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Zschackwitz, Johann Ehrenfried: Historisch-Genealogischer Schau-Platz. Lemgo, 1724.

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derst/ als die blinde Liebe zu diesen zwey Sprachen verleitet. Wer solch abgeschmackt Zeug glauben will/ der muß sich die Teutschen wie das unvernünftige Vieh/ und daß sie stumm und murrend so lange herum gegangen/ bis die neunmahl kluge Römer und Grichen kommen/ und sie reden gelehret / einbilden. Weil aber ihre zum reden ungeschickte Zungen/ die zarten Lateinischen und Grigischen Worte nicht recht aussprechen können/ also wären solche übel und hartlautende Worte daraus entstanden/ die wir noch bis diese Stunde haben/ doch wie viel Sprachmeister müssen denn die Grichen und Römer gehalten haben/ ehe sie eine solche Menge Teutscher Völcker alle Reden gelehret? wissen möchte man/ ob sie ihnen des Tages mehr/ oder eben so viel Stunden gegeben; als wie unsere Sprachmeister jetzo zu thun pflegen? man solte sich kaum einbilden können/ daß ein so gelehrter Mann auf dergleichen abgeschmackt Zeug habe verfallen können? Da soll Altar/ Arm-Acker/ Angst / Keller/ Herr/ Lang/ Fackel/ Flamm/ Fell/ Fisch/ Meere/ Mühle/ Rad / Saltz/ Decken/ Wall und noch andere mehr/ von der Lateinischen Sprache herkommen. Aber die Teutschen hatten Altäre/ Arme/ Beine/ Hände und Füsse / ehe sie die Römer und Griechen kennen lerneten. Sie wusten von Fischen/ von Fellen/ vom Meer/ von Kellern/ von kleinen und langen Leuten von Zu- und Aufdecken ehe die Römer sich erkühnen dürffen/ an ihre Gräntzen zukommen. Doch es ist damit noch nicht genug/ die Perser, haben auch Sprachmeister nach Teutschland gesendet/ und sie unterrichten lassen/ was sie einen Anfall / einen Brudex/ einen Vater/ eine Tochter/ ein Band/ einen Stern und GOtt nennen solten? Seind das nicht Grillen/ die ein gescheiter Mensch sich kaum solte anfliegen lassen. Allein/ Hachenberg ist endlich auf gewisse Masse zuentschuldigen/ indem er sich dergleichen Sachen von dem Lipsio aufschwatzen lassen. Um aber sothane/ mehr als ungegründete Einfälle auf die Seiten zusetzen/ so ist nicht bekannt; wann der Nahme Hessen aufkommen/ dann daß die alten Teutschen/ denen Gegenden/ die sie bewohnet/ keine besondere Nahmen gegeben/ ist gewisser als gewiß/ und hiessen sie selbige überhaupts Gau, Gow und dergleichen/ welches nichts anderst als einen Strich Landes bedeutete/ und gantz nicht/ weder eines Grigischen noch eines Ebräischen Uhrsprungs ist/ als welche Meynung vollends auch die abgeschmacktesten Teudereyen übertrifft/ sondern es stammet vielmehr aus den Teutschen selber her. Nebst dem/ ward der Nahme des Volcks/ so selbigen Gau oder Gow bewohnet/ mit beygesetzet/ daher so vielerley Gauen entstanden/ die auf lateinisch Pagi heissen/ und von denen am angeführten Orte weiter nachgesehen werden kan. Als die Francken Teutschland in eine andere Gestalt und Wesen gossen/ haben die Hessen es allemahl mit ihnen gehalten /

Epist. Cent. 3. Epist 44.
Paulin. de pag. vet. Germ.

