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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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kanntlich das Ballspiel, und auch dieses möchte schon zur Zeit5. Abschnitt.
der Renaissance mit viel größerm Eifer und Glanze geübt
worden sein als anderswo in Europa. Doch ist es nicht
wohl möglich, bestimmte Zeugnisse für diese Annahme zu-
sammenzubringen.

An dieser Stelle muß auch von der Musik 1) die RedeDie Musik.
sein. Die Composition war noch um 1500 vorherrschend
in den Händen der niederländischen Schule, welche wegen
der ungemeinen Künstlichkeit und Wunderlichkeit ihrer
Werke bestaunt wurde. Doch gab es schon daneben eine
italienische Musik, welche ohne Zweifel unserm jetzigen Ton-
gefühl etwas näher stand. Ein halbes Jahrhundert später
tritt Palestrina auf, dessen Gewalt sich auch heute noch
alle Gemüther unterwirft; wir erfahren auch, er sei ein
großer Neuerer gewesen, allein ob er oder Andere den ent-

schießen pflegte; die große allgemeine Regatta am St. Paulstag war
gesetzlich seit 1315. -- Früher wurde in Venedig auch viel geritten,
ehe die Straßen gepflastert und die ebenen hölzernen Brücken in
hochgewölbte steinerne verwandelt waren. Noch Petrarca (Epist.
seniles, IV, 2, p.
783) schildert ein prächtiges Reiterturnier auf
dem Marcusplatz, und der Doge Steno hielt um 1400 einen Mar-
stall so herrlich wie der irgend eines italienischen Fürsten. Doch
war das Reiten in der Umgegend jenes Platzes schon seit 1291 in
der Regel verbeten. -- Später galten die Venezianer natürlich für
schlechte Reiter. Vgl. Ariosto, Sat. V, vs. 208.
1) Ueber Dante's Verhältniß zur Musik und über die Weisen zu Pe-
trarca's und Boccaccio's Gedichten vgl. Trucchi, poesie ital. ine-
dite II, p.
139. -- Ueber Theoretiker des XIV. Jahrh. Filippo
Villani, vite, p.
46 und Scardeonius, de urb. Patav. antiq.
bei Graev. Thesaur. VI, III, Col. 297.
Eine merkwürdige und umfangreiche Stelle über die Musik findet sich,
wo man sie nicht suchen würde, Macaroneide, Phant. XX. Es
wird ein Quartettgesang kemisch geschildert, wobei man erfährt, daß
auch französische und spanische Lieder gesungen wurden, daß die Musik
bereits ihre Feinde hatte (um 1520), und daß Leo's X. Capelle und
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kanntlich das Ballſpiel, und auch dieſes möchte ſchon zur Zeit5. Abſchnitt.
der Renaiſſance mit viel größerm Eifer und Glanze geübt
worden ſein als anderswo in Europa. Doch iſt es nicht
wohl möglich, beſtimmte Zeugniſſe für dieſe Annahme zu-
ſammenzubringen.

An dieſer Stelle muß auch von der Muſik 1) die RedeDie Muſik.
ſein. Die Compoſition war noch um 1500 vorherrſchend
in den Händen der niederländiſchen Schule, welche wegen
der ungemeinen Künſtlichkeit und Wunderlichkeit ihrer
Werke beſtaunt wurde. Doch gab es ſchon daneben eine
italieniſche Muſik, welche ohne Zweifel unſerm jetzigen Ton-
gefühl etwas näher ſtand. Ein halbes Jahrhundert ſpäter
tritt Paleſtrina auf, deſſen Gewalt ſich auch heute noch
alle Gemüther unterwirft; wir erfahren auch, er ſei ein
großer Neuerer geweſen, allein ob er oder Andere den ent-

