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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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den Cardinals-Ernennungen bis auf die kleinsten Gnaden1. Abschnitt.
und Bewilligungen herunter sich Alles unterwarf 1). Sixtus
selbst hatte die päpstliche Würde nicht ohne Bestechung er-
halten.

Eine so allgemeine Käuflichkeit konnte einst dem römi-
schen Stuhl üble Schicksale zuziehen, doch lagen dieselben
in unberechenbarer Ferne. Anders war es mit dem Ne-Der Nepotis-
mus.

potismus, welcher das Pontificat selber einen Augenblick
aus den Angeln zu heben drohte. Von allen Nepoten
genoß Anfangs Cardinal Pietro Riario bei Sixtus die
größte und fast ausschließliche Gunst; ein Mensch, welcher
binnen Kurzem die Phantasie von ganz Italien beschäftigte 2),
theils durch ungeheuern Luxus, theils durch die Gerüchte,
welche über seine Gottlosigkeit und seine politischen Pläne
laut wurden. Er hat sich (1473) mit Herzog Galeazzo
Maria von Mailand dahin verständigt, daß dieser König
der Lombardie werden und ihn, den Nepoten, dann mit
Geld und Truppen unterstützen solle, damit er bei seiner
Heimkehr nach Rom den päpstlichen Stuhl besteigen könne;
Sixtus würde ihm denselben, scheint es, freiwillig abge-
treten haben 3). Dieser Plan, welcher wohl auf eine Sä-
cularisation des Kirchenstaates als Folge der Erblichmachung
des Stuhles hinausgelaufen wäre, scheiterte dann durch
Pietro's plötzliches Absterben. Der zweite Nepot, Girolamo
Riario, blieb weltlichen Standes und tastete das Pontificat

1) Battista Mantovano, de calamitatibus temporum, L. III. Der
Araber verkauft Weihrauch, der Tyrier Purpur, der Inder Elfen-
bein: venalia nobis Templa, sacerdotes, altaria, sacra, coronae,
Ignes, thura, preces, coelum est venale, Deusque.
2) Man sehe z. B. die Annales Placentini, bei Murat. XX, Col. 943.
3) Corio, storia di Milano, fol. 416 bis 420. Pietro hatte schon
die Papstwahl des Sixtus leiten helfen, s. Infessura, bei Eccard,
scriptores, II, Col.
1895. -- Laut Macchiav. storie fior. L.
VII.
hätten die Venezianer den Cardinal vergiftet. Gründe dazu
fehlten ihnen in der That nicht.

den Cardinals-Ernennungen bis auf die kleinſten Gnaden1. Abſchnitt.
und Bewilligungen herunter ſich Alles unterwarf 1). Sixtus
ſelbſt hatte die päpſtliche Würde nicht ohne Beſtechung er-
halten.

Eine ſo allgemeine Käuflichkeit konnte einſt dem römi-
ſchen Stuhl üble Schickſale zuziehen, doch lagen dieſelben
in unberechenbarer Ferne. Anders war es mit dem Ne-Der Nepotis-
mus.

potismus, welcher das Pontificat ſelber einen Augenblick
aus den Angeln zu heben drohte. Von allen Nepoten
genoß Anfangs Cardinal Pietro Riario bei Sixtus die
größte und faſt ausſchließliche Gunſt; ein Menſch, welcher
binnen Kurzem die Phantaſie von ganz Italien beſchäftigte 2),
theils durch ungeheuern Luxus, theils durch die Gerüchte,
welche über ſeine Gottloſigkeit und ſeine politiſchen Pläne
laut wurden. Er hat ſich (1473) mit Herzog Galeazzo
Maria von Mailand dahin verſtändigt, daß dieſer König
der Lombardie werden und ihn, den Nepoten, dann mit
Geld und Truppen unterſtützen ſolle, damit er bei ſeiner
Heimkehr nach Rom den päpſtlichen Stuhl beſteigen könne;
Sixtus würde ihm denſelben, ſcheint es, freiwillig abge-
treten haben 3). Dieſer Plan, welcher wohl auf eine Sä-
culariſation des Kirchenſtaates als Folge der Erblichmachung
des Stuhles hinausgelaufen wäre, ſcheiterte dann durch
Pietro's plötzliches Abſterben. Der zweite Nepot, Girolamo
Riario, blieb weltlichen Standes und taſtete das Pontificat