derst/ als die blinde Liebe zu diesen zwey Sprachen verleitet. Wer solch abgeschmackt Zeug glauben will/ der muß sich die Teutschen wie das unvernünftige Vieh/ und daß sie stumm und murrend so lange herum gegangen/ bis die neunmahl kluge Römer und Grichen kommen/ und sie reden gelehret / einbilden. Weil aber ihre zum reden ungeschickte Zungen/ die zarten Lateinischen und Grigischen Worte nicht recht aussprechen können/ also wären solche übel und hartlautende Worte daraus entstanden/ die wir noch bis diese Stunde haben/ doch wie viel Sprachmeister müssen denn die Grichen und Römer gehalten haben/ ehe sie eine solche Menge Teutscher Völcker alle Reden gelehret? wissen möchte man/ ob sie ihnen des Tages mehr/ oder eben so viel Stunden gegeben; als wie unsere Sprachmeister jetzo zu thun pflegen? man solte sich kaum einbilden können/ daß ein so gelehrter Mann auf dergleichen abgeschmackt Zeug habe verfallen können? Da soll Altar/ Arm-Acker/ Angst / Keller/ Herr/ Lang/ Fackel/ Flamm/ Fell/ Fisch/ Meere/ Mühle/ Rad / Saltz/ Decken/ Wall und noch andere mehr/ von der Lateinischen Sprache herkommen. Aber die Teutschen hatten Altäre/ Arme/ Beine/ Hände und Füsse / ehe sie die Römer und Griechen kennen lerneten. Sie wusten von Fischen/ von Fellen/ vom Meer/ von Kellern/ von kleinen und langen Leuten von Zu- und Aufdecken ehe die Römer sich erkühnen dürffen/ an ihre Gräntzen zukommen. Doch es ist damit noch nicht genug/ die Perser, haben auch Sprachmeister nach Teutschland gesendet/ und sie unterrichten lassen/ was sie einen Anfall / einen Brudex/ einen Vater/ eine Tochter/ ein Band/ einen Stern und GOtt nennen solten? Seind das nicht Grillen/ die ein gescheiter Mensch sich kaum solte anfliegen lassen. Allein/ Hachenberg ist endlich auf gewisse Masse zuentschuldigen/ indem er sich dergleichen Sachen von dem Lipsio aufschwatzen lassen. Um aber sothane/ mehr als ungegründete Einfälle auf die Seiten zusetzen/ so ist nicht bekannt; wann der Nahme Hessen aufkommen/ dann daß die alten Teutschen/ denen Gegenden/ die sie bewohnet/ keine besondere Nahmen gegeben/ ist gewisser als gewiß/ und hiessen sie selbige überhaupts Gau, Gow und dergleichen/ welches nichts anderst als einen Strich Landes bedeutete/ und gantz nicht/ weder eines Grigischen noch eines Ebräischen Uhrsprungs ist/ als welche Meynung vollends auch die abgeschmacktesten Teudereyen übertrifft/ sondern es stammet vielmehr aus den Teutschen selber her. Nebst dem/ ward der Nahme des Volcks/ so selbigen Gau oder Gow bewohnet/ mit beygesetzet/ daher so vielerley Gauen entstanden/ die auf lateinisch Pagi heissen/ und von denen am angeführten Orte weiter nachgesehen werden kan. Als die Francken Teutschland in eine andere Gestalt und Wesen gossen/ haben die Hessen es allemahl mit ihnen gehalten /