ſchießen pflegte; die große allgemeine Regatta am St. Paulstag war
geſetzlich ſeit 1315. — Früher wurde in Venedig auch viel geritten,
ehe die Straßen gepflaſtert und die ebenen hölzernen Brücken in
hochgewölbte ſteinerne verwandelt waren. Noch Petrarca (Epist.
seniles, IV, 2, p.
783) ſchildert ein prächtiges Reiterturnier auf
dem Marcusplatz, und der Doge Steno hielt um 1400 einen Mar-
ſtall ſo herrlich wie der irgend eines italieniſchen Fürſten. Doch
war das Reiten in der Umgegend jenes Platzes ſchon ſeit 1291 in
der Regel verbeten. — Später galten die Venezianer natürlich für
ſchlechte Reiter. Vgl. Ariosto, Sat. V, vs. 208.
1) Ueber Dante's Verhältniß zur Muſik und über die Weiſen zu Pe-
trarca's und Boccaccio's Gedichten vgl. Trucchi, poesie ital. ine-
dite II, p.
139. — Ueber Theoretiker des XIV. Jahrh. Filippo
Villani, vite, p.
46 und Scardeonius, de urb. Patav. antiq.
bei Græv. Thesaur. VI, III, Col. 297.
Eine merkwürdige und umfangreiche Stelle über die Muſik findet ſich,
wo man ſie nicht ſuchen würde, Macaroneide, Phant. XX. Es
wird ein Quartettgeſang kemiſch geſchildert, wobei man erfährt, daß
auch franzöſiſche und ſpaniſche Lieder geſungen wurden, daß die Muſik
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[387/0397] kanntlich das Ballſpiel, und auch dieſes möchte ſchon zur Zeit der Renaiſſance mit viel größerm Eifer und Glanze geübt worden ſein als anderswo in Europa. Doch iſt es nicht wohl möglich, beſtimmte Zeugniſſe für dieſe Annahme zu- ſammenzubringen. 5. Abſchnitt. An dieſer Stelle muß auch von der Muſik 1) die Rede ſein. Die Compoſition war noch um 1500 vorherrſchend in den Händen der niederländiſchen Schule, welche wegen der ungemeinen Künſtlichkeit und Wunderlichkeit ihrer Werke beſtaunt wurde. Doch gab es ſchon daneben eine italieniſche Muſik, welche ohne Zweifel unſerm jetzigen Ton- gefühl etwas näher ſtand. Ein halbes Jahrhundert ſpäter tritt Paleſtrina auf, deſſen Gewalt ſich auch heute noch alle Gemüther unterwirft; wir erfahren auch, er ſei ein großer Neuerer geweſen, allein ob er oder Andere den ent- 2) Die Muſik. 1) Ueber Dante's Verhältniß zur Muſik und über die Weiſen zu Pe- trarca's und Boccaccio's Gedichten vgl. Trucchi, poesie ital. ine- dite II, p. 139. — Ueber Theoretiker des XIV. Jahrh. Filippo Villani, vite, p. 46 und Scardeonius, de urb. Patav. antiq. bei Græv. Thesaur. VI, III, Col. 297. Eine merkwürdige und umfangreiche Stelle über die Muſik findet ſich, wo man ſie nicht ſuchen würde, Macaroneide, Phant. XX. Es wird ein Quartettgeſang kemiſch geſchildert, wobei man erfährt, daß auch franzöſiſche und ſpaniſche Lieder geſungen wurden, daß die Muſik bereits ihre Feinde hatte (um 1520), und daß Leo's X. Capelle und 2) ſchießen pflegte; die große allgemeine Regatta am St. Paulstag war geſetzlich ſeit 1315. — Früher wurde in Venedig auch viel geritten, ehe die Straßen gepflaſtert und die ebenen hölzernen Brücken in hochgewölbte ſteinerne verwandelt waren. Noch Petrarca (Epist. seniles, IV, 2, p. 783) ſchildert ein prächtiges Reiterturnier auf dem Marcusplatz, und der Doge Steno hielt um 1400 einen Mar- ſtall ſo herrlich wie der irgend eines italieniſchen Fürſten. Doch war das Reiten in der Umgegend jenes Platzes ſchon ſeit 1291 in der Regel verbeten. — Später galten die Venezianer natürlich für ſchlechte Reiter. Vgl. Ariosto, Sat. V, vs. 208. 25*

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 387. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/397>, abgerufen am 30.04.2024.