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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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3. Abschnitt.hätte denken sollen. Nach einiger Zeit bilden sich Anfänge
der modernen Autors- und Verlagsverhältnisse 1) und unter
Alexander VI. kam die präventive Censur auf, indem es
jetzt nicht mehr leicht möglich war, ein Buch zu zernichten,
wie noch Cosimo sich es von Filelfo ausbedingen konnte 2).

Wie sich nun allmälig, im Zusammenhang mit dem
fortschreitenden Studium der Sprachen und des Alterthums
überhaupt, eine Kritik der Texte bildete, ist so wenig ein
Gegenstand dieses Buches als die Geschichte der Gelehr-
samkeit überhaupt. Nicht das Wissen der Italiener als
solches, sondern die Reproduction des Alterthums in Lite-
ratur und Leben muß uns beschäftigen. Doch sei über die
Studien an sich noch eine Bemerkung gestattet.

Uebersicht des
griechischen
Studiums.
Die griechische Gelehrsamkeit concentrirt sich wesentlich
auf Florenz und auf das XV. und den Anfang des XVI.
Jahrhunderts. Was Petrarca und Boccaccio angeregt
hatten 3), scheint noch nicht über die Theilnahme einiger
begeisterten Dilettanten hinausgegangen zu sein; anderer-
seits starb mit der Colonie gelehrter griechischer Flüchtlinge
auch das Studium des Griechischen in den 1520er Jahren
weg 4), und es war ein rechtes Glück daß Nordländer
(Erasmus, die Estienne, Budeus) sich desselben inzwischen

1) Eswas Aehnliches hatte schon zur Zeit des Schreibens existirt, s.
Vespas. Fior. p. 656, s. über die Weltchronik des Zembino von
Pistoja
2) Fabroni, Laurent. magn. Adnot. 212. -- Es geschah in Betreff
der Schmähschrift de exilio.
3) Vgl. Sismondi VI, p. 149, s.
4) Das Aussterben dieser Griechen constatirt Pierius Valerian. de in-
felicitate literat.
bei Anlaß der Lascaris. Und Paulus Jovius am
Ende seiner Elogia literaria sagt von den Deutschen: ... quum
literae non latinae modo cum pudore nostro, sed graecae et
hebraicae in eorum terras fatali commigratione transierint.

(Gegen 1540.)

3. Abſchnitt.hätte denken ſollen. Nach einiger Zeit bilden ſich Anfänge
der modernen Autors- und Verlagsverhältniſſe 1) und unter
Alexander VI. kam die präventive Cenſur auf, indem es
jetzt nicht mehr leicht möglich war, ein Buch zu zernichten,
wie noch Coſimo ſich es von Filelfo ausbedingen konnte 2).

Wie ſich nun allmälig, im Zuſammenhang mit dem
fortſchreitenden Studium der Sprachen und des Alterthums
überhaupt, eine Kritik der Texte bildete, iſt ſo wenig ein
Gegenſtand dieſes Buches als die Geſchichte der Gelehr-
ſamkeit überhaupt. Nicht das Wiſſen der Italiener als
ſolches, ſondern die Reproduction des Alterthums in Lite-
ratur und Leben muß uns beſchäftigen. Doch ſei über die
Studien an ſich noch eine Bemerkung geſtattet.

Ueberſicht des
griechiſchen
Studiums.
Die griechiſche Gelehrſamkeit concentrirt ſich weſentlich
auf Florenz und auf das XV. und den Anfang des XVI.
Jahrhunderts. Was Petrarca und Boccaccio angeregt
hatten 3), ſcheint noch nicht über die Theilnahme einiger
begeiſterten Dilettanten hinausgegangen zu ſein; anderer-
ſeits ſtarb mit der Colonie gelehrter griechiſcher Flüchtlinge
auch das Studium des Griechiſchen in den 1520er Jahren
weg 4), und es war ein rechtes Glück daß Nordländer
(Erasmus, die Eſtienne, Budeus) ſich deſſelben inzwiſchen

1) Eswas Aehnliches hatte ſchon zur Zeit des Schreibens exiſtirt, ſ.
Vespas. Fior. p. 656, s. über die Weltchronik des Zembino von
Piſtoja
2) Fabroni, Laurent. magn. Adnot. 212. — Es geſchah in Betreff
der Schmähſchrift de exilio.
3) Vgl. Sismondi VI, p. 149, s.
4) Das Ausſterben dieſer Griechen conſtatirt Pierius Valerian. de in-
felicitate literat.
bei Anlaß der Lascaris. Und Paulus Jovius am
Ende ſeiner Elogia literaria ſagt von den Deutſchen: … quum
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[194/0204] hätte denken ſollen. Nach einiger Zeit bilden ſich Anfänge der modernen Autors- und Verlagsverhältniſſe 1) und unter Alexander VI. kam die präventive Cenſur auf, indem es jetzt nicht mehr leicht möglich war, ein Buch zu zernichten, wie noch Coſimo ſich es von Filelfo ausbedingen konnte 2). 3. Abſchnitt. Wie ſich nun allmälig, im Zuſammenhang mit dem fortſchreitenden Studium der Sprachen und des Alterthums überhaupt, eine Kritik der Texte bildete, iſt ſo wenig ein Gegenſtand dieſes Buches als die Geſchichte der Gelehr- ſamkeit überhaupt. Nicht das Wiſſen der Italiener als ſolches, ſondern die Reproduction des Alterthums in Lite- ratur und Leben muß uns beſchäftigen. Doch ſei über die Studien an ſich noch eine Bemerkung geſtattet. Die griechiſche Gelehrſamkeit concentrirt ſich weſentlich auf Florenz und auf das XV. und den Anfang des XVI. Jahrhunderts. Was Petrarca und Boccaccio angeregt hatten 3), ſcheint noch nicht über die Theilnahme einiger begeiſterten Dilettanten hinausgegangen zu ſein; anderer- ſeits ſtarb mit der Colonie gelehrter griechiſcher Flüchtlinge auch das Studium des Griechiſchen in den 1520er Jahren weg 4), und es war ein rechtes Glück daß Nordländer (Erasmus, die Eſtienne, Budeus) ſich deſſelben inzwiſchen Ueberſicht des griechiſchen Studiums. 1) Eswas Aehnliches hatte ſchon zur Zeit des Schreibens exiſtirt, ſ. Vespas. Fior. p. 656, s. über die Weltchronik des Zembino von Piſtoja 2) Fabroni, Laurent. magn. Adnot. 212. — Es geſchah in Betreff der Schmähſchrift de exilio. 3) Vgl. Sismondi VI, p. 149, s. 4) Das Ausſterben dieſer Griechen conſtatirt Pierius Valerian. de in- felicitate literat. bei Anlaß der Lascaris. Und Paulus Jovius am Ende ſeiner Elogia literaria ſagt von den Deutſchen: … quum literae non latinae modo cum pudore nostro, sed graecae et hebraicae in eorum terras fatali commigratione transierint. (Gegen 1540.)

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/204>, abgerufen am 30.04.2024.