Zu welchem wir nicht leugnen können, und auch zu leug- nen nicht begehren, Daß wir dazu erschaffen seyn, als nämlich zu des Schöp- fers Ehren. Wenn dieß nicht wahr; so folgt von selbst, daß zwischen uns und andern Thieren, Wie sehr wir uns auch selbsten schmeicheln, kein wahrer Unterscheid zu spühren. Zwar stellen uns die Geistlichen die schönsten Him- mels-Lehren für, Daß wir, zu einem künftgen Leben, uns, auf der Welt, bereiten sollen: Doch weiß ich, daß sie nicht die Absicht des Schöpfers dadurch scheiden wollen, Von der verlangten Zubereitung zum Künftigen; es wird vielmehr, Die allerbeste Zubereitung zum Künftigen, des Schöp- fers Ehr', Und daß wir unsern Gott als Schöpfer, in Seinem großen Werk erhöhn. Wobey wir aber allerdings auf das Erlösungs-Wunder sehn, Und es als einen rechten Ausbruch von Göttlicher Er- barmung achten, Es als solch eine Liebes-Probe von einer ewgen Huld betrachten, Die nimmer gnugsam zu bewundern. Allein, fällt da- durch Gottes Zweck, Wozu Er uns, von Anbeginn, auf diesen Erd-Kreis setzen wollen, Daß wir im Körperlichen Jhn bewundern u. verehren sollen, Jhn suchen sollen, und Jhn finden, bey allen Christen gänzlich weg?
Un-
Neu-Jahrs-Gedicht,
Zu welchem wir nicht leugnen koͤnnen, und auch zu leug- nen nicht begehren, Daß wir dazu erſchaffen ſeyn, als naͤmlich zu des Schoͤp- fers Ehren. Wenn dieß nicht wahr; ſo folgt von ſelbſt, daß zwiſchen uns und andern Thieren, Wie ſehr wir uns auch ſelbſten ſchmeicheln, kein wahrer Unterſcheid zu ſpuͤhren. Zwar ſtellen uns die Geiſtlichen die ſchoͤnſten Him- mels-Lehren fuͤr, Daß wir, zu einem kuͤnftgen Leben, uns, auf der Welt, bereiten ſollen: Doch weiß ich, daß ſie nicht die Abſicht des Schoͤpfers dadurch ſcheiden wollen, Von der verlangten Zubereitung zum Kuͤnftigen; es wird vielmehr, Die allerbeſte Zubereitung zum Kuͤnftigen, des Schoͤp- fers Ehr’, Und daß wir unſern Gott als Schoͤpfer, in Seinem großen Werk erhoͤhn. Wobey wir aber allerdings auf das Erloͤſungs-Wunder ſehn, Und es als einen rechten Ausbruch von Goͤttlicher Er- barmung achten, Es als ſolch eine Liebes-Probe von einer ewgen Huld betrachten, Die nimmer gnugſam zu bewundern. Allein, faͤllt da- durch Gottes Zweck, Wozu Er uns, von Anbeginn, auf dieſen Erd-Kreis ſetzen wollen, Daß wir im Koͤrperlichen Jhn bewundern u. verehren ſollen, Jhn ſuchen ſollen, und Jhn finden, bey allen Chriſten gaͤnzlich weg?
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Neu-Jahrs-Gedicht,
Zu welchem wir nicht leugnen koͤnnen, und auch zu leug-
nen nicht begehren,
Daß wir dazu erſchaffen ſeyn, als naͤmlich zu des Schoͤp-
fers Ehren.
Wenn dieß nicht wahr; ſo folgt von ſelbſt, daß zwiſchen
uns und andern Thieren,
Wie ſehr wir uns auch ſelbſten ſchmeicheln, kein wahrer
Unterſcheid zu ſpuͤhren.
Zwar ſtellen uns die Geiſtlichen die ſchoͤnſten Him-
mels-Lehren fuͤr,
Daß wir, zu einem kuͤnftgen Leben, uns, auf der Welt,
bereiten ſollen:
Doch weiß ich, daß ſie nicht die Abſicht des Schoͤpfers
dadurch ſcheiden wollen,
Von der verlangten Zubereitung zum Kuͤnftigen; es wird
vielmehr,
Die allerbeſte Zubereitung zum Kuͤnftigen, des Schoͤp-
fers Ehr’,
Und daß wir unſern Gott als Schoͤpfer, in Seinem
großen Werk erhoͤhn.
Wobey wir aber allerdings auf das Erloͤſungs-Wunder
ſehn,
Und es als einen rechten Ausbruch von Goͤttlicher Er-
barmung achten,
Es als ſolch eine Liebes-Probe von einer ewgen Huld
betrachten,
Die nimmer gnugſam zu bewundern. Allein, faͤllt da-
durch Gottes Zweck,
Wozu Er uns, von Anbeginn, auf dieſen Erd-Kreis
ſetzen wollen,
Daß wir im Koͤrperlichen Jhn bewundern u. verehren ſollen,
Jhn ſuchen ſollen, und Jhn finden, bey allen Chriſten
gaͤnzlich weg?
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/332>, abgerufen am 15.06.2024.
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