Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.

Bild:
<< vorherige Seite

Zwölfftes Capitel,
schen Erkentniß ausmachen. Jndessen ist unläug-
bar, daß zukünfftige Dinge mit denen vergange-
nen, oder vielmehr die Erkentniß zukünfftiger Din-
ge mit der Erkentniß der vergangenen Dinge die
gröste Aehnlichkeit habe: und daß unsere Seele sich
mit dem einen so wohl, als mit dem andern be-
schäfftige. Das Zukünfftige wird mit der Zeit
ins Vergangene verwandelt, und manchmahl ist
selbst bey Menschen, die doch ins Zukünfftige nicht
weit sehen, die Erkentniß der Sache, wenn sie noch
zukünfftig ist, mit der Erkentniß derselben, wenn
sie vollbracht ist, einerley. (§. 22. C. 8.) Da-
hero wenn wir von der menschlichen Erkentniß derer
Dinge, welche sind und geschehen, ausführlich
handeln wollen, so müssen wir auch darauf unsere
Betrachtung gerichtet seyn lassen, wie weit es die
Menschen in Erkentniß zukünfftiger Dinge bringen
können. Die göttlichen Offenbahrungen und
die daraus fliessende Prophezeyungen würden
nun hierunter zwar auf gewisse Weise den ersten
Platz verdienen. Allein nach dem einmahl fest ge-
setzten Plan dieser Abhandlung sehen wir nur dar-
auf, was die menschliche Seele ihre natürlichen
Kräffte von zukünfftigen Dingen wissen kan. Die
Betrachtung aber der Offenbahrungen und
Prophezeyungen rechnen wir zur Anwendung
dieser Grundlehren.

§. 2.
Erste Einsicht ins zukünfftige.

Der Weg ins zukünfftige mit unsern Gedancken
zu kommen, ist dieser: Daß wir den künfftigen
Zustand derer vorhandenen Dinge, und

anderer,

Zwoͤlfftes Capitel,
ſchen Erkentniß ausmachen. Jndeſſen iſt unlaͤug-
bar, daß zukuͤnfftige Dinge mit denen vergange-
nen, oder vielmehr die Erkentniß zukuͤnfftiger Din-
ge mit der Erkentniß der vergangenen Dinge die
groͤſte Aehnlichkeit habe: und daß unſere Seele ſich
mit dem einen ſo wohl, als mit dem andern be-
ſchaͤfftige. Das Zukuͤnfftige wird mit der Zeit
ins Vergangene verwandelt, und manchmahl iſt
ſelbſt bey Menſchen, die doch ins Zukuͤnfftige nicht
weit ſehen, die Erkentniß der Sache, wenn ſie noch
zukuͤnfftig iſt, mit der Erkentniß derſelben, wenn
ſie vollbracht iſt, einerley. (§. 22. C. 8.) Da-
hero wenn wir von der menſchlichen Erkentniß derer
Dinge, welche ſind und geſchehen, ausfuͤhrlich
handeln wollen, ſo muͤſſen wir auch darauf unſere
Betrachtung gerichtet ſeyn laſſen, wie weit es die
Menſchen in Erkentniß zukuͤnfftiger Dinge bringen
koͤnnen. Die goͤttlichen Offenbahrungen und
die daraus flieſſende Prophezeyungen wuͤrden
nun hierunter zwar auf gewiſſe Weiſe den erſten
Platz verdienen. Allein nach dem einmahl feſt ge-
ſetzten Plan dieſer Abhandlung ſehen wir nur dar-
auf, was die menſchliche Seele ihre natuͤrlichen
Kraͤffte von zukuͤnfftigen Dingen wiſſen kan. Die
Betrachtung aber der Offenbahrungen und
Prophezeyungen rechnen wir zur Anwendung
dieſer Grundlehren.

§. 2.
Erſte Einſicht ins zukuͤnfftige.

Der Weg ins zukuͤnfftige mit unſern Gedancken
zu kommen, iſt dieſer: Daß wir den kuͤnfftigen
Zuſtand derer vorhandenen Dinge, und

