. der Kunst. G g g

unter den Roͤmiſchen Kaiſern.
zu vergleichen. Die Muͤnzen dieſes Kaiſers ſind in der Zeichnung ſowohl,
als in der Arbeit, unter die ſchoͤnſten Kaiſerlichen Muͤnzen zu rechnen: zu
einigen derſelben ſind die Stempel mit ſo großer Feinheit geſchnitten, daß
man an der Goͤttinn Roma, die auf einer Ruͤſtung ſitzet, und dem Com-
modus eine Kugel uͤberreichet, an den Fuͤßen die kleinen Koͤpfe von den
Thieren, aus deren Fellen man Schuhe trug, ausgefuͤhret ſieht 1). Man
kann aber von einer Arbeit im Kleinen auf die Ausfuͤhrung eines Werks im
Großen nicht ſicher ſchließen; derjenige, welcher ein kleines Modell eines
Schifs zu machen weis, iſt dadurch nicht geſchickt zum Bau eines Schifs,
welches im tobenden Meere beſtehen kann: denn viele Figuren auf Ruͤck-
ſeiten der Muͤnzen folgender Kaiſer, die nicht uͤbel gezeichnet ſind, wuͤrden
ſonſt einen irrigen Schluß auf das Allgemeine der Kunſt veranlaſſen. Ein
ertraͤglicher Achilles klein gezeichnet, wird von eben der Hand groß, wie
die Natur, ausgefuͤhret, vielmals als ein Therſites erſcheinen. Es iſt
auch glaublich, wenn auf Muͤnzen des dritten Jahrhunderts die Ruͤckſei-
ten uͤber den Begriff ſelbiger Zeiten gearbeitet ſind, daß man ſich alter
Stempel bedienet habe.

Des Commodus Andenken beſchloß der Senat zu Rom zu vertilgen,
und dieſes gieng vornehmlich auf deſſen Bildniſſe; dieſes fand ſich an vie-
len Bruſtbildern und Koͤpfen deſſelben, die der Herr Cardinal Alex. Al-
bani
entdeckete, da er den Grund zu ſeinem praͤchtigen Luſthauſe zu Net-
tuno am Meere graben ließ. Von allen Koͤpfen iſt das Geſicht mit dem
Meißel abgeſchlagen, und man erkennet dieſelben nur an einigen andern
Zeichen, ſo wie man auf einem zerbrochenen Steine den Kopf des Anti-
nous an dem Kinne und Munde erkennet. Jn der Villa Altieri iſt ein
Kopf eben dieſes jungen Menſchen, nach Anzeige des Mundes, welcher nur
allein von demſelben erhalten war, als ein Antinous ergaͤnzet.

Es
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[417/0105] unter den Roͤmiſchen Kaiſern. zu vergleichen. Die Muͤnzen dieſes Kaiſers ſind in der Zeichnung ſowohl, als in der Arbeit, unter die ſchoͤnſten Kaiſerlichen Muͤnzen zu rechnen: zu einigen derſelben ſind die Stempel mit ſo großer Feinheit geſchnitten, daß man an der Goͤttinn Roma, die auf einer Ruͤſtung ſitzet, und dem Com- modus eine Kugel uͤberreichet, an den Fuͤßen die kleinen Koͤpfe von den Thieren, aus deren Fellen man Schuhe trug, ausgefuͤhret ſieht 1). Man kann aber von einer Arbeit im Kleinen auf die Ausfuͤhrung eines Werks im Großen nicht ſicher ſchließen; derjenige, welcher ein kleines Modell eines Schifs zu machen weis, iſt dadurch nicht geſchickt zum Bau eines Schifs, welches im tobenden Meere beſtehen kann: denn viele Figuren auf Ruͤck- ſeiten der Muͤnzen folgender Kaiſer, die nicht uͤbel gezeichnet ſind, wuͤrden ſonſt einen irrigen Schluß auf das Allgemeine der Kunſt veranlaſſen. Ein ertraͤglicher Achilles klein gezeichnet, wird von eben der Hand groß, wie die Natur, ausgefuͤhret, vielmals als ein Therſites erſcheinen. Es iſt auch glaublich, wenn auf Muͤnzen des dritten Jahrhunderts die Ruͤckſei- ten uͤber den Begriff ſelbiger Zeiten gearbeitet ſind, daß man ſich alter Stempel bedienet habe. Des Commodus Andenken beſchloß der Senat zu Rom zu vertilgen, und dieſes gieng vornehmlich auf deſſen Bildniſſe; dieſes fand ſich an vie- len Bruſtbildern und Koͤpfen deſſelben, die der Herr Cardinal Alex. Al- bani entdeckete, da er den Grund zu ſeinem praͤchtigen Luſthauſe zu Net- tuno am Meere graben ließ. Von allen Koͤpfen iſt das Geſicht mit dem Meißel abgeſchlagen, und man erkennet dieſelben nur an einigen andern Zeichen, ſo wie man auf einem zerbrochenen Steine den Kopf des Anti- nous an dem Kinne und Munde erkennet. Jn der Villa Altieri iſt ein Kopf eben dieſes jungen Menſchen, nach Anzeige des Mundes, welcher nur allein von demſelben erhalten war, als ein Antinous ergaͤnzet. Es 1) Buonaroti Oſſ. ſopr. alc. Medagl. tab. 7. n. 5. Winckelm Geſch. der Kunſt. G g g

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Zitationshilfe: Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 2. Dresden, 1764, S. 417. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte02_1764/105>, abgerufen am 28.04.2024.