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Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 2. Dresden, 1764.

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II Theil. Von der Kunst, nach den äußern Umständen
Theilen von Marmor 1); ingleichen ein Hercules von Holz, welchen man
für ein Werk des Dädalus hielt 2). Was im übrigen den Römern von
einigem Werthe schien, wurde fortgeführet, so gar/ die Gefäße von
Erzt, welche innerhalb der Sitze des Theaters standen, um den Ton
zu verstärken 3).

L.
Widerlegung
über vermeyn-
te erhaltene
Statuen aus
dieser Zeit.

Fabretti scheint geneigt zu seyn zu glauben 4), daß zwo Statuen im
Hause Carpegna zu Rom, aus welchen man durch fremde aufgesetzte
Köpfe einen Marcus Aurelius und einen Septimius Severus gemachet,
unter denjenigen Statuen gewesen, welche Mummius aus Griechenland
brachte, weil auf ihrer beyder Base M. MVMMIVS COS. stand; ohn-
geachtet jener Lucius hieß: die aber die Kunst verstehen, finden an densel-
ben eine Arbeit viel niedriger Zeiten. Jene Basen sind vermuthlich verloh-
ren gegangen, da man neue Füße mit neuen Basen, ohne Jnschrift, aus
einem Stücke gemachet und ergänzet hat.

M.
Der Römer
Raub der
schönsten Wer-
ke der Kunst
aus Griechen-
land.

Gegen die Menge von Statuen und Gemälden, mit welchen alle
Städte und Orte in Griechenland angefüllet waren, wäre dieser Raub
endlich zu verschmerzen gewesen: allein den Griechen muß der Muth gefal-
len seyn, auf öffentliche Werke der Kunst Kosten zu verwenden, da die-
selben von diesen Zeiten an den Begierden ihrer Ueberwinder ausgesetzt wa-
ren; und in der That wurde Griechenland nunmehro ein beständiger Raub
der Römer. Marcus Scaurus nahm, als Aedilis, der Stadt Sicyon
alle ihre Gemälde aus Tempeln und öffentlichen Gebäuden, wegen rück-
ständiger Schulden an Rom, und sie dieneten ihm zu Auszierung seines
prächtigen Theaters, welches er auf einige Tage bauen ließ 5). Aus Am-
bracia, der Residenz der Könige in Epirus, wurden alle Statuen nach

Rom
1) Pausan. L. 2. p. 119. l. 32.
2) Ibid. p. 121. l. 3.
3) Vitruv. L. 5. c. 5.
4) Inscr. L. 5. p. 400. n. 293. conf. Buonarroti Oss. sopr. alc. Medagl. p. 264.
5) Plin. L. 35. c. 40. conf. L. 36. c. 24.

II Theil. Von der Kunſt, nach den aͤußern Umſtaͤnden
Theilen von Marmor 1); ingleichen ein Hercules von Holz, welchen man
fuͤr ein Werk des Daͤdalus hielt 2). Was im uͤbrigen den Roͤmern von
einigem Werthe ſchien, wurde fortgefuͤhret, ſo gar/ die Gefaͤße von
Erzt, welche innerhalb der Sitze des Theaters ſtanden, um den Ton
zu verſtaͤrken 3).

L.
Widerlegung
uͤber vermeyn-
te erhaltene
Statuen aus
dieſer Zeit.

Fabretti ſcheint geneigt zu ſeyn zu glauben 4), daß zwo Statuen im
Hauſe Carpegna zu Rom, aus welchen man durch fremde aufgeſetzte
Koͤpfe einen Marcus Aurelius und einen Septimius Severus gemachet,
unter denjenigen Statuen geweſen, welche Mummius aus Griechenland
brachte, weil auf ihrer beyder Baſe M. MVMMIVS COS. ſtand; ohn-
geachtet jener Lucius hieß: die aber die Kunſt verſtehen, finden an denſel-
ben eine Arbeit viel niedriger Zeiten. Jene Baſen ſind vermuthlich verloh-
ren gegangen, da man neue Fuͤße mit neuen Baſen, ohne Jnſchrift, aus
einem Stuͤcke gemachet und ergaͤnzet hat.