anderer,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0418" n="382"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Zwo&#x0364;lfftes Capitel,</hi></fw><lb/>
&#x017F;chen Erkentniß ausmachen. Jnde&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t unla&#x0364;ug-<lb/>
bar, daß zuku&#x0364;nfftige Dinge mit denen vergange-<lb/>
nen, oder vielmehr die Erkentniß zuku&#x0364;nfftiger Din-<lb/>
ge mit der Erkentniß der vergangenen Dinge die<lb/>
gro&#x0364;&#x017F;te Aehnlichkeit habe: und daß un&#x017F;ere Seele &#x017F;ich<lb/>
mit dem einen &#x017F;o wohl, als mit dem andern be-<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;fftige. Das <hi rendition="#fr">Zuku&#x0364;nfftige</hi> wird mit der Zeit<lb/>
ins Vergangene verwandelt, und manchmahl i&#x017F;t<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t bey Men&#x017F;chen, die doch ins Zuku&#x0364;nfftige nicht<lb/>
weit &#x017F;ehen, die Erkentniß der Sache, wenn &#x017F;ie noch<lb/>
zuku&#x0364;nfftig i&#x017F;t, mit der Erkentniß der&#x017F;elben, wenn<lb/>
&#x017F;ie vollbracht i&#x017F;t, einerley. (§. 22. C. 8.) Da-<lb/>
hero wenn wir von der men&#x017F;chlichen Erkentniß derer<lb/>
Dinge, welche <hi rendition="#fr">&#x017F;ind</hi> und <hi rendition="#fr">ge&#x017F;chehen,</hi> ausfu&#x0364;hrlich<lb/>
handeln wollen, &#x017F;o mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en wir auch darauf un&#x017F;ere<lb/>
Betrachtung gerichtet &#x017F;eyn la&#x017F;&#x017F;en, wie weit es die<lb/>
Men&#x017F;chen in Erkentniß zuku&#x0364;nfftiger Dinge bringen<lb/>
ko&#x0364;nnen. Die go&#x0364;ttlichen <hi rendition="#fr">Offenbahrungen</hi> und<lb/>
die daraus flie&#x017F;&#x017F;ende <hi rendition="#fr">Prophezeyungen</hi> wu&#x0364;rden<lb/>
nun hierunter zwar auf gewi&#x017F;&#x017F;e Wei&#x017F;e den <hi rendition="#fr">er&#x017F;ten</hi><lb/>
Platz verdienen. Allein nach dem einmahl fe&#x017F;t ge-<lb/>
&#x017F;etzten Plan die&#x017F;er Abhandlung &#x017F;ehen wir nur dar-<lb/>
auf, was die men&#x017F;chliche Seele ihre natu&#x0364;rlichen<lb/>
Kra&#x0364;ffte von zuku&#x0364;nfftigen Dingen wi&#x017F;&#x017F;en kan. Die<lb/>
Betrachtung aber der <hi rendition="#fr">Offenbahrungen</hi> und<lb/><hi rendition="#fr">Prophezeyungen</hi> rechnen wir zur Anwendung<lb/>
die&#x017F;er <hi rendition="#fr">Grundlehren.</hi></p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 2.<lb/>
Er&#x017F;te Ein&#x017F;icht ins zuku&#x0364;nfftige.</head><lb/>
          <p>Der Weg ins zuku&#x0364;nfftige mit un&#x017F;ern Gedancken<lb/>
zu kommen, i&#x017F;t die&#x017F;er: <hi rendition="#fr">Daß wir den ku&#x0364;nfftigen<lb/>
Zu&#x017F;tand derer vorhandenen Dinge, und</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">anderer,</hi></fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[382/0418] Zwoͤlfftes Capitel, ſchen Erkentniß ausmachen. Jndeſſen iſt unlaͤug- bar, daß zukuͤnfftige Dinge mit denen vergange- nen, oder vielmehr die Erkentniß zukuͤnfftiger Din- ge mit der Erkentniß der vergangenen Dinge die groͤſte Aehnlichkeit habe: und daß unſere Seele ſich mit dem einen ſo wohl, als mit dem andern be- ſchaͤfftige. Das Zukuͤnfftige wird mit der Zeit ins Vergangene verwandelt, und manchmahl iſt ſelbſt bey Menſchen, die doch ins Zukuͤnfftige nicht weit ſehen, die Erkentniß der Sache, wenn ſie noch zukuͤnfftig iſt, mit der Erkentniß derſelben, wenn ſie vollbracht iſt, einerley. (§. 22. C. 8.) Da- hero wenn wir von der menſchlichen Erkentniß derer Dinge, welche ſind und geſchehen, ausfuͤhrlich handeln wollen, ſo muͤſſen wir auch darauf unſere Betrachtung gerichtet ſeyn laſſen, wie weit es die Menſchen in Erkentniß zukuͤnfftiger Dinge bringen koͤnnen. Die goͤttlichen Offenbahrungen und die daraus flieſſende Prophezeyungen wuͤrden nun hierunter zwar auf gewiſſe Weiſe den erſten Platz verdienen. Allein nach dem einmahl feſt ge- ſetzten Plan dieſer Abhandlung ſehen wir nur dar- auf, was die menſchliche Seele ihre natuͤrlichen Kraͤffte von zukuͤnfftigen Dingen wiſſen kan. Die Betrachtung aber der Offenbahrungen und Prophezeyungen rechnen wir zur Anwendung dieſer Grundlehren. §. 2. Erſte Einſicht ins zukuͤnfftige. Der Weg ins zukuͤnfftige mit unſern Gedancken zu kommen, iſt dieſer: Daß wir den kuͤnfftigen Zuſtand derer vorhandenen Dinge, und anderer,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/418
Zitationshilfe: Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/418>, abgerufen am 30.04.2024.