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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754.

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III. Theil 1. Abth. 5. Hauptstück.
Erblasser seinen Willen den Zeugen sagt, der
Erbe mag gegenwärtig, oder abwesend seyn:
Ein geschriebenes Testament aber (testa-
mentum scriptum),
wenn der Erblasser sei-
nen Willen aufgeschrieben hinterläst.

§. 933.
Von der
Art der
Erbfolge
ohne Te-
stament.

Weil es auf vielerley Weise geschehen kann,
daß einer seinen letzten Willen nicht bekannt
macht; so folgt deswegen nicht, daß er gewollt,
sein Vermögen solle nach seinem Tode nie-
manden gewissem zugehören, und folglich des-
sen seyn, der sich dasselbe zueignet (§. 209.
210.). Derowegen wenn einer ohne Te-
stament stirbt, so muß man durch
Muthmassung ausmachen, wem er
sein Vermögen nach seinem Tode habe
verlassen wollen.
Solchergestalt gelangt
derjenige, dem ohne Testament eine
Erbschaft zufällt, wenn sie ihm nicht
nothwendig zukommt (§. 924.), aus
Vermuthung des Willens des Erblas-
sers dazu.
Da man nun mit Recht ver-
muthet, was mit den Pflichten am meisten
übereinkommt, wir aber den Seitenver-
wandten auf eine besondere Weise zur Be-
förderung ihres Glücks verbunden sind, in so
weit nemlich in ihnen den Eltern im ersten
und vorhergehenden Grade vergolten wird (§.
930.); so gelangen, wenn keine Erben
in der geraden Linie vorhanden, ohne
Testament zur Erbschaft nach Graden
der Familie, welche in der Familie des

Vaters

III. Theil 1. Abth. 5. Hauptſtuͤck.
Erblaſſer ſeinen Willen den Zeugen ſagt, der
Erbe mag gegenwaͤrtig, oder abweſend ſeyn:
Ein geſchriebenes Teſtament aber (teſta-
mentum ſcriptum),
wenn der Erblaſſer ſei-
nen Willen aufgeſchrieben hinterlaͤſt.

§. 933.
Von der
Art der
Erbfolge
ohne Te-
ſtament.

Weil es auf vielerley Weiſe geſchehen kann,
daß einer ſeinen letzten Willen nicht bekannt
macht; ſo folgt deswegen nicht, daß er gewollt,
ſein Vermoͤgen ſolle nach ſeinem Tode nie-
manden gewiſſem zugehoͤren, und folglich deſ-
ſen ſeyn, der ſich daſſelbe zueignet (§. 209.
210.). Derowegen wenn einer ohne Te-
ſtament ſtirbt, ſo muß man durch
Muthmaſſung ausmachen, wem er
ſein Vermoͤgen nach ſeinem Tode habe
verlaſſen wollen.
Solchergeſtalt gelangt
derjenige, dem ohne Teſtament eine
Erbſchaft zufaͤllt, wenn ſie ihm nicht
nothwendig zukommt (§. 924.), aus
Vermuthung des Willens des Erblaſ-
ſers dazu.
Da man nun mit Recht ver-
muthet, was mit den Pflichten am meiſten
uͤbereinkommt, wir aber den Seitenver-
wandten auf eine beſondere Weiſe zur Be-
foͤrderung ihres Gluͤcks verbunden ſind, in ſo
weit nemlich in ihnen den Eltern im erſten
und vorhergehenden Grade vergolten wird (§.
930.); ſo gelangen, wenn keine Erben
in der geraden Linie vorhanden, ohne
Teſtament zur Erbſchaft nach Graden
der Familie, welche in der Familie des

Vaters
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[676/0712] III. Theil 1. Abth. 5. Hauptſtuͤck. Erblaſſer ſeinen Willen den Zeugen ſagt, der Erbe mag gegenwaͤrtig, oder abweſend ſeyn: Ein geſchriebenes Teſtament aber (teſta- mentum ſcriptum), wenn der Erblaſſer ſei- nen Willen aufgeſchrieben hinterlaͤſt. §. 933. Weil es auf vielerley Weiſe geſchehen kann, daß einer ſeinen letzten Willen nicht bekannt macht; ſo folgt deswegen nicht, daß er gewollt, ſein Vermoͤgen ſolle nach ſeinem Tode nie- manden gewiſſem zugehoͤren, und folglich deſ- ſen ſeyn, der ſich daſſelbe zueignet (§. 209. 210.). Derowegen wenn einer ohne Te- ſtament ſtirbt, ſo muß man durch Muthmaſſung ausmachen, wem er ſein Vermoͤgen nach ſeinem Tode habe verlaſſen wollen. Solchergeſtalt gelangt derjenige, dem ohne Teſtament eine Erbſchaft zufaͤllt, wenn ſie ihm nicht nothwendig zukommt (§. 924.), aus Vermuthung des Willens des Erblaſ- ſers dazu. Da man nun mit Recht ver- muthet, was mit den Pflichten am meiſten uͤbereinkommt, wir aber den Seitenver- wandten auf eine beſondere Weiſe zur Be- foͤrderung ihres Gluͤcks verbunden ſind, in ſo weit nemlich in ihnen den Eltern im erſten und vorhergehenden Grade vergolten wird (§. 930.); ſo gelangen, wenn keine Erben in der geraden Linie vorhanden, ohne Teſtament zur Erbſchaft nach Graden der Familie, welche in der Familie des Vaters

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 676. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/712>, abgerufen am 29.04.2024.