Man thut dann wol, es umzukehren, Daß wir vom Duft uns lassen lehren, Daß wir so plötzlich nicht vergehn; Daß tausend Ding' auf dieser Erden, Wenn sie mit uns verglichen werden, So lange nicht, als wir, bestehn.
10.
Ja wär uns Menschen auch ein Leben Von grössrer Daur, als Stein, gegeben; Wär es doch eine kurtze Zeit: Man würd' es nicht einst rechnen können Und wäre kaum ein Punct zu nennen; Verglich mans mit der Ewigkeit.
11.
Noch mehr: verlischt die Lebens-Kertze, So traure darum nicht, mein Hertze, Daß sie nicht länger brennen kann. Wenn etwan Seel' und Leib sich trennen, Must du dieß kein Vergehen nennen; Die Aendrung geht den Leib nur an.
12.
Der Schöpfer hat dein wahres Wesen Zu einer grössern Daur erlesen; Jndem er selber ewig ist. So thut man wol, wenn ihm zu Ehren, Man, unsrer Seelen Daur und Währen, Nach seiner ew'gen Liebe mißt.
13. Drum
ſchnell-vergehender Wolcken.
9.
Man thut dann wol, es umzukehren, Daß wir vom Duft uns laſſen lehren, Daß wir ſo ploͤtzlich nicht vergehn; Daß tauſend Ding’ auf dieſer Erden, Wenn ſie mit uns verglichen werden, So lange nicht, als wir, beſtehn.
10.
Ja waͤr uns Menſchen auch ein Leben Von groͤſſrer Daur, als Stein, gegeben; Waͤr es doch eine kurtze Zeit: Man wuͤrd’ es nicht einſt rechnen koͤnnen Und waͤre kaum ein Punct zu nennen; Verglich mans mit der Ewigkeit.
11.
Noch mehr: verliſcht die Lebens-Kertze, So traure darum nicht, mein Hertze, Daß ſie nicht laͤnger brennen kann. Wenn etwan Seel’ und Leib ſich trennen, Muſt du dieß kein Vergehen nennen; Die Aendrung geht den Leib nur an.
12.
Der Schoͤpfer hat dein wahres Weſen Zu einer groͤſſern Daur erleſen; Jndem er ſelber ewig iſt. So thut man wol, wenn ihm zu Ehren, Man, unſrer Seelen Daur und Waͤhren, Nach ſeiner ew’gen Liebe mißt.
13. Drum
<TEI><text><body><divn="1"><lgtype="poem"><pbfacs="#f0399"n="383"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">ſchnell-vergehender Wolcken.</hi></fw><lb/><lgn="9"><head>9.</head><lb/><l>Man thut dann wol, es umzukehren,</l><lb/><l>Daß wir vom Duft uns laſſen lehren,</l><lb/><l>Daß wir ſo ploͤtzlich nicht vergehn;</l><lb/><l>Daß tauſend Ding’ auf dieſer Erden,</l><lb/><l>Wenn ſie mit uns verglichen werden,</l><lb/><l>So lange nicht, als wir, beſtehn.</l></lg><lb/><lgn="10"><head>10.</head><lb/><l>Ja waͤr uns Menſchen auch ein Leben</l><lb/><l>Von groͤſſrer Daur, als Stein, gegeben;</l><lb/><l>Waͤr es doch eine kurtze Zeit:</l><lb/><l>Man wuͤrd’ es nicht einſt rechnen koͤnnen</l><lb/><l>Und waͤre kaum ein Punct zu nennen;</l><lb/><l>Verglich mans mit der Ewigkeit.</l></lg><lb/><lgn="11"><head>11.</head><lb/><l>Noch mehr: verliſcht die Lebens-Kertze,</l><lb/><l>So traure darum nicht, mein Hertze,</l><lb/><l>Daß ſie nicht laͤnger brennen kann.</l><lb/><l>Wenn etwan Seel’ und Leib ſich trennen,</l><lb/><l>Muſt du dieß kein Vergehen nennen;</l><lb/><l>Die Aendrung geht den Leib nur an.</l></lg><lb/><lgn="12"><head>12.</head><lb/><l>Der Schoͤpfer hat dein wahres Weſen</l><lb/><l>Zu einer groͤſſern Daur erleſen;</l><lb/><l>Jndem er ſelber ewig iſt.</l><lb/><l>So thut man wol, wenn ihm zu Ehren,</l><lb/><l>Man, unſrer Seelen Daur und Waͤhren,</l><lb/><l>Nach ſeiner ew’gen Liebe mißt.</l></lg><lb/><fwplace="bottom"type="catch">13. Drum</fw><lb/></lg></div></body></text></TEI>
[383/0399]
ſchnell-vergehender Wolcken.
9.
Man thut dann wol, es umzukehren,
Daß wir vom Duft uns laſſen lehren,
Daß wir ſo ploͤtzlich nicht vergehn;
Daß tauſend Ding’ auf dieſer Erden,
Wenn ſie mit uns verglichen werden,
So lange nicht, als wir, beſtehn.
10.
Ja waͤr uns Menſchen auch ein Leben
Von groͤſſrer Daur, als Stein, gegeben;
Waͤr es doch eine kurtze Zeit:
Man wuͤrd’ es nicht einſt rechnen koͤnnen
Und waͤre kaum ein Punct zu nennen;
Verglich mans mit der Ewigkeit.
11.
Noch mehr: verliſcht die Lebens-Kertze,
So traure darum nicht, mein Hertze,
Daß ſie nicht laͤnger brennen kann.
Wenn etwan Seel’ und Leib ſich trennen,
Muſt du dieß kein Vergehen nennen;
Die Aendrung geht den Leib nur an.
12.
Der Schoͤpfer hat dein wahres Weſen
Zu einer groͤſſern Daur erleſen;
Jndem er ſelber ewig iſt.
So thut man wol, wenn ihm zu Ehren,
Man, unſrer Seelen Daur und Waͤhren,
Nach ſeiner ew’gen Liebe mißt.
13. Drum
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736, S. 383. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736/399>, abgerufen am 18.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.