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Wolff, Caspar Friedrich: Theorie von der Generation. Berlin, 1764.

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Wiederholte Versuche.
das Herz erreichen und bedecken könte. Jn der
Folge aber zieht sich theils das Herz zurück, theils
verlängern sich auch durch das bloße Wachsen die
Seitentheile der Brust, und auf diese Art kommt
das Herz in der Brust zu liegen. Das Sternum
fängt an formirt zu werden, und schliesset die Brust
zu. Es ist immer, und auch beym Erwachsenen
noch, eine Narbe, und ein Zeichen der ehemali-
gen Oeffnung der Brust. Der Herr von Hal-
ler
will, wie es auch nach den Regeln der Evo-
lution seyn müste, daß die Brust immer verschlos-
fen, und das Herz immer innerhalb derselben ge-
legen gewesen seyn solle; man darf aber nur die
Beschaffenheit des Brustbeins und des knorplichen
Theils der Rippen beym Erwachsenen ansehen, so
sieht man daraus schon, daß sich die Sache ehe-
mals anders verhalten haben müsse.

Die Flügel und Füße aber fangen auf diese
Art an, aus der nemlichen Kante zu entstehen:
Jnnerhalb der Substanz derselbelben wird nach
den Regeln der Vegetation §. 51. ein Saft de-
ponirt, der durch seine stärkere Durchsichtigkeit
seine Flüßigkeit innerhalb dieser Substanz, und
daß er neuer ist, als die Kante selbst, verräth;
er dehnt an diesen Orten die Substanz der Kante
aus, und formirt dadurch die Hügel in derselben,
davon ich geredet habe. Das Wegziehen und
völlige Verschwinden der Kante, wodurch diese
Hügel formirt werden sollten, war mir bey den
Thieren etwas besonders, dergleichen ich bey den
Pflanzen nicht wahrgenommen hatte. Jetzo aber

sieht
R 2

Wiederholte Verſuche.
das Herz erreichen und bedecken koͤnte. Jn der
Folge aber zieht ſich theils das Herz zuruͤck, theils
verlaͤngern ſich auch durch das bloße Wachſen die
Seitentheile der Bruſt, und auf dieſe Art kommt
das Herz in der Bruſt zu liegen. Das Sternum
faͤngt an formirt zu werden, und ſchlieſſet die Bruſt
zu. Es iſt immer, und auch beym Erwachſenen
noch, eine Narbe, und ein Zeichen der ehemali-
gen Oeffnung der Bruſt. Der Herr von Hal-
ler
will, wie es auch nach den Regeln der Evo-
lution ſeyn muͤſte, daß die Bruſt immer verſchloſ-
fen, und das Herz immer innerhalb derſelben ge-
legen geweſen ſeyn ſolle; man darf aber nur die
Beſchaffenheit des Bruſtbeins und des knorplichen
Theils der Rippen beym Erwachſenen anſehen, ſo
ſieht man daraus ſchon, daß ſich die Sache ehe-
mals anders verhalten haben muͤſſe.

Die Fluͤgel und Fuͤße aber fangen auf dieſe
Art an, aus der nemlichen Kante zu entſtehen:
Jnnerhalb der Subſtanz derſelbelben wird nach
den Regeln der Vegetation §. 51. ein Saft de-
ponirt, der durch ſeine ſtaͤrkere Durchſichtigkeit
ſeine Fluͤßigkeit innerhalb dieſer Subſtanz, und
daß er neuer iſt, als die Kante ſelbſt, verraͤth;
er dehnt an dieſen Orten die Subſtanz der Kante
aus, und formirt dadurch die Huͤgel in derſelben,
davon ich geredet habe. Das Wegziehen und
voͤllige Verſchwinden der Kante, wodurch dieſe
Huͤgel formirt werden ſollten, war mir bey den
Thieren etwas beſonders, dergleichen ich bey den
Pflanzen nicht wahrgenommen hatte. Jetzo aber

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[259/0281] Wiederholte Verſuche. das Herz erreichen und bedecken koͤnte. Jn der Folge aber zieht ſich theils das Herz zuruͤck, theils verlaͤngern ſich auch durch das bloße Wachſen die Seitentheile der Bruſt, und auf dieſe Art kommt das Herz in der Bruſt zu liegen. Das Sternum faͤngt an formirt zu werden, und ſchlieſſet die Bruſt zu. Es iſt immer, und auch beym Erwachſenen noch, eine Narbe, und ein Zeichen der ehemali- gen Oeffnung der Bruſt. Der Herr von Hal- ler will, wie es auch nach den Regeln der Evo- lution ſeyn muͤſte, daß die Bruſt immer verſchloſ- fen, und das Herz immer innerhalb derſelben ge- legen geweſen ſeyn ſolle; man darf aber nur die Beſchaffenheit des Bruſtbeins und des knorplichen Theils der Rippen beym Erwachſenen anſehen, ſo ſieht man daraus ſchon, daß ſich die Sache ehe- mals anders verhalten haben muͤſſe. Die Fluͤgel und Fuͤße aber fangen auf dieſe Art an, aus der nemlichen Kante zu entſtehen: Jnnerhalb der Subſtanz derſelbelben wird nach den Regeln der Vegetation §. 51. ein Saft de- ponirt, der durch ſeine ſtaͤrkere Durchſichtigkeit ſeine Fluͤßigkeit innerhalb dieſer Subſtanz, und daß er neuer iſt, als die Kante ſelbſt, verraͤth; er dehnt an dieſen Orten die Subſtanz der Kante aus, und formirt dadurch die Huͤgel in derſelben, davon ich geredet habe. Das Wegziehen und voͤllige Verſchwinden der Kante, wodurch dieſe Huͤgel formirt werden ſollten, war mir bey den Thieren etwas beſonders, dergleichen ich bey den Pflanzen nicht wahrgenommen hatte. Jetzo aber ſieht R 2

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Zitationshilfe: Wolff, Caspar Friedrich: Theorie von der Generation. Berlin, 1764, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_theorie_1764/281>, abgerufen am 27.04.2024.