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Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867.

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Von dem Lichte.
lichen Lichtes theilt sich daher in zwei Strahlen. Hiernach bezeich-
net man die ganze Erscheinung als Doppelbrechung.

Sehr augenfällig zeigt der Kalkspath das Phänomen der Dop-
pelbrechung. Die Grundgestalt dieses Krystalls ist das Rhomboeder

[Abbildung] Fig. 163.
(Fig. 163), d. h. ein von sechs Rhomben ein-
geschlossener Körper mit einer Hauptaxe
a d, an deren beiden Enden die stumpfen
Winkel je dreier Rhomben zusammenstossen,
während die Nebenaxen b c, e g, f h je zwei
gegenüberliegende Ecken, an denen die spitzen
Winkel dreier Rhomben zusammenstossen, mit
einander verbinden. Einen durch die Haupt-
axe a d oder ihr parallel durch den Krystall
gelegten Schnitt nennt man einen Haupt-
schnitt
desselben. Da man nämlich jeden
Krystall betrachten kann als zusammengesetzt
aus unendlich vielen kleinen Krystallen von derselben Form, so muss
sich auch jede der Hauptaxe parallele Linie ebenso wie die Hauptaxe
verhalten.

Lässt man nun einen Lichtstrahl parallel der Hauptaxe durch
einen Kalkspath hindurchtreten, schleift man also die Ecken a und d
ab und lässt senkrecht auf die erhaltenen Ebenen einen Strahl auf-
fallen, so wird dieser nicht in zwei Strahlen zerlegt. Lässt man da-
gegen einen Strahl in den Krystall eintreten, der unter irgend einem
Winkel zur Hauptaxe geneigt ist, so fällt ein solcher stets in zwei
Strahlen auseinander, von denen der eine dem gewöhnlichen Bre-
chungsgesetze folgt, während der andere davon abweicht: man nennt
daher auch den ersteren Strahl den ordentlich gebrochenen,
den zweiten den ausserordentlich gebrochenen. Lässt man
z. B. senkrecht auf die Fläche a c e f einen Strahl fallen, so geht ein

[Abbildung] Fig. 164.
Strahl, wie es das Brechungsgesetz verlangt,
ungebrochen durch den Krystall hindurch, er
ist der ordentlich gebrochene, ein zweiter
Strahl aber wird abgelenkt, und zwar in dem
durch den eintretenden Strahl gelegten Haupt-
schnitt gegen seine ursprüngliche Richtung ver-
schoben, er ist der ausserordentlich gebrochene
Strahl. Es sei a e d g der Hauptschnitt, in
dessen Ebene der auf a e senkrecht einfallende
Strahl l m (Fig. 164) liegt. Es tritt dann m o,
der ordentliche Strahl, ungebrochen hindurch,
und m i, der ausserordentliche Strahl, wird in
dem Hauptschnitt abgelenkt und tritt dann aus
der Fläche d g parallel dem Strahl o p aus.

Von dem Lichte.
lichen Lichtes theilt sich daher in zwei Strahlen. Hiernach bezeich-
net man die ganze Erscheinung als Doppelbrechung.

Sehr augenfällig zeigt der Kalkspath das Phänomen der Dop-
pelbrechung. Die Grundgestalt dieses Krystalls ist das Rhomboëder

[Abbildung] Fig. 163.
(Fig. 163), d. h. ein von sechs Rhomben ein-
geschlossener Körper mit einer Hauptaxe
a d, an deren beiden Enden die stumpfen
Winkel je dreier Rhomben zusammenstossen,
während die Nebenaxen b c, e g, f h je zwei
gegenüberliegende Ecken, an denen die spitzen
Winkel dreier Rhomben zusammenstossen, mit
einander verbinden. Einen durch die Haupt-
axe a d oder ihr parallel durch den Krystall
gelegten Schnitt nennt man einen Haupt-
schnitt
desselben. Da man nämlich jeden
Krystall betrachten kann als zusammengesetzt
aus unendlich vielen kleinen Krystallen von derselben Form, so muss
sich auch jede der Hauptaxe parallele Linie ebenso wie die Hauptaxe
verhalten.

