Unmöglich kann ich mich entlegen, Zu unsers grossen Schöpfers Ehr', Von seiner Ehre noch was mehr, Als biß dahero, zu erwegen. Zu GOttes Ehr' ist jedermann, Wie uns Vernunft und Schrift berichtet, So viel man immer weiß und kann, Nach aller Möglichkeit verpflichtet.
Allein, bedencket man es recht, So scheint das menschliche Geschlecht, Durch ein ich weiß nicht was verführet, Und, blos aus Eigennutz getrieben, Statt Ehre, die nur GOtt gebühret, Nur in der That sich selbst zu lieben.
Man glaubt, daß man den Schöpfer ehrt, Wenn man ihm danckt, daß er uns nährt, Wenn man oft eine Predigt hört, Wenn wir, aus brünstigem Verlangen, Die Seeligkeit dort zu empfangen, Und etwan, hier auf dieser Welt, Beqvemlichkeiten, Ehr' und Geld, Mit öfters wiederhohltem Beten, Vor ihn, zur Früh-und Mittags-Zeit, Bald mit, bald sonder Andacht, treten.
Allein, wenn ich es recht betrachte, So scheinet dieses eigentlich, Als ob hierin man mehr auf sich, Als auf die Ehre GOttes, achte.
Ja,
Eigentliche Ehre
Eigentliche Ehre des Schoͤpfers.
Unmoͤglich kann ich mich entlegen, Zu unſers groſſen Schoͤpfers Ehr’, Von ſeiner Ehre noch was mehr, Als biß dahero, zu erwegen. Zu GOttes Ehr’ iſt jedermann, Wie uns Vernunft und Schrift berichtet, So viel man immer weiß und kann, Nach aller Moͤglichkeit verpflichtet.
Allein, bedencket man es recht, So ſcheint das menſchliche Geſchlecht, Durch ein ich weiß nicht was verfuͤhret, Und, blos aus Eigennutz getrieben, Statt Ehre, die nur GOtt gebuͤhret, Nur in der That ſich ſelbſt zu lieben.
Man glaubt, daß man den Schoͤpfer ehrt, Wenn man ihm danckt, daß er uns naͤhrt, Wenn man oft eine Predigt hoͤrt, Wenn wir, aus bruͤnſtigem Verlangen, Die Seeligkeit dort zu empfangen, Und etwan, hier auf dieſer Welt, Beqvemlichkeiten, Ehr’ und Geld, Mit oͤfters wiederhohltem Beten, Vor ihn, zur Fruͤh-und Mittags-Zeit, Bald mit, bald ſonder Andacht, treten.
Allein, wenn ich es recht betrachte, So ſcheinet dieſes eigentlich, Als ob hierin man mehr auf ſich, Als auf die Ehre GOttes, achte.
Ja,
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Eigentliche Ehre
Eigentliche Ehre des Schoͤpfers.
Unmoͤglich kann ich mich entlegen,
Zu unſers groſſen Schoͤpfers Ehr’,
Von ſeiner Ehre noch was mehr,
Als biß dahero, zu erwegen.
Zu GOttes Ehr’ iſt jedermann,
Wie uns Vernunft und Schrift berichtet,
So viel man immer weiß und kann,
Nach aller Moͤglichkeit verpflichtet.
Allein, bedencket man es recht,
So ſcheint das menſchliche Geſchlecht,
Durch ein ich weiß nicht was verfuͤhret,
Und, blos aus Eigennutz getrieben,
Statt Ehre, die nur GOtt gebuͤhret,
Nur in der That ſich ſelbſt zu lieben.
Man glaubt, daß man den Schoͤpfer ehrt,
Wenn man ihm danckt, daß er uns naͤhrt,
Wenn man oft eine Predigt hoͤrt,
Wenn wir, aus bruͤnſtigem Verlangen,
Die Seeligkeit dort zu empfangen,
Und etwan, hier auf dieſer Welt,
Beqvemlichkeiten, Ehr’ und Geld,
Mit oͤfters wiederhohltem Beten,
Vor ihn, zur Fruͤh-und Mittags-Zeit,
Bald mit, bald ſonder Andacht, treten.
Allein, wenn ich es recht betrachte,
So ſcheinet dieſes eigentlich,
Als ob hierin man mehr auf ſich,
Als auf die Ehre GOttes, achte.
Ja,
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736/280>, abgerufen am 18.06.2024.
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