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Butschky, Samuel von: Die Hochdeutsche Kantzeley. Breslau u. a., [1652].

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Des gantzen Menschen Zustand/ wie er beschaff.
Welt in solcher Gelegenheit sich finde/ der
nicht fortwürig auf seinem Lebens Sief
durch die anmuhtige Winde seiner Wohl-
lust/ und Freuden/ auf diesem unstimmigen
Weltmere niemahl Ungewitter erlitten zu-
haben/ fortgetrieben worden; sondern auch
ohne unterlaß die Süssigkeit des stillen
Weters/ durch den Schatten der Ruhe
seiner Zufriedenheit genossen; so ists an
dehme/ daß dieses Leben voller Rosen/ zu
seinem Tode voller stachlichter Dörner/ sei-
nen Anfang machet: Denn die Beraubung
aller dieser wohllust und Freude/ bringet dem
Besitzer lauteren Unmuht und Schmer-
tzen/ die man viel ehe erdulden und ausste-
hen/ als mit Worten aussprechen und er-
zehlen kan: Dieses ist durch die tägliche
Erfahrung abzunehmen/ und durch die un-
fehlbarliche gewisse Regel/ daß ie mehr die
Vergnügung vergrössert/ desto mehr auch
dero Unmuht und Schmertzen in der Be-
raubung sich anheufet/ zu bestärken: gestalt-
sam/ daß/ gleich wie der Gewinn die Em-
pfindung der Freuden/ also auch hernach-
mahls der Verlust/ durch seine unterschied-
liche Wirkung/ und Schmertzen/ dieses her-
bringet: Dieses verpflichtet mich/ mein vor-
angesätztes Fürnehmen zubehaupten/ daß
kein Mensch im Leben/ der nicht/ wie glük-
selig Er auch immer sey/ des Unglüks Be-
cher kredentzet hette: Diesem werde ich mei-

ne

Des gantzẽ Menſchẽ Zuſtand/ wie er beſchaff.
Welt in ſolcher Gelégenheit ſich finde/ der
nicht fortwuͤrig auf ſeinem Lébens Sief
durch die anmuhtige Winde ſeiner Wohl-
luſt/ und Freuden/ auf dieſem unſtimmigen
Weltmére niemahl Ungewitter erlitten zu-
haben/ fortgetrieben worden; ſondern auch
ohne unterlaß die Suͤſſigkeit des ſtillen
Weters/ durch den Schatten der Ruhe
ſeiner Zufriedenheit genoſſen; ſo iſts an
dehme/ daß dieſes Lében voller Roſen/ zu
ſeinem Tode voller ſtachlichter Doͤrner/ ſei-
nen Anfang machet: Denn die Beraubung
aller dieſer wohlluſt und Freude/ bringet dem
Beſitzer lauteren Unmuht und Schmer-
tzen/ die man viel ehe erdulden und ausſte-
hen/ als mit Worten ausſprechen und er-
zehlen kan: Dieſes iſt durch die taͤgliche
Erfahrung abzunehmen/ und durch die un-
fehlbarliche gewiſſe Regel/ daß ie mehr die
Vergnuͤgung vergroͤſſert/ deſto mehr auch
dero Unmuht und Schmertzen in der Be-
raubung ſich anheufet/ zu beſtaͤrken: geſtalt-
ſam/ daß/ gleich wie der Gewinn die Em-
pfindung der Freuden/ alſo auch hernach-
mahls der Verluſt/ durch ſeine unterſchied-
liche Wirkung/ und Schmertzen/ dieſes her-
bringet: Dieſes verpflichtet mich/ mein vor-
angeſaͤtztes Fuͤrnehmen zubehaupten/ daß
kein Menſch im Lében/ der nicht/ wie gluͤk-
ſélig Er auch immer ſey/ des Ungluͤks Be-
cher kredentzet hette: Dieſem werde ich mei-

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[96/0098] Des gantzẽ Menſchẽ Zuſtand/ wie er beſchaff. Welt in ſolcher Gelégenheit ſich finde/ der nicht fortwuͤrig auf ſeinem Lébens Sief durch die anmuhtige Winde ſeiner Wohl- luſt/ und Freuden/ auf dieſem unſtimmigen Weltmére niemahl Ungewitter erlitten zu- haben/ fortgetrieben worden; ſondern auch ohne unterlaß die Suͤſſigkeit des ſtillen Weters/ durch den Schatten der Ruhe ſeiner Zufriedenheit genoſſen; ſo iſts an dehme/ daß dieſes Lében voller Roſen/ zu ſeinem Tode voller ſtachlichter Doͤrner/ ſei- nen Anfang machet: Denn die Beraubung aller dieſer wohlluſt und Freude/ bringet dem Beſitzer lauteren Unmuht und Schmer- tzen/ die man viel ehe erdulden und ausſte- hen/ als mit Worten ausſprechen und er- zehlen kan: Dieſes iſt durch die taͤgliche Erfahrung abzunehmen/ und durch die un- fehlbarliche gewiſſe Regel/ daß ie mehr die Vergnuͤgung vergroͤſſert/ deſto mehr auch dero Unmuht und Schmertzen in der Be- raubung ſich anheufet/ zu beſtaͤrken: geſtalt- ſam/ daß/ gleich wie der Gewinn die Em- pfindung der Freuden/ alſo auch hernach- mahls der Verluſt/ durch ſeine unterſchied- liche Wirkung/ und Schmertzen/ dieſes her- bringet: Dieſes verpflichtet mich/ mein vor- angeſaͤtztes Fuͤrnehmen zubehaupten/ daß kein Menſch im Lében/ der nicht/ wie gluͤk- ſélig Er auch immer ſey/ des Ungluͤks Be- cher kredentzet hette: Dieſem werde ich mei- ne

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Zitationshilfe: Butschky, Samuel von: Die Hochdeutsche Kantzeley. Breslau u. a., [1652], S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/butschky_kantzeley_1649/98>, abgerufen am 31.10.2024.