Lässt man nun einen Lichtstrahl parallel der Hauptaxe durch
einen Kalkspath hindurchtreten, schleift man also die Ecken a und d
ab und lässt senkrecht auf die erhaltenen Ebenen einen Strahl auf-
fallen, so wird dieser nicht in zwei Strahlen zerlegt. Lässt man da-
gegen einen Strahl in den Krystall eintreten, der unter irgend einem
Winkel zur Hauptaxe geneigt ist, so fällt ein solcher stets in zwei
Strahlen auseinander, von denen der eine dem gewöhnlichen Bre-
chungsgesetze folgt, während der andere davon abweicht: man nennt
daher auch den ersteren Strahl den ordentlich gebrochenen,
den zweiten den ausserordentlich gebrochenen. Lässt man
z. B. senkrecht auf die Fläche a c e f einen Strahl fallen, so geht ein

[Abbildung] Fig. 164.
Strahl, wie es das Brechungsgesetz verlangt,
ungebrochen durch den Krystall hindurch, er
ist der ordentlich gebrochene, ein zweiter
Strahl aber wird abgelenkt, und zwar in dem
durch den eintretenden Strahl gelegten Haupt-
schnitt gegen seine ursprüngliche Richtung ver-
schoben, er ist der ausserordentlich gebrochene
Strahl. Es sei a e d g der Hauptschnitt, in
dessen Ebene der auf a e senkrecht einfallende
Strahl l m (Fig. 164) liegt. Es tritt dann m o,
der ordentliche Strahl, ungebrochen hindurch,
und m i, der ausserordentliche Strahl, wird in
dem Hauptschnitt abgelenkt und tritt dann aus
der Fläche d g parallel dem Strahl o p aus.

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[330/0352] Von dem Lichte. lichen Lichtes theilt sich daher in zwei Strahlen. Hiernach bezeich- net man die ganze Erscheinung als Doppelbrechung. Sehr augenfällig zeigt der Kalkspath das Phänomen der Dop- pelbrechung. Die Grundgestalt dieses Krystalls ist das Rhomboëder [Abbildung Fig. 163.] (Fig. 163), d. h. ein von sechs Rhomben ein- geschlossener Körper mit einer Hauptaxe a d, an deren beiden Enden die stumpfen Winkel je dreier Rhomben zusammenstossen, während die Nebenaxen b c, e g, f h je zwei gegenüberliegende Ecken, an denen die spitzen Winkel dreier Rhomben zusammenstossen, mit einander verbinden. Einen durch die Haupt- axe a d oder ihr parallel durch den Krystall gelegten Schnitt nennt man einen Haupt- schnitt desselben. Da man nämlich jeden Krystall betrachten kann als zusammengesetzt aus unendlich vielen kleinen Krystallen von derselben Form, so muss sich auch jede der Hauptaxe parallele Linie ebenso wie die Hauptaxe verhalten. Lässt man nun einen Lichtstrahl parallel der Hauptaxe durch einen Kalkspath hindurchtreten, schleift man also die Ecken a und d ab und lässt senkrecht auf die erhaltenen Ebenen einen Strahl auf- fallen, so wird dieser nicht in zwei Strahlen zerlegt. Lässt man da- gegen einen Strahl in den Krystall eintreten, der unter irgend einem Winkel zur Hauptaxe geneigt ist, so fällt ein solcher stets in zwei Strahlen auseinander, von denen der eine dem gewöhnlichen Bre- chungsgesetze folgt, während der andere davon abweicht: man nennt daher auch den ersteren Strahl den ordentlich gebrochenen, den zweiten den ausserordentlich gebrochenen. Lässt man z. B. senkrecht auf die Fläche a c e f einen Strahl fallen, so geht ein [Abbildung Fig. 164.] Strahl, wie es das Brechungsgesetz verlangt, ungebrochen durch den Krystall hindurch, er ist der ordentlich gebrochene, ein zweiter Strahl aber wird abgelenkt, und zwar in dem durch den eintretenden Strahl gelegten Haupt- schnitt gegen seine ursprüngliche Richtung ver- schoben, er ist der ausserordentlich gebrochene Strahl. Es sei a e d g der Hauptschnitt, in dessen Ebene der auf a e senkrecht einfallende Strahl l m (Fig. 164) liegt. Es tritt dann m o, der ordentliche Strahl, ungebrochen hindurch, und m i, der ausserordentliche Strahl, wird in dem Hauptschnitt abgelenkt und tritt dann aus der Fläche d g parallel dem Strahl o p aus.

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/352>, abgerufen am 30.04.2024.