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Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 2. Dresden, 1764.

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II Theil. Von der Kunst, nach den äußern Umständen

Daß Antiochus Epiphanes, König in Syrien, einen Römischen
Baumeister, Cossutius, von Rom nach Athen kommen lassen, den Tem-
pel des Olympischen Jupiters, welcher seit des Pisistratus Zeit unvollen-
det geblieben war, auszubauen 1), könnte ein Beweis scheinen von der
Seltenheit geschickter Leute in dem ehemaligen Sitze der Kunst; es kann
aber auch aus Gefälligkeit und Schmeicheley gegen die Römer geschehen
seyn. Jn eben der Absicht scheint König Ariobarzanes Philopator II. in
Cappadocien, zween Römische Baumeister, den Cajus Stallius, und
dessen Bruder Marcus, nebst einem Griechen, Menalippus, genommen
zu haben, da er den Atheniensern das Odeum wieder aufbauen ließ, wel-
ches Aristion, des Mithradates Feldherr, in der Belagerung des Sylla
zum Theil hatte niederreißen lassen 2).

N.
Ende der
Kunst unter
den Seleuci-
dern.

Jn Asien, und an dem Hofe der Könige in Syrien, ergieng es der
Griechischen Kunst, wie wenn ein Licht, ehe es aus Mangel der Nahrung
verlöschet, vorher in eine helle Flamme auflodert, und alsdenn verschwin-
det. Antiochus IV. der jüngere Sohn Antiochus des Großen, welcher sei-
nem ältern Bruder Seleucus IV. in der Regierung folgete, liebete die Ru-
he, und suchete seine Tage wollüstig zu genießen: die Kunst und die Unter-
redung mit den Künstlern war seine vornehmste Beschäftigung; er ließ nicht
allein für sich, sondern auch für die Griechen arbeiten. Jn dem Tempel
des Jupiters zu Antiochia, welcher ohne Decke geblieben war, ließ er die-
selbe vergoldet machen, und alle Mauern inwendig mit vergoldeten Ble-
chen belegen 3), und in demselben ließ er eine Statue der Gottheit, in der
Größe des Olympischen Jupiters des Phidias, setzen 4). Den Tempel
des Olympischen Jupiters zu Athen, der einzige, welcher, wie die Alten
sagen, der Größe des Jupiters anständig war, ließ er prächtig ausbauen,

und
1) Vitruv. Praef. L. 7.
2) Explic. d'une Inscr. sur le retabl. de l'Odeum, p. 189.
3) Livius L. 14. c. 25.
4) Ammian. L. 22. c. 13.
II Theil. Von der Kunſt, nach den aͤußern Umſtaͤnden

Daß Antiochus Epiphanes, Koͤnig in Syrien, einen Roͤmiſchen
Baumeiſter, Coſſutius, von Rom nach Athen kommen laſſen, den Tem-
pel des Olympiſchen Jupiters, welcher ſeit des Piſiſtratus Zeit unvollen-
det geblieben war, auszubauen 1), koͤnnte ein Beweis ſcheinen von der
Seltenheit geſchickter Leute in dem ehemaligen Sitze der Kunſt; es kann
aber auch aus Gefaͤlligkeit und Schmeicheley gegen die Roͤmer geſchehen
ſeyn. Jn eben der Abſicht ſcheint Koͤnig Ariobarzanes Philopator II. in
Cappadocien, zween Roͤmiſche Baumeiſter, den Cajus Stallius, und
deſſen Bruder Marcus, nebſt einem Griechen, Menalippus, genommen
zu haben, da er den Athenienſern das Odeum wieder aufbauen ließ, wel-
ches Ariſtion, des Mithradates Feldherr, in der Belagerung des Sylla
zum Theil hatte niederreißen laſſen 2).

