durch einen nahe dabey befindlichen Ausschnitt größtentheils wieder ausströmt, und durch ihr Vorbeystreichen an dem einen Ende der in der Röhre enthaltenen Luftsäule diese der Länge nach in schwingende Bewegung setzt; bey manchen andern thut das Zusammendrücken der Lippen bey dem Blasen ebendieselbe Würkung, und die eingeblasene Luft findet keinen andern Ausweg, als durch die Röhre selbst, so daß die darinnen befindliche longirndinal schwingende Luftsäule gewissermaßen immer erneuert wird. Um die höhern Töne, deren eine Pfeife oder ein anderes Blasinstrument fähig ist, hervorzubringen, wird mehrere Stärke des Blasens und mehrere Zusammendrückung der Lippen, oder auch ein Einströmen durch eine engere Oeffnung erfordert, es lassen sich auch an solchen Pfeifen oder Blasinstrumenten, die im Verhältnisse ihrer Länge keine beträchtliche Weite haben, die höhern Töne am leichtesten her- vorbringen. An Blasinstrumenten, wo an den Seiten sich Löcher befinden, wird dadurch, daß man diese offen läßt, die schwingende Luftsäule abgekürzt, wodurch also die Töne höher werden. Jn welchen Verhältnissen aber durch die verschiedenen Arten von Oeffnung oder Verschließung der Seitenlöcher die Töne erhöht oder erniedrigt werden, ist zwar durch die Erfahrung ziemlich genau bestimmt, es scheint aber der gegenwärtige Zastand der Mechanik und Analyse noch nicht zu einer theoretischen Untersuchung dieser Veränderungen hinlänglich zu seyn, die besten Beobachtungen darüber hat Lambert in den Memoires de l'Acad. de Berlin 1775. bekannt gemacht.
Graf Giordano Riccati zeigt in seinem Werke delle corde ovvero fibre elastiche Schediasm. VII. §. 13. auf eine sinnreiche Art den Uebergang von den Luftschwingungen, wo es blos auf das Mundstück oder auf die Art des Blasens ankommt, zu denen, wo die Töne hauptsächlich von der Länge der schwingenden Luftsäule abhängen. Wenn das Röhrchen einer Hoboe von dem Jnstrumente abgesondert angeblasen ward, so ließen sich darauf höhere oder tiefere Töne hervorbringen, deren Unterschied wohl eine Sexte oder wohl gar eine Octave betragen konnte. Wenn das Röhrchen an der Hoboe befestigt ward, und es wurden alle Löcher offen gelassen, so hatte wegen der Schwingungen einer längern Luftsäule die Ver- schiedenheit des Anblasens eine geringere Würkung, so daß der Unterschied bey den ange- stellen Versuchen nur ungefähr eine Quarte ausmachte, mit einer weniger bestimmten Jntona- tion, als vorher. Warden alle Seitenlöcher verschlossen, so war die zitternde Luftsäule so lang, daß die Verschiedenhen des Anblasens nur einen geringen Unterschied, höchstens von einem ganzen Tone bewirken konnte; die Jntonation war dabey offenbar falsch, und sehr unangenehm,
durch einen nahe dabey befindlichen Ausſchnitt groͤßtentheils wieder ausſtroͤmt, und durch ihr Vorbeyſtreichen an dem einen Ende der in der Roͤhre enthaltenen Luftſaͤule dieſe der Laͤnge nach in ſchwingende Bewegung ſetzt; bey manchen andern thut das Zuſammendruͤcken der Lippen bey dem Blaſen ebendieſelbe Wuͤrkung, und die eingeblaſene Luft findet keinen andern Ausweg, als durch die Roͤhre ſelbſt, ſo daß die darinnen befindliche longirndinal ſchwingende Luftſaͤule gewiſſermaßen immer erneuert wird. Um die hoͤhern Toͤne, deren eine Pfeife oder ein anderes Blasinſtrument faͤhig iſt, hervorzubringen, wird mehrere Staͤrke des Blaſens und mehrere Zuſammendruͤckung der Lippen, oder auch ein Einſtroͤmen durch eine engere Oeffnung erfordert, es laſſen ſich auch an ſolchen Pfeifen oder Blasinſtrumenten, die im Verhaͤltniſſe ihrer Laͤnge keine betraͤchtliche Weite haben, die hoͤhern Toͤne am leichteſten her- vorbringen. An Blasinſtrumenten, wo an den Seiten ſich Loͤcher befinden, wird dadurch, daß man dieſe offen laͤßt, die ſchwingende Luftſaͤule abgekuͤrzt, wodurch alſo die Toͤne hoͤher werden. Jn welchen Verhaͤltniſſen aber durch die verſchiedenen Arten von Oeffnung oder Verſchließung der Seitenloͤcher die Toͤne erhoͤht oder erniedrigt werden, iſt zwar durch die Erfahrung ziemlich genau beſtimmt, es ſcheint aber der gegenwaͤrtige Zaſtand der Mechanik und Analyſe noch nicht zu einer theoretiſchen Unterſuchung dieſer Veraͤnderungen hinlaͤnglich zu ſeyn, die beſten Beobachtungen daruͤber hat Lambert in den Mémoires de l’Acad. de Berlin 1775. bekannt gemacht.