1) Battista Mantovano, de calamitatibus temporum, L. III. Der
Araber verkauft Weihrauch, der Tyrier Purpur, der Inder Elfen-
bein: venalia nobis Templa, sacerdotes, altaria, sacra, coronæ,
Ignes, thura, preces, cœlum est venale, Deusque.
2) Man ſehe z. B. die Annales Placentini, bei Murat. XX, Col. 943.
3) Corio, storia di Milano, fol. 416 bis 420. Pietro hatte ſchon
die Papſtwahl des Sixtus leiten helfen, ſ. Infessura, bei Eccard,
scriptores, II, Col.
1895. — Laut Macchiav. storie fior. L.
VII.
hätten die Venezianer den Cardinal vergiftet. Gründe dazu
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[107/0117] den Cardinals-Ernennungen bis auf die kleinſten Gnaden und Bewilligungen herunter ſich Alles unterwarf 1). Sixtus ſelbſt hatte die päpſtliche Würde nicht ohne Beſtechung er- halten. 1. Abſchnitt. Eine ſo allgemeine Käuflichkeit konnte einſt dem römi- ſchen Stuhl üble Schickſale zuziehen, doch lagen dieſelben in unberechenbarer Ferne. Anders war es mit dem Ne- potismus, welcher das Pontificat ſelber einen Augenblick aus den Angeln zu heben drohte. Von allen Nepoten genoß Anfangs Cardinal Pietro Riario bei Sixtus die größte und faſt ausſchließliche Gunſt; ein Menſch, welcher binnen Kurzem die Phantaſie von ganz Italien beſchäftigte 2), theils durch ungeheuern Luxus, theils durch die Gerüchte, welche über ſeine Gottloſigkeit und ſeine politiſchen Pläne laut wurden. Er hat ſich (1473) mit Herzog Galeazzo Maria von Mailand dahin verſtändigt, daß dieſer König der Lombardie werden und ihn, den Nepoten, dann mit Geld und Truppen unterſtützen ſolle, damit er bei ſeiner Heimkehr nach Rom den päpſtlichen Stuhl beſteigen könne; Sixtus würde ihm denſelben, ſcheint es, freiwillig abge- treten haben 3). Dieſer Plan, welcher wohl auf eine Sä- culariſation des Kirchenſtaates als Folge der Erblichmachung des Stuhles hinausgelaufen wäre, ſcheiterte dann durch Pietro's plötzliches Abſterben. Der zweite Nepot, Girolamo Riario, blieb weltlichen Standes und taſtete das Pontificat Der Nepotis- mus. 1) Battista Mantovano, de calamitatibus temporum, L. III. Der Araber verkauft Weihrauch, der Tyrier Purpur, der Inder Elfen- bein: venalia nobis Templa, sacerdotes, altaria, sacra, coronæ, Ignes, thura, preces, cœlum est venale, Deusque. 2) Man ſehe z. B. die Annales Placentini, bei Murat. XX, Col. 943. 3) Corio, storia di Milano, fol. 416 bis 420. Pietro hatte ſchon die Papſtwahl des Sixtus leiten helfen, ſ. Infessura, bei Eccard, scriptores, II, Col. 1895. — Laut Macchiav. storie fior. L. VII. hätten die Venezianer den Cardinal vergiftet. Gründe dazu fehlten ihnen in der That nicht.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/117>, abgerufen am 30.04.2024.