Denn, in der That sich selbst bestehlend, so viele Lust mit Fleiß verlieren? Will man die schönste Zeit des Lebens, die eigentlich für uns geschaffen, Nur unvernünft'gen Thieren lassen, und sie verschnarchen und verschlafen? Jst es erlaubt, in gleichsam todter Vergessenheit, in schwar- zen Träumen, Den schönsten Theil von unsrer Zeit, den frischen Morgen, zu versäumen? Da, leyder! tausend Menschen sterben, die, wie die frühe Zeit so schön, Wie lieblich denn die Welt geschmückt, auch nicht ein einzigs mahl gesehn. Wie werden wir, da GOtt der HErr uns so viel Gutes wollen gönnen, Und wir es gleichsam von uns stossen, doch unser Thun beschönen können? Erwacht! dort steigt des hellen Tages durchlauchtiger Monarch hervor, Mit güldnem Glanz und Licht gekrönt. Es überschwemmt sein Strahlen-Heer Die ganze sichtbare Natur, als wie mit einem Segens- Meer. Es wird der, erst durch Jhn so schön geschmückt gewes'ne, Wolken-Flor, Durch seine Gegenwart, beschämt. Jhr erst so schöner Putz verschwindet, Da man des Lichtes Quelle selbst noch tausend mahl so herr- lich findet. Die sich nunmehr vermindernde, verdünnend' und zertheiln- de Düfte,
Das
Morgen-Gedanken.
Denn, in der That ſich ſelbſt beſtehlend, ſo viele Luſt mit Fleiß verlieren? Will man die ſchoͤnſte Zeit des Lebens, die eigentlich fuͤr uns geſchaffen, Nur unvernuͤnft’gen Thieren laſſen, und ſie verſchnarchen und verſchlafen? Jſt es erlaubt, in gleichſam todter Vergeſſenheit, in ſchwar- zen Traͤumen, Den ſchoͤnſten Theil von unſrer Zeit, den friſchen Morgen, zu verſaͤumen? Da, leyder! tauſend Menſchen ſterben, die, wie die fruͤhe Zeit ſo ſchoͤn, Wie lieblich denn die Welt geſchmuͤckt, auch nicht ein einzigs mahl geſehn. Wie werden wir, da GOtt der HErr uns ſo viel Gutes wollen goͤnnen, Und wir es gleichſam von uns ſtoſſen, doch unſer Thun beſchoͤnen koͤnnen? Erwacht! dort ſteigt des hellen Tages durchlauchtiger Monarch hervor, Mit guͤldnem Glanz und Licht gekroͤnt. Es uͤberſchwemmt ſein Strahlen-Heer Die ganze ſichtbare Natur, als wie mit einem Segens- Meer. Es wird der, erſt durch Jhn ſo ſchoͤn geſchmuͤckt geweſ’ne, Wolken-Flor, Durch ſeine Gegenwart, beſchaͤmt. Jhr erſt ſo ſchoͤner Putz verſchwindet, Da man des Lichtes Quelle ſelbſt noch tauſend mahl ſo herr- lich findet. Die ſich nunmehr vermindernde, verduͤnnend’ und zertheiln- de Duͤfte,
Das
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Morgen-Gedanken.
Denn, in der That ſich ſelbſt beſtehlend, ſo viele Luſt mit Fleiß
verlieren?
Will man die ſchoͤnſte Zeit des Lebens, die eigentlich fuͤr uns
geſchaffen,
Nur unvernuͤnft’gen Thieren laſſen, und ſie verſchnarchen
und verſchlafen?
Jſt es erlaubt, in gleichſam todter Vergeſſenheit, in ſchwar-
zen Traͤumen,
Den ſchoͤnſten Theil von unſrer Zeit, den friſchen Morgen,
zu verſaͤumen?
Da, leyder! tauſend Menſchen ſterben, die, wie die fruͤhe Zeit
ſo ſchoͤn,
Wie lieblich denn die Welt geſchmuͤckt, auch nicht ein einzigs
mahl geſehn.
Wie werden wir, da GOtt der HErr uns ſo viel Gutes wollen
goͤnnen,
Und wir es gleichſam von uns ſtoſſen, doch unſer Thun
beſchoͤnen koͤnnen?
Erwacht! dort ſteigt des hellen Tages durchlauchtiger
Monarch hervor,
Mit guͤldnem Glanz und Licht gekroͤnt. Es uͤberſchwemmt
ſein Strahlen-Heer
Die ganze ſichtbare Natur, als wie mit einem Segens-
Meer.
Es wird der, erſt durch Jhn ſo ſchoͤn geſchmuͤckt geweſ’ne,
Wolken-Flor,
Durch ſeine Gegenwart, beſchaͤmt. Jhr erſt ſo ſchoͤner
Putz verſchwindet,
Da man des Lichtes Quelle ſelbſt noch tauſend mahl ſo herr-
lich findet.
Die ſich nunmehr vermindernde, verduͤnnend’ und zertheiln-
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/200>, abgerufen am 16.06.2024.
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