bis 100 Haushaltungen; ja sie würde bald noch tiefer ge- sunken sein, wenn nicht von Zeit zu Zeit aus der übrigen Bürgerschaft und aus der Fremde frisches Blut zugeführt wor- den wäre.
Im Uebrigen hat der Unterschied zwischen Gemeinde und Zünften keine soziale Tragweite; namentlich ist er nicht gleichbedeutend mit einer Scheidung der Bürger in Ge- werbetreibende und solche, die andern Erwerbsarten obliegen. Ebenso hat eine im XV. Jahrhundert wohl vorkommende Dreiteilung in Geschlechter, Zünftige und Unzünftige vor- wiegend politische Bedeutung.
Weit wichtiger ist für unseren Zweck die Gliede- rung der Bürgerschaft nach Berufsarten. Wenn wir diese nunmehr ins Auge fassen, so müssen wir uns zuerst von der oft gehegten Vorstellung los machen, als ob die Zahl der Zünfte oder ihrer Mitglieder uns einen zutreffenden Maßstab für die Berufsthätigkeit der städtischen Bevölkerung geben könnte. Sie ist nicht einmal für das gewerbliche Leben im engeren Sinne richtig. In Frankfurt finden wir Angehörige sehr verschiedener Handwerke in denselben Zünften, nicht selten auch solche, die überhaupt kein Handwerk trieben. Ferner giebt es Zünfte, deren Mitglieder gar keine Gewerbetreibende waren, sondern sich mit dem Garten- und Weinbau, dem Handel und der Handelsvermittlung beschäftigten oder gar im städtischen Dienste standen. Endlich ist die Zahl der Hand-
bis 100 Haushaltungen; ja ſie würde bald noch tiefer ge- ſunken ſein, wenn nicht von Zeit zu Zeit aus der übrigen Bürgerſchaft und aus der Fremde friſches Blut zugeführt wor- den wäre.
Im Uebrigen hat der Unterſchied zwiſchen Gemeinde und Zünften keine ſoziale Tragweite; namentlich iſt er nicht gleichbedeutend mit einer Scheidung der Bürger in Ge- werbetreibende und ſolche, die andern Erwerbsarten obliegen. Ebenſo hat eine im XV. Jahrhundert wohl vorkommende Dreiteilung in Geſchlechter, Zünftige und Unzünftige vor- wiegend politiſche Bedeutung.
Weit wichtiger iſt für unſeren Zweck die Gliede- rung der Bürgerſchaft nach Berufsarten. Wenn wir dieſe nunmehr ins Auge faſſen, ſo müſſen wir uns zuerſt von der oft gehegten Vorſtellung los machen, als ob die Zahl der Zünfte oder ihrer Mitglieder uns einen zutreffenden Maßſtab für die Berufsthätigkeit der ſtädtiſchen Bevölkerung geben könnte. Sie iſt nicht einmal für das gewerbliche Leben im engeren Sinne richtig. In Frankfurt finden wir Angehörige ſehr verſchiedener Handwerke in denſelben Zünften, nicht ſelten auch ſolche, die überhaupt kein Handwerk trieben. Ferner giebt es Zünfte, deren Mitglieder gar keine Gewerbetreibende waren, ſondern ſich mit dem Garten- und Weinbau, dem Handel und der Handelsvermittlung beſchäftigten oder gar im ſtädtiſchen Dienſte ſtanden. Endlich iſt die Zahl der Hand-
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bis 100 Haushaltungen; ja ſie würde bald noch tiefer ge-
ſunken ſein, wenn nicht von Zeit zu Zeit aus der übrigen
Bürgerſchaft und aus der Fremde friſches Blut zugeführt wor-
den wäre.
Im Uebrigen hat der Unterſchied zwiſchen Gemeinde
und Zünften keine ſoziale Tragweite; namentlich iſt er nicht
gleichbedeutend mit einer Scheidung der Bürger in Ge-
werbetreibende und ſolche, die andern Erwerbsarten obliegen.
Ebenſo hat eine im XV. Jahrhundert wohl vorkommende
Dreiteilung in Geſchlechter, Zünftige und Unzünftige vor-
wiegend politiſche Bedeutung.
Weit wichtiger iſt für unſeren Zweck die Gliede-
rung der Bürgerſchaft nach Berufsarten.
Wenn wir dieſe nunmehr ins Auge faſſen, ſo müſſen wir
uns zuerſt von der oft gehegten Vorſtellung los machen,
als ob die Zahl der Zünfte oder ihrer Mitglieder
uns einen zutreffenden Maßſtab für die Berufsthätigkeit
der ſtädtiſchen Bevölkerung geben könnte. Sie iſt nicht
einmal für das gewerbliche Leben im engeren Sinne richtig.
In Frankfurt finden wir Angehörige ſehr verſchiedener
Handwerke in denſelben Zünften, nicht ſelten auch ſolche,
die überhaupt kein Handwerk trieben. Ferner giebt es
Zünfte, deren Mitglieder gar keine Gewerbetreibende waren,
ſondern ſich mit dem Garten- und Weinbau, dem Handel
und der Handelsvermittlung beſchäftigten oder gar im
ſtädtiſchen Dienſte ſtanden. Endlich iſt die Zahl der Hand-
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Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/252>, abgerufen am 15.06.2024.
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