Es fing der Frost schon vor der Mitten des reifenden Octobers an; Jndem ein ungewohntes Eis bereits die Wasser-Graben deckte, Und nicht allein den bangen Landmann, auch den er- staunten Gärtner, schreckte: Der sich annoch, was ihm für Schaden der Frost, im vorgen Jahr, gethan, Nicht nur erinnert; sondern auch den noch von Aepfeln schwehren Baum, Für banger Furcht und Schrecken, kaum Sich unterstehet, anzusehn: indem er schon besorgen muß, Die kaum zur Hälfte reife Frucht möcht' ihm noch an dem Zweig' erfrieren, Und er dadurch sein langes Hoffen, von einem ganzen Jahr, verlieren, Zusamt dem Vortheil und Genuß. Es ist der Zufall nicht erhört, und, was man sah, war nie gesehn: Man siehet alle Bäume grün, voll Frucht und voller Blätter stehn, An deren schon erstarrtem Fuß Das Wasser allbereit gefroren, Und seinen schlüpfrich- regen Fluß, Durch ein ganz unerwartet Eis, und einen schnellen Frost, verlohren.
Wie kann es aber möglich seyn? Hört der so fest gesetzte Lauf Der nimmer unterbrochnen Ordnung, im Reiche der Na- tur, denn auf,
Die
Andenken der grimmigen Kaͤlte
Es fing der Froſt ſchon vor der Mitten des reifenden Octobers an; Jndem ein ungewohntes Eis bereits die Waſſer-Graben deckte, Und nicht allein den bangen Landmann, auch den er- ſtaunten Gaͤrtner, ſchreckte: Der ſich annoch, was ihm fuͤr Schaden der Froſt, im vorgen Jahr, gethan, Nicht nur erinnert; ſondern auch den noch von Aepfeln ſchwehren Baum, Fuͤr banger Furcht und Schrecken, kaum Sich unterſtehet, anzuſehn: indem er ſchon beſorgen muß, Die kaum zur Haͤlfte reife Frucht moͤcht’ ihm noch an dem Zweig’ erfrieren, Und er dadurch ſein langes Hoffen, von einem ganzen Jahr, verlieren, Zuſamt dem Vortheil und Genuß. Es iſt der Zufall nicht erhoͤrt, und, was man ſah, war nie geſehn: Man ſiehet alle Baͤume gruͤn, voll Frucht und voller Blaͤtter ſtehn, An deren ſchon erſtarrtem Fuß Das Waſſer allbereit gefroren, Und ſeinen ſchluͤpfrich- regen Fluß, Durch ein ganz unerwartet Eis, und einen ſchnellen Froſt, verlohren.
Wie kann es aber moͤglich ſeyn? Hoͤrt der ſo feſt geſetzte Lauf Der nimmer unterbrochnen Ordnung, im Reiche der Na- tur, denn auf,
Die
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Andenken der grimmigen Kaͤlte
Es fing der Froſt ſchon vor der Mitten des reifenden
Octobers an;
Jndem ein ungewohntes Eis bereits die Waſſer-Graben
deckte,
Und nicht allein den bangen Landmann, auch den er-
ſtaunten Gaͤrtner, ſchreckte:
Der ſich annoch, was ihm fuͤr Schaden der Froſt, im
vorgen Jahr, gethan,
Nicht nur erinnert; ſondern auch den noch von Aepfeln
ſchwehren Baum,
Fuͤr banger Furcht und Schrecken, kaum
Sich unterſtehet, anzuſehn: indem er ſchon beſorgen
muß,
Die kaum zur Haͤlfte reife Frucht moͤcht’ ihm noch an
dem Zweig’ erfrieren,
Und er dadurch ſein langes Hoffen, von einem ganzen
Jahr, verlieren,
Zuſamt dem Vortheil und Genuß.
Es iſt der Zufall nicht erhoͤrt, und, was man ſah, war
nie geſehn:
Man ſiehet alle Baͤume gruͤn, voll Frucht und voller
Blaͤtter ſtehn,
An deren ſchon erſtarrtem Fuß
Das Waſſer allbereit gefroren,
Und ſeinen ſchluͤpfrich- regen Fluß,
Durch ein ganz unerwartet Eis, und einen ſchnellen Froſt,
verlohren.
Wie kann es aber moͤglich ſeyn? Hoͤrt der ſo feſt
geſetzte Lauf
Der nimmer unterbrochnen Ordnung, im Reiche der Na-
tur, denn auf,
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/358>, abgerufen am 10.06.2024.
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