M.
Der Roͤmer
Raub der
ſchoͤnſten Wer-
ke der Kunſt
aus Griechen-
land.

Gegen die Menge von Statuen und Gemaͤlden, mit welchen alle
Staͤdte und Orte in Griechenland angefuͤllet waren, waͤre dieſer Raub
endlich zu verſchmerzen geweſen: allein den Griechen muß der Muth gefal-
len ſeyn, auf oͤffentliche Werke der Kunſt Koſten zu verwenden, da die-
ſelben von dieſen Zeiten an den Begierden ihrer Ueberwinder ausgeſetzt wa-
ren; und in der That wurde Griechenland nunmehro ein beſtaͤndiger Raub
der Roͤmer. Marcus Scaurus nahm, als Aedilis, der Stadt Sicyon
alle ihre Gemaͤlde aus Tempeln und oͤffentlichen Gebaͤuden, wegen ruͤck-
ſtaͤndiger Schulden an Rom, und ſie dieneten ihm zu Auszierung ſeines
praͤchtigen Theaters, welches er auf einige Tage bauen ließ 5). Aus Am-
bracia, der Reſidenz der Koͤnige in Epirus, wurden alle Statuen nach

Rom
1) Pauſan. L. 2. p. 119. l. 32.
2) Ibid. p. 121. l. 3.
3) Vitruv. L. 5. c. 5.
4) Inſcr. L. 5. p. 400. n. 293. conf. Buonarroti Oſſ. ſopr. alc. Medagl. p. 264.
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[372/0060] II Theil. Von der Kunſt, nach den aͤußern Umſtaͤnden Theilen von Marmor 1); ingleichen ein Hercules von Holz, welchen man fuͤr ein Werk des Daͤdalus hielt 2). Was im uͤbrigen den Roͤmern von einigem Werthe ſchien, wurde fortgefuͤhret, ſo gar/ die Gefaͤße von Erzt, welche innerhalb der Sitze des Theaters ſtanden, um den Ton zu verſtaͤrken 3). Fabretti ſcheint geneigt zu ſeyn zu glauben 4), daß zwo Statuen im Hauſe Carpegna zu Rom, aus welchen man durch fremde aufgeſetzte Koͤpfe einen Marcus Aurelius und einen Septimius Severus gemachet, unter denjenigen Statuen geweſen, welche Mummius aus Griechenland brachte, weil auf ihrer beyder Baſe M. MVMMIVS COS. ſtand; ohn- geachtet jener Lucius hieß: die aber die Kunſt verſtehen, finden an denſel- ben eine Arbeit viel niedriger Zeiten. Jene Baſen ſind vermuthlich verloh- ren gegangen, da man neue Fuͤße mit neuen Baſen, ohne Jnſchrift, aus einem Stuͤcke gemachet und ergaͤnzet hat. Gegen die Menge von Statuen und Gemaͤlden, mit welchen alle Staͤdte und Orte in Griechenland angefuͤllet waren, waͤre dieſer Raub endlich zu verſchmerzen geweſen: allein den Griechen muß der Muth gefal- len ſeyn, auf oͤffentliche Werke der Kunſt Koſten zu verwenden, da die- ſelben von dieſen Zeiten an den Begierden ihrer Ueberwinder ausgeſetzt wa- ren; und in der That wurde Griechenland nunmehro ein beſtaͤndiger Raub der Roͤmer. Marcus Scaurus nahm, als Aedilis, der Stadt Sicyon alle ihre Gemaͤlde aus Tempeln und oͤffentlichen Gebaͤuden, wegen ruͤck- ſtaͤndiger Schulden an Rom, und ſie dieneten ihm zu Auszierung ſeines praͤchtigen Theaters, welches er auf einige Tage bauen ließ 5). Aus Am- bracia, der Reſidenz der Koͤnige in Epirus, wurden alle Statuen nach Rom 1) Pauſan. L. 2. p. 119. l. 32. 2) Ibid. p. 121. l. 3. 3) Vitruv. L. 5. c. 5. 4) Inſcr. L. 5. p. 400. n. 293. conf. Buonarroti Oſſ. ſopr. alc. Medagl. p. 264. 5) Plin. L. 35. c. 40. conf. L. 36. c. 24.

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Zitationshilfe: Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 2. Dresden, 1764, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte02_1764/60>, abgerufen am 28.04.2024.