N.
Ende der
Kunſt unter
den Seleuci-
dern.

Jn Aſien, und an dem Hofe der Koͤnige in Syrien, ergieng es der
Griechiſchen Kunſt, wie wenn ein Licht, ehe es aus Mangel der Nahrung
verloͤſchet, vorher in eine helle Flamme auflodert, und alsdenn verſchwin-
det. Antiochus IV. der juͤngere Sohn Antiochus des Großen, welcher ſei-
nem aͤltern Bruder Seleucus IV. in der Regierung folgete, liebete die Ru-
he, und ſuchete ſeine Tage wolluͤſtig zu genießen: die Kunſt und die Unter-
redung mit den Kuͤnſtlern war ſeine vornehmſte Beſchaͤftigung; er ließ nicht
allein fuͤr ſich, ſondern auch fuͤr die Griechen arbeiten. Jn dem Tempel
des Jupiters zu Antiochia, welcher ohne Decke geblieben war, ließ er die-
ſelbe vergoldet machen, und alle Mauern inwendig mit vergoldeten Ble-
chen belegen 3), und in demſelben ließ er eine Statue der Gottheit, in der
Groͤße des Olympiſchen Jupiters des Phidias, ſetzen 4). Den Tempel
des Olympiſchen Jupiters zu Athen, der einzige, welcher, wie die Alten
ſagen, der Groͤße des Jupiters anſtaͤndig war, ließ er praͤchtig ausbauen,

und
1) Vitruv. Praef. L. 7.
2) Explic. d’une Inſcr. ſur le retabl. de l’Odeum, p. 189.
3) Livius L. 14. c. 25.
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[374/0062] II Theil. Von der Kunſt, nach den aͤußern Umſtaͤnden Daß Antiochus Epiphanes, Koͤnig in Syrien, einen Roͤmiſchen Baumeiſter, Coſſutius, von Rom nach Athen kommen laſſen, den Tem- pel des Olympiſchen Jupiters, welcher ſeit des Piſiſtratus Zeit unvollen- det geblieben war, auszubauen 1), koͤnnte ein Beweis ſcheinen von der Seltenheit geſchickter Leute in dem ehemaligen Sitze der Kunſt; es kann aber auch aus Gefaͤlligkeit und Schmeicheley gegen die Roͤmer geſchehen ſeyn. Jn eben der Abſicht ſcheint Koͤnig Ariobarzanes Philopator II. in Cappadocien, zween Roͤmiſche Baumeiſter, den Cajus Stallius, und deſſen Bruder Marcus, nebſt einem Griechen, Menalippus, genommen zu haben, da er den Athenienſern das Odeum wieder aufbauen ließ, wel- ches Ariſtion, des Mithradates Feldherr, in der Belagerung des Sylla zum Theil hatte niederreißen laſſen 2). Jn Aſien, und an dem Hofe der Koͤnige in Syrien, ergieng es der Griechiſchen Kunſt, wie wenn ein Licht, ehe es aus Mangel der Nahrung verloͤſchet, vorher in eine helle Flamme auflodert, und alsdenn verſchwin- det. Antiochus IV. der juͤngere Sohn Antiochus des Großen, welcher ſei- nem aͤltern Bruder Seleucus IV. in der Regierung folgete, liebete die Ru- he, und ſuchete ſeine Tage wolluͤſtig zu genießen: die Kunſt und die Unter- redung mit den Kuͤnſtlern war ſeine vornehmſte Beſchaͤftigung; er ließ nicht allein fuͤr ſich, ſondern auch fuͤr die Griechen arbeiten. Jn dem Tempel des Jupiters zu Antiochia, welcher ohne Decke geblieben war, ließ er die- ſelbe vergoldet machen, und alle Mauern inwendig mit vergoldeten Ble- chen belegen 3), und in demſelben ließ er eine Statue der Gottheit, in der Groͤße des Olympiſchen Jupiters des Phidias, ſetzen 4). Den Tempel des Olympiſchen Jupiters zu Athen, der einzige, welcher, wie die Alten ſagen, der Groͤße des Jupiters anſtaͤndig war, ließ er praͤchtig ausbauen, und 1) Vitruv. Praef. L. 7. 2) Explic. d’une Inſcr. ſur le retabl. de l’Odeum, p. 189. 3) Livius L. 14. c. 25. 4) Ammian. L. 22. c. 13.

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Zitationshilfe: Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 2. Dresden, 1764, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte02_1764/62>, abgerufen am 28.04.2024.