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derst/ als die blinde Liebe zu diesen zwey Sprachen verleitet. Wer solch                      abgeschmackt Zeug glauben will/ der muß sich die Teutschen wie das                      unvernünftige Vieh/ und daß sie stumm und murrend so lange herum gegangen/ bis                      die neunmahl kluge Römer und Grichen kommen/ und sie reden gelehret /                      einbilden. Weil aber ihre zum reden ungeschickte Zungen/ die zarten                      Lateinischen und Grigischen Worte nicht recht aussprechen können/ also wären                      solche übel und hartlautende Worte daraus entstanden/ die wir noch bis diese                      Stunde haben/ doch wie viel Sprachmeister müssen denn die Grichen und Römer                      gehalten haben/ ehe sie eine solche Menge Teutscher Völcker alle Reden                      gelehret? wissen möchte man/ ob sie ihnen des Tages mehr/ oder eben so viel                      Stunden gegeben; als wie unsere Sprachmeister jetzo zu thun pflegen? man solte                      sich kaum einbilden können/ daß ein so gelehrter Mann auf dergleichen                      abgeschmackt Zeug habe verfallen können? Da soll Altar/ Arm-Acker/ Angst /                      Keller/ Herr/ Lang/ Fackel/ Flamm/ Fell/ Fisch/ Meere/ Mühle/ Rad /                      Saltz/ Decken/ Wall und noch andere mehr/ von der Lateinischen Sprache                      herkommen. Aber die Teutschen hatten Altäre/ Arme/ Beine/ Hände und Füsse /                      ehe sie die Römer und Griechen kennen lerneten. Sie wusten von Fischen/ von                      Fellen/ vom Meer/ von Kellern/ von kleinen und langen Leuten von Zu- und                      Aufdecken ehe die Römer sich erkühnen dürffen/ an ihre Gräntzen zukommen. Doch                      es ist damit noch nicht genug/ die Perser, haben auch Sprachmeister nach                      Teutschland gesendet/ und sie unterrichten lassen/ was sie einen Anfall /                      einen Brudex/ einen Vater/ eine Tochter/ ein Band/ einen Stern und GOtt                      nennen solten? Seind das nicht Grillen/ die ein gescheiter Mensch sich kaum                      solte anfliegen lassen. Allein/ Hachenberg ist endlich auf gewisse Masse                      zuentschuldigen/ indem er sich dergleichen Sachen von dem Lipsio <note place="foot">Epist. Cent. 3. Epist 44.</note> aufschwatzen lassen. Um aber                      sothane/ mehr als ungegründete Einfälle auf die Seiten zusetzen/ so ist nicht                      bekannt; wann der Nahme Hessen aufkommen/ dann daß die alten Teutschen/ denen                      Gegenden/ die sie bewohnet/ keine besondere Nahmen gegeben/ ist gewisser als                      gewiß/ und hiessen sie selbige überhaupts Gau, Gow und dergleichen/ welches                      nichts anderst als einen Strich Landes bedeutete/ und gantz nicht/ weder eines                      Grigischen noch eines Ebräischen Uhrsprungs ist/ als welche Meynung vollends                      auch die abgeschmacktesten Teudereyen übertrifft/ sondern es stammet vielmehr                      aus den Teutschen selber her. Nebst dem/ ward der Nahme des Volcks/ so                      selbigen Gau oder Gow bewohnet/ mit beygesetzet/ daher so vielerley Gauen                      entstanden/ die auf lateinisch Pagi heissen/ und von denen am angeführten Orte                      weiter nachgesehen werden kan. <note place="foot">Paulin. de pag. vet.                          Germ.</note> Als die Francken Teutschland in eine andere Gestalt und Wesen                      gossen/ haben die Hessen es allemahl mit ihnen gehalten /
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[458/0506] derst/ als die blinde Liebe zu diesen zwey Sprachen verleitet. Wer solch abgeschmackt Zeug glauben will/ der muß sich die Teutschen wie das unvernünftige Vieh/ und daß sie stumm und murrend so lange herum gegangen/ bis die neunmahl kluge Römer und Grichen kommen/ und sie reden gelehret / einbilden. Weil aber ihre zum reden ungeschickte Zungen/ die zarten Lateinischen und Grigischen Worte nicht recht aussprechen können/ also wären solche übel und hartlautende Worte daraus entstanden/ die wir noch bis diese Stunde haben/ doch wie viel Sprachmeister müssen denn die Grichen und Römer gehalten haben/ ehe sie eine solche Menge Teutscher Völcker alle Reden gelehret? wissen möchte man/ ob sie ihnen des Tages mehr/ oder eben so viel Stunden gegeben; als wie unsere Sprachmeister jetzo zu thun pflegen? man solte sich kaum einbilden können/ daß ein so gelehrter Mann auf dergleichen abgeschmackt Zeug habe verfallen können? Da soll Altar/ Arm-Acker/ Angst / Keller/ Herr/ Lang/ Fackel/ Flamm/ Fell/ Fisch/ Meere/ Mühle/ Rad / Saltz/ Decken/ Wall und noch andere mehr/ von der Lateinischen Sprache herkommen. Aber die Teutschen hatten Altäre/ Arme/ Beine/ Hände und Füsse / ehe sie die Römer und Griechen kennen lerneten. Sie wusten von Fischen/ von Fellen/ vom Meer/ von Kellern/ von kleinen und langen Leuten von Zu- und Aufdecken ehe die Römer sich erkühnen dürffen/ an ihre Gräntzen zukommen. Doch es ist damit noch nicht genug/ die Perser, haben auch Sprachmeister nach Teutschland gesendet/ und sie unterrichten lassen/ was sie einen Anfall / einen Brudex/ einen Vater/ eine Tochter/ ein Band/ einen Stern und GOtt nennen solten? Seind das nicht Grillen/ die ein gescheiter Mensch sich kaum solte anfliegen lassen. Allein/ Hachenberg ist endlich auf gewisse Masse zuentschuldigen/ indem er sich dergleichen Sachen von dem Lipsio aufschwatzen lassen. Um aber sothane/ mehr als ungegründete Einfälle auf die Seiten zusetzen/ so ist nicht bekannt; wann der Nahme Hessen aufkommen/ dann daß die alten Teutschen/ denen Gegenden/ die sie bewohnet/ keine besondere Nahmen gegeben/ ist gewisser als gewiß/ und hiessen sie selbige überhaupts Gau, Gow und dergleichen/ welches nichts anderst als einen Strich Landes bedeutete/ und gantz nicht/ weder eines Grigischen noch eines Ebräischen Uhrsprungs ist/ als welche Meynung vollends auch die abgeschmacktesten Teudereyen übertrifft/ sondern es stammet vielmehr aus den Teutschen selber her. Nebst dem/ ward der Nahme des Volcks/ so selbigen Gau oder Gow bewohnet/ mit beygesetzet/ daher so vielerley Gauen entstanden/ die auf lateinisch Pagi heissen/ und von denen am angeführten Orte weiter nachgesehen werden kan. Als die Francken Teutschland in eine andere Gestalt und Wesen gossen/ haben die Hessen es allemahl mit ihnen gehalten / Epist. Cent. 3. Epist 44. Paulin. de pag. vet. Germ.

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Zitationshilfe: Zschackwitz, Johann Ehrenfried: Historisch-Genealogischer Schau-Platz. Lemgo, 1724, S. 458. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zschackwitz_schauplatz_1724/506>, abgerufen am 04.05.2024.