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Wolff, Caspar Friedrich: Theorie von der Generation. Berlin, 1764.

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der Gefäße etc.
an den Hölen nur undurchsichtig übrig bleibt; al-
lein je schmähler dieser undurchsichtige Theil wird,
um destomehr nimmt er zugleich in dem Grade
seiner Dichtigkeit und Undurchsichtigkeit zu; und
hierdurch erhält endlich der dichtere Theil der Sub-
stanz, der nahe bey den Hölen sich befindet, eini-
germaaßen das Ansehen, als wenn er zum Ge-
fäße gehörte, und eine Haut desselben ausmachte.
Hieraus versteht man nunmehro, wie es zugeht,
daß die Arterien, je älter und größer sie werden,
nach Verhältniß ihrer Oeffnungen (Luminum)
immer dünnere, zugleich aber auch dichtere und
festere Häute bekommen. Wenn in des Herren
von Hallers Elementis Physiologiae nach Win-
tringhams
Versuchen den kleinern Aesten eine
größere Stärke (robur) zugeschrieben wird; so
hat Wintringham hierbey einen Jrrthum began-
gen. Er vermischt die Zähigkeit (Tenacitas)
der Häute mit der Stärke; diese ist die Kraft wo-
mit sie der Ausdehnung widerstehn, jene ist das
Vermögen vermittelst welchem sie durch ihr Nach-
geben dem Zerreißen widerstehn; wenn daher die
kleinere Aeste, und wenn auch so gar die Venen
daher eine größere angewendete Kraft leiden, ehe
sie zerreißen, so folgt daraus wohl, daß sie zäher
sind und nachgeben, nicht aber, wie Wintring-
ham
sagt, daß sie eine größere Stärke haben.
Durch dergleichen unbestimmte Begriffe werden
lauter verdrießliche Verwirrungen und Jrrthümer
in die Wissenschaften eingeführt, die hernach zu
mehreren Jrrthümern oder Schwierigkeiten wenig-

stens

der Gefaͤße ꝛc.
an den Hoͤlen nur undurchſichtig uͤbrig bleibt; al-
lein je ſchmaͤhler dieſer undurchſichtige Theil wird,
um deſtomehr nimmt er zugleich in dem Grade
ſeiner Dichtigkeit und Undurchſichtigkeit zu; und
hierdurch erhaͤlt endlich der dichtere Theil der Sub-
ſtanz, der nahe bey den Hoͤlen ſich befindet, eini-
germaaßen das Anſehen, als wenn er zum Ge-
faͤße gehoͤrte, und eine Haut deſſelben ausmachte.
Hieraus verſteht man nunmehro, wie es zugeht,
daß die Arterien, je aͤlter und groͤßer ſie werden,
nach Verhaͤltniß ihrer Oeffnungen (Luminum)
immer duͤnnere, zugleich aber auch dichtere und
feſtere Haͤute bekommen. Wenn in des Herren
von Hallers Elementis Phyſiologiæ nach Win-
tringhams
Verſuchen den kleinern Aeſten eine
groͤßere Staͤrke (robur) zugeſchrieben wird; ſo
hat Wintringham hierbey einen Jrrthum began-
gen. Er vermiſcht die Zaͤhigkeit (Tenacitas)
der Haͤute mit der Staͤrke; dieſe iſt die Kraft wo-
mit ſie der Ausdehnung widerſtehn, jene iſt das
Vermoͤgen vermittelſt welchem ſie durch ihr Nach-
geben dem Zerreißen widerſtehn; wenn daher die
kleinere Aeſte, und wenn auch ſo gar die Venen
daher eine groͤßere angewendete Kraft leiden, ehe
ſie zerreißen, ſo folgt daraus wohl, daß ſie zaͤher
ſind und nachgeben, nicht aber, wie Wintring-
ham
ſagt, daß ſie eine groͤßere Staͤrke haben.
Durch dergleichen unbeſtimmte Begriffe werden
lauter verdrießliche Verwirrungen und Jrrthuͤmer
in die Wiſſenſchaften eingefuͤhrt, die hernach zu
mehreren Jrrthuͤmern oder Schwierigkeiten wenig-

ſtens
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[171/0193] der Gefaͤße ꝛc. an den Hoͤlen nur undurchſichtig uͤbrig bleibt; al- lein je ſchmaͤhler dieſer undurchſichtige Theil wird, um deſtomehr nimmt er zugleich in dem Grade ſeiner Dichtigkeit und Undurchſichtigkeit zu; und hierdurch erhaͤlt endlich der dichtere Theil der Sub- ſtanz, der nahe bey den Hoͤlen ſich befindet, eini- germaaßen das Anſehen, als wenn er zum Ge- faͤße gehoͤrte, und eine Haut deſſelben ausmachte. Hieraus verſteht man nunmehro, wie es zugeht, daß die Arterien, je aͤlter und groͤßer ſie werden, nach Verhaͤltniß ihrer Oeffnungen (Luminum) immer duͤnnere, zugleich aber auch dichtere und feſtere Haͤute bekommen. Wenn in des Herren von Hallers Elementis Phyſiologiæ nach Win- tringhams Verſuchen den kleinern Aeſten eine groͤßere Staͤrke (robur) zugeſchrieben wird; ſo hat Wintringham hierbey einen Jrrthum began- gen. Er vermiſcht die Zaͤhigkeit (Tenacitas) der Haͤute mit der Staͤrke; dieſe iſt die Kraft wo- mit ſie der Ausdehnung widerſtehn, jene iſt das Vermoͤgen vermittelſt welchem ſie durch ihr Nach- geben dem Zerreißen widerſtehn; wenn daher die kleinere Aeſte, und wenn auch ſo gar die Venen daher eine groͤßere angewendete Kraft leiden, ehe ſie zerreißen, ſo folgt daraus wohl, daß ſie zaͤher ſind und nachgeben, nicht aber, wie Wintring- ham ſagt, daß ſie eine groͤßere Staͤrke haben. Durch dergleichen unbeſtimmte Begriffe werden lauter verdrießliche Verwirrungen und Jrrthuͤmer in die Wiſſenſchaften eingefuͤhrt, die hernach zu mehreren Jrrthuͤmern oder Schwierigkeiten wenig- ſtens

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Zitationshilfe: Wolff, Caspar Friedrich: Theorie von der Generation. Berlin, 1764, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_theorie_1764/193>, abgerufen am 25.04.2024.