Graf Giordano Riccati zeigt in ſeinem Werke delle corde ovvero fibre elastiche Schediasm. VII. §. 13. auf eine ſinnreiche Art den Uebergang von den Luftſchwingungen, wo es blos auf das Mundſtuͤck oder auf die Art des Blaſens ankommt, zu denen, wo die Toͤne hauptſaͤchlich von der Laͤnge der ſchwingenden Luftſaͤule abhaͤngen. Wenn das Roͤhrchen einer Hoboe von dem Jnſtrumente abgeſondert angeblaſen ward, ſo ließen ſich darauf hoͤhere oder tiefere Toͤne hervorbringen, deren Unterſchied wohl eine Sexte oder wohl gar eine Octave betragen konnte. Wenn das Roͤhrchen an der Hoboe befeſtigt ward, und es wurden alle Loͤcher offen gelaſſen, ſo hatte wegen der Schwingungen einer laͤngern Luftſaͤule die Ver- ſchiedenheit des Anblaſens eine geringere Wuͤrkung, ſo daß der Unterſchied bey den ange- ſtellen Verſuchen nur ungefaͤhr eine Quarte ausmachte, mit einer weniger beſtimmten Jntona- tion, als vorher. Warden alle Seitenloͤcher verſchloſſen, ſo war die zitternde Luftſaͤule ſo lang, daß die Verſchiedenhen des Anblaſens nur einen geringen Unterſchied, hoͤchſtens von einem ganzen Tone bewirken konnte; die Jntonation war dabey offenbar falſch, und ſehr unangenehm,
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durch einen nahe dabey befindlichen Ausſchnitt groͤßtentheils wieder ausſtroͤmt, und durch ihr
Vorbeyſtreichen an dem einen Ende der in der Roͤhre enthaltenen Luftſaͤule dieſe der Laͤnge
nach in ſchwingende Bewegung ſetzt; bey manchen andern thut das Zuſammendruͤcken der
Lippen bey dem Blaſen ebendieſelbe Wuͤrkung, und die eingeblaſene Luft findet keinen andern
Ausweg, als durch die Roͤhre ſelbſt, ſo daß die darinnen befindliche longirndinal ſchwingende
Luftſaͤule gewiſſermaßen immer erneuert wird. Um die hoͤhern Toͤne, deren eine Pfeife oder
ein anderes Blasinſtrument faͤhig iſt, hervorzubringen, wird mehrere Staͤrke des Blaſens
und mehrere Zuſammendruͤckung der Lippen, oder auch ein Einſtroͤmen durch eine engere
Oeffnung erfordert, es laſſen ſich auch an ſolchen Pfeifen oder Blasinſtrumenten, die im
Verhaͤltniſſe ihrer Laͤnge keine betraͤchtliche Weite haben, die hoͤhern Toͤne am leichteſten her-
vorbringen. An Blasinſtrumenten, wo an den Seiten ſich Loͤcher befinden, wird dadurch,
daß man dieſe offen laͤßt, die ſchwingende Luftſaͤule abgekuͤrzt, wodurch alſo die Toͤne hoͤher
werden. Jn welchen Verhaͤltniſſen aber durch die verſchiedenen Arten von Oeffnung oder
Verſchließung der Seitenloͤcher die Toͤne erhoͤht oder erniedrigt werden, iſt zwar durch die
Erfahrung ziemlich genau beſtimmt, es ſcheint aber der gegenwaͤrtige Zaſtand der Mechanik
und Analyſe noch nicht zu einer theoretiſchen Unterſuchung dieſer Veraͤnderungen hinlaͤnglich zu
ſeyn, die beſten Beobachtungen daruͤber hat Lambert in den Mémoires de l’Acad. de Berlin
1775. bekannt gemacht.
Graf Giordano Riccati zeigt in ſeinem Werke delle corde ovvero fibre elastiche
Schediasm. VII. §. 13. auf eine ſinnreiche Art den Uebergang von den Luftſchwingungen, wo
es blos auf das Mundſtuͤck oder auf die Art des Blaſens ankommt, zu denen, wo die Toͤne
hauptſaͤchlich von der Laͤnge der ſchwingenden Luftſaͤule abhaͤngen. Wenn das Roͤhrchen einer
Hoboe von dem Jnſtrumente abgeſondert angeblaſen ward, ſo ließen ſich darauf hoͤhere oder
tiefere Toͤne hervorbringen, deren Unterſchied wohl eine Sexte oder wohl gar eine Octave
betragen konnte. Wenn das Roͤhrchen an der Hoboe befeſtigt ward, und es wurden alle
Loͤcher offen gelaſſen, ſo hatte wegen der Schwingungen einer laͤngern Luftſaͤule die Ver-
ſchiedenheit des Anblaſens eine geringere Wuͤrkung, ſo daß der Unterſchied bey den ange-
ſtellen Verſuchen nur ungefaͤhr eine Quarte ausmachte, mit einer weniger beſtimmten Jntona-
tion, als vorher. Warden alle Seitenloͤcher verſchloſſen, ſo war die zitternde Luftſaͤule ſo lang,
daß die Verſchiedenhen des Anblaſens nur einen geringen Unterſchied, hoͤchſtens von einem
ganzen Tone bewirken konnte; die Jntonation war dabey offenbar falſch, und ſehr unangenehm,
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Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_akustik_1802/119>, abgerufen am 14.06.2024.
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