Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735.
XLIII. Vollendung einer fünfjährig-fortge- wehrten Betrachtung GOttes. ALlgegenwart! ich muß gestehn, Du unaussprechlich tiefe Höhe Erfüllest, ohne dich zu sehn, Doch alles, wo ich geh und stehe: Die Spur von deinem Allmachts-Pfad, Die ewiglich nicht auszugründen, Jst dennoch überall zu finden, So weit man Raum zu dencken hat. So kan es ja nicht anders seyn, Weil ich dich allerwegen mercke, So geb ich mich mit Ernst darein, Die Grösse deiner Macht und Stärcke, Die blendend helle Majestät, Vor der die finstre Tiefen weichen, Mit einem Liede zu erreichen, Das über alle Lieder geht. All ein du unbeschriebner Mann, Wo fing ich meine Lobs-Gedancken Den ersten Stein zu setzen an? Wohin versetzt ich ihre Schrancken? Jn welchem Lebens-Jahre wird Erst mein Verstand so aufgekläret, Daß er hinauf und nieder fähret, Und sich nicht überall verirrt. Es spreche, du verborgner GOtt, Ein Mensch, was eigentlich dein Wesen! Und werde nicht dabey zu Spott Vor allen, die den Ausspruch lesen; Er wird, mit ausgesuchter Art, Die Sprache also führen müssen, Daß er und alle nichts mehr wissen, Als was du längst geoffenbahrt. Wie
XLIII. Vollendung einer fuͤnfjaͤhrig-fortge- wehrten Betrachtung GOttes. ALlgegenwart! ich muß geſtehn, Du unausſprechlich tiefe Hoͤhe Erfuͤlleſt, ohne dich zu ſehn, Doch alles, wo ich geh und ſtehe: Die Spur von deinem Allmachts-Pfad, Die ewiglich nicht auszugruͤnden, Jſt dennoch uͤberall zu finden, So weit man Raum zu dencken hat. So kan es ja nicht anders ſeyn, Weil ich dich allerwegen mercke, So geb ich mich mit Ernſt darein, Die Groͤſſe deiner Macht und Staͤrcke, Die blendend helle Majeſtaͤt, Vor der die finſtre Tiefen weichen, Mit einem Liede zu erreichen, Das uͤber alle Lieder geht. All ein du unbeſchriebner Mann, Wo fing ich meine Lobs-Gedancken Den erſten Stein zu ſetzen an? Wohin verſetzt ich ihre Schrancken? Jn welchem Lebens-Jahre wird Erſt mein Verſtand ſo aufgeklaͤret, Daß er hinauf und nieder faͤhret, Und ſich nicht uͤberall verirrt. Es ſpreche, du verborgner GOtt, Ein Menſch, was eigentlich dein Weſen! Und werde nicht dabey zu Spott Vor allen, die den Ausſpruch leſen; Er wird, mit ausgeſuchter Art, Die Sprache alſo fuͤhren muͤſſen, Daß er und alle nichts mehr wiſſen, Als was du laͤngſt geoffenbahrt. Wie
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1725.
Weg Erde, weg Natur und Stand!
Wir haben ſonſt ein Vater Land.
XLIII. Vollendung einer fuͤnfjaͤhrig-fortge-
wehrten Betrachtung GOttes.
ALlgegenwart! ich muß geſtehn,
Du unausſprechlich tiefe Hoͤhe
Erfuͤlleſt, ohne dich zu ſehn,
Doch alles, wo ich geh und ſtehe:
Die Spur von deinem Allmachts-Pfad,
Die ewiglich nicht auszugruͤnden,
Jſt dennoch uͤberall zu finden,
So weit man Raum zu dencken hat.
So kan es ja nicht anders ſeyn,
Weil ich dich allerwegen mercke,
So geb ich mich mit Ernſt darein,
Die Groͤſſe deiner Macht und Staͤrcke,
Die blendend helle Majeſtaͤt,
Vor der die finſtre Tiefen weichen,
Mit einem Liede zu erreichen,
Das uͤber alle Lieder geht.
All ein du unbeſchriebner Mann,
Wo fing ich meine Lobs-Gedancken
Den erſten Stein zu ſetzen an?
Wohin verſetzt ich ihre Schrancken?
Jn welchem Lebens-Jahre wird
Erſt mein Verſtand ſo aufgeklaͤret,
Daß er hinauf und nieder faͤhret,
Und ſich nicht uͤberall verirrt.
Es ſpreche, du verborgner GOtt,
Ein Menſch, was eigentlich dein Weſen!
Und werde nicht dabey zu Spott
Vor allen, die den Ausſpruch leſen;
Er wird, mit ausgeſuchter Art,
Die Sprache alſo fuͤhren muͤſſen,
Daß er und alle nichts mehr wiſſen,
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