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Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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der Herr von Hahn wäre und dergleichen. Denn ich möchte nicht erleben, daß ich einen kalten Schauer bekäme. so oft ich meinen Schwiegersohn erblicken würde. Ist es der Sohn meines Freundes wirklich gewesen, desto schlimmer für ihn, denn er sah bestimmt aus, wie Sie den todten Gast beschrieben haben.

Ah! rief der Hauptmann: daran ist er sehr unschuldig. Als ich jenen Abend die alte Sage vom todten Gaste in der Wintergesellschaft erzählen mußte und sein Aeußeres beschreiben sollte, fand ich in der Eile zu meiner Figur kein Original, als eben unsern Herrn von Hahn. Der gerade fiel mir ein, weil er mir eben damals doppelt zuwider war. Als ich mit meiner Compagnie nach Herbesheim verlegt und auf dem Marsch hierher nur wenige Meilen von der Residenz entfernt war, machte ich unterwegs einen kleinen Abstecher dahin. An der Wirthstafel im König von Portugal fiel mir unter vielen Gästen, die da zu Mittag speiseten, die über Gebühr lange Gestalt des Herrn von Hahn auf, welche um eine Kopflänge über alle Sterbliche hinwegragte, zugleich sein schwarzes Haar, sein erdfahles Gesicht und die schwarze Kleidung dazu. Ich vernahm, er sei der Sohn des berühmten Banquiers. Er war mir damals sehr gleichgültig, aber ich konnte doch die Gestalt nicht vergessen; und noch weniger vergessen konnte ich sie, da er mir aufhörte gleichgültig zu sein, weil er -- Sie erlauben mir doch, es zu sagen? -- weil er um Fräulein Friederiken warb.

der Herr von Hahn wäre und dergleichen. Denn ich möchte nicht erleben, daß ich einen kalten Schauer bekäme. so oft ich meinen Schwiegersohn erblicken würde. Ist es der Sohn meines Freundes wirklich gewesen, desto schlimmer für ihn, denn er sah bestimmt aus, wie Sie den todten Gast beschrieben haben.

Ah! rief der Hauptmann: daran ist er sehr unschuldig. Als ich jenen Abend die alte Sage vom todten Gaste in der Wintergesellschaft erzählen mußte und sein Aeußeres beschreiben sollte, fand ich in der Eile zu meiner Figur kein Original, als eben unsern Herrn von Hahn. Der gerade fiel mir ein, weil er mir eben damals doppelt zuwider war. Als ich mit meiner Compagnie nach Herbesheim verlegt und auf dem Marsch hierher nur wenige Meilen von der Residenz entfernt war, machte ich unterwegs einen kleinen Abstecher dahin. An der Wirthstafel im König von Portugal fiel mir unter vielen Gästen, die da zu Mittag speiseten, die über Gebühr lange Gestalt des Herrn von Hahn auf, welche um eine Kopflänge über alle Sterbliche hinwegragte, zugleich sein schwarzes Haar, sein erdfahles Gesicht und die schwarze Kleidung dazu. Ich vernahm, er sei der Sohn des berühmten Banquiers. Er war mir damals sehr gleichgültig, aber ich konnte doch die Gestalt nicht vergessen; und noch weniger vergessen konnte ich sie, da er mir aufhörte gleichgültig zu sein, weil er — Sie erlauben mir doch, es zu sagen? — weil er um Fräulein Friederiken warb.

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[0155] der Herr von Hahn wäre und dergleichen. Denn ich möchte nicht erleben, daß ich einen kalten Schauer bekäme. so oft ich meinen Schwiegersohn erblicken würde. Ist es der Sohn meines Freundes wirklich gewesen, desto schlimmer für ihn, denn er sah bestimmt aus, wie Sie den todten Gast beschrieben haben. Ah! rief der Hauptmann: daran ist er sehr unschuldig. Als ich jenen Abend die alte Sage vom todten Gaste in der Wintergesellschaft erzählen mußte und sein Aeußeres beschreiben sollte, fand ich in der Eile zu meiner Figur kein Original, als eben unsern Herrn von Hahn. Der gerade fiel mir ein, weil er mir eben damals doppelt zuwider war. Als ich mit meiner Compagnie nach Herbesheim verlegt und auf dem Marsch hierher nur wenige Meilen von der Residenz entfernt war, machte ich unterwegs einen kleinen Abstecher dahin. An der Wirthstafel im König von Portugal fiel mir unter vielen Gästen, die da zu Mittag speiseten, die über Gebühr lange Gestalt des Herrn von Hahn auf, welche um eine Kopflänge über alle Sterbliche hinwegragte, zugleich sein schwarzes Haar, sein erdfahles Gesicht und die schwarze Kleidung dazu. Ich vernahm, er sei der Sohn des berühmten Banquiers. Er war mir damals sehr gleichgültig, aber ich konnte doch die Gestalt nicht vergessen; und noch weniger vergessen konnte ich sie, da er mir aufhörte gleichgültig zu sein, weil er — Sie erlauben mir doch, es zu sagen? — weil er um Fräulein Friederiken warb.

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T14:15:44Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T14:15:44Z)

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Zitationshilfe: Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zschokke_gast_1910/155>, abgerufen am 29.04.2024.