Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735.1724. XXXIII, Auf des Lic. Gutbiers, seines Me- dici, Verheyrathung. Du sel'ge Liebe du! Wohl heissest du verborgen! Wer stöhrt in deine Ruh! Wer öfnet deinen Rath, Und was er heimlichs hat? Die Seelen nur allein, Die ohne Willen seyn. Wer nichts auf Erden will; Läst GOttes Liebe sorgen, Sein Sinn ist immer still, Sein Puls schlägt ordentlich, Sein Hertz vergnüget sich, Jn allerley Gefahr Verbleibt sein Auge klar. O unerschafne Lieb! Was kont'st du schöners schencken, Als den gelaßnen Trieb, Der Adams Geist durchstrich, So lang er dir noch glich, Wodurch er Edens-Pracht Noch höher ausgebracht? Wie wollte Satanas Diß stille Wohlseyn kräncken? Als daß er irgend was Jm Menschen aufgeregt, Das nun zu dencken pflegt: Ach hätt' ichs so und so! So wär ich erst recht froh. Seit dem siehts also aus: Der Mensch ist unzufrieden, Bald düncket ihm sein Hauß Zu groß, und bald zu klein[.] Bald will er etwas seyn, Das F
1724. XXXIII, Auf des Lic. Gutbiers, ſeines Me- dici, Verheyrathung. Du ſel’ge Liebe du! Wohl heiſſeſt du verborgen! Wer ſtoͤhrt in deine Ruh! Wer oͤfnet deinen Rath, Und was er heimlichs hat? Die Seelen nur allein, Die ohne Willen ſeyn. Wer nichts auf Erden will; Laͤſt GOttes Liebe ſorgen, Sein Sinn iſt immer ſtill, Sein Puls ſchlaͤgt ordentlich, Sein Hertz vergnuͤget ſich, Jn allerley Gefahr Verbleibt ſein Auge klar. O unerſchafne Lieb! Was kont’ſt du ſchoͤners ſchencken, Als den gelaßnen Trieb, Der Adams Geiſt durchſtrich, So lang er dir noch glich, Wodurch er Edens-Pracht Noch hoͤher ausgebracht? Wie wollte Satanas Diß ſtille Wohlſeyn kraͤncken? Als daß er irgend was Jm Menſchen aufgeregt, Das nun zu dencken pflegt: Ach haͤtt’ ichs ſo und ſo! So waͤr ich erſt recht froh. Seit dem ſiehts alſo aus: Der Menſch iſt unzufrieden, Bald duͤncket ihm ſein Hauß Zu groß, und bald zu klein[.] Bald will er etwas ſeyn, Das F
<TEI> <text> <body> <div> <pb facs="#f0091" n="81"/> <fw place="top" type="header">1724.</fw><lb/> <lg type="poem"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">XXXIII,</hi> Auf des <hi rendition="#aq">Lic.</hi> Gutbiers, ſeines <hi rendition="#aq">Me-<lb/> dici,</hi> Verheyrathung.</hi> </head><lb/> <lg n="39"> <l><hi rendition="#in">D</hi>u ſel’ge Liebe du!</l><lb/> <l>Wohl heiſſeſt du verborgen!</l><lb/> <l>Wer ſtoͤhrt in deine Ruh!</l><lb/> <l>Wer oͤfnet deinen Rath,</l><lb/> <l>Und was er heimlichs hat?</l><lb/> <l>Die Seelen nur allein,<lb/><hi rendition="#fr">Die ohne Willen ſeyn.</hi></l> </lg><lb/> <lg n="40"> <l>Wer nichts auf Erden will;</l><lb/> <l>Laͤſt GOttes Liebe ſorgen,</l><lb/> <l>Sein Sinn iſt immer ſtill,</l><lb/> <l>Sein Puls ſchlaͤgt ordentlich,</l><lb/> <l>Sein Hertz vergnuͤget ſich,</l><lb/> <l>Jn allerley Gefahr</l><lb/> <l>Verbleibt ſein Auge klar.</l> </lg><lb/> <lg n="41"> <l>O unerſchafne Lieb!</l><lb/> <l>Was kont’ſt du ſchoͤners ſchencken,</l><lb/> <l>Als den gelaßnen Trieb,</l><lb/> <l>Der Adams Geiſt durchſtrich,</l><lb/> <l>So lang er dir noch glich,</l><lb/> <l>Wodurch er Edens-Pracht</l><lb/> <l>Noch hoͤher ausgebracht?</l> </lg><lb/> <lg n="42"> <l>Wie wollte Satanas</l><lb/> <l>Diß ſtille Wohlſeyn kraͤncken?</l><lb/> <l>Als daß er irgend was</l><lb/> <l>Jm Menſchen aufgeregt,</l><lb/> <l>Das nun zu dencken pflegt:</l><lb/> <l>Ach haͤtt’ ichs ſo und ſo!</l><lb/> <l>So waͤr ich erſt recht froh.</l> </lg><lb/> <lg n="43"> <l>Seit dem ſiehts alſo aus:</l><lb/> <l>Der Menſch iſt unzufrieden,</l><lb/> <l>Bald duͤncket ihm ſein Hauß</l><lb/> <l>Zu groß, und bald zu klein<supplied>.</supplied></l><lb/> <l>Bald will er etwas ſeyn,<lb/> <fw place="bottom" type="sig">F</fw><fw place="bottom" type="catch">Das</fw><lb/></l> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [81/0091]
1724.
XXXIII, Auf des Lic. Gutbiers, ſeines Me-
dici, Verheyrathung.
Du ſel’ge Liebe du!
Wohl heiſſeſt du verborgen!
Wer ſtoͤhrt in deine Ruh!
Wer oͤfnet deinen Rath,
Und was er heimlichs hat?
Die Seelen nur allein,
Die ohne Willen ſeyn.
Wer nichts auf Erden will;
Laͤſt GOttes Liebe ſorgen,
Sein Sinn iſt immer ſtill,
Sein Puls ſchlaͤgt ordentlich,
Sein Hertz vergnuͤget ſich,
Jn allerley Gefahr
Verbleibt ſein Auge klar.
O unerſchafne Lieb!
Was kont’ſt du ſchoͤners ſchencken,
Als den gelaßnen Trieb,
Der Adams Geiſt durchſtrich,
So lang er dir noch glich,
Wodurch er Edens-Pracht
Noch hoͤher ausgebracht?
Wie wollte Satanas
Diß ſtille Wohlſeyn kraͤncken?
Als daß er irgend was
Jm Menſchen aufgeregt,
Das nun zu dencken pflegt:
Ach haͤtt’ ichs ſo und ſo!
So waͤr ich erſt recht froh.
Seit dem ſiehts alſo aus:
Der Menſch iſt unzufrieden,
Bald duͤncket ihm ſein Hauß
Zu groß, und bald zu klein.
Bald will er etwas ſeyn,
Das
F
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |