ich auf reiche Prasser sehen, die in der Fülle ihrer Schätze keine Ahnung von der geheimen Qual des schuldlos Verarmten hatten, wenigstens nicht geneigt schienen, ihm auf irgend eine menschen¬ freundliche Art behülflich zu sein. Wie leicht wird der Arme nicht verletzt, wie schwer ist es, ihn mit zarter Schonung sein Unglück weniger fühlen zu lassen!
Von meiner eigentlichen Lage hatten nur die eine hinreichende Kenntniß, welche nicht zu helfen im Stande waren, denn sie bedurften selbst der Unterstützung. In dieser drückenden Verlegenheit machte mir der P. sche Gesandte, welcher von meinen Umständen wenig wissen mogte, den Vor¬ schlag, ob ich nicht Lust hätte, die diplomatische Laufbahn einzuschlagen, und einige Jahre zu meiner Vervollkommnung in einem Büreau des Auslandes, versteht sich, gratis, zu arbeiten. Ich mußte dies Anerbieten, so erwünscht es mir unter andern Verhältnissen gewesen sein mögte, ablehnen; der Gesandte zuckte die Achseln, und machte ein Gesicht, als wolle er sagen, Du bist ein Narr! Indeß war er freundlich und entließ mich mit seiner gewohnten Artigkeit. Mit einer halben Verzweiflung eilte ich in mein einsames Stübchen; mir war Alles verhaßt, Alles zuwider, an keine
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ich auf reiche Praſſer ſehen, die in der Fuͤlle ihrer Schaͤtze keine Ahnung von der geheimen Qual des ſchuldlos Verarmten hatten, wenigſtens nicht geneigt ſchienen, ihm auf irgend eine menſchen¬ freundliche Art behuͤlflich zu ſein. Wie leicht wird der Arme nicht verletzt, wie ſchwer iſt es, ihn mit zarter Schonung ſein Ungluͤck weniger fuͤhlen zu laſſen!
Von meiner eigentlichen Lage hatten nur die eine hinreichende Kenntniß, welche nicht zu helfen im Stande waren, denn ſie bedurften ſelbſt der Unterſtuͤtzung. In dieſer druͤckenden Verlegenheit machte mir der P. ſche Geſandte, welcher von meinen Umſtaͤnden wenig wiſſen mogte, den Vor¬ ſchlag, ob ich nicht Luſt haͤtte, die diplomatiſche Laufbahn einzuſchlagen, und einige Jahre zu meiner Vervollkommnung in einem Buͤreau des Auslandes, verſteht ſich, gratis, zu arbeiten. Ich mußte dies Anerbieten, ſo erwuͤnſcht es mir unter andern Verhaͤltniſſen geweſen ſein moͤgte, ablehnen; der Geſandte zuckte die Achſeln, und machte ein Geſicht, als wolle er ſagen, Du biſt ein Narr! Indeß war er freundlich und entließ mich mit ſeiner gewohnten Artigkeit. Mit einer halben Verzweiflung eilte ich in mein einſames Stuͤbchen; mir war Alles verhaßt, Alles zuwider, an keine
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ich auf reiche Praſſer ſehen, die in der Fuͤlle ihrer
Schaͤtze keine Ahnung von der geheimen Qual
des ſchuldlos Verarmten hatten, wenigſtens nicht
geneigt ſchienen, ihm auf irgend eine menſchen¬
freundliche Art behuͤlflich zu ſein. Wie leicht
wird der Arme nicht verletzt, wie ſchwer iſt es,
ihn mit zarter Schonung ſein Ungluͤck weniger
fuͤhlen zu laſſen!
Von meiner eigentlichen Lage hatten nur die
eine hinreichende Kenntniß, welche nicht zu helfen
im Stande waren, denn ſie bedurften ſelbſt der
Unterſtuͤtzung. In dieſer druͤckenden Verlegenheit
machte mir der P. ſche Geſandte, welcher von
meinen Umſtaͤnden wenig wiſſen mogte, den Vor¬
ſchlag, ob ich nicht Luſt haͤtte, die diplomatiſche
Laufbahn einzuſchlagen, und einige Jahre zu meiner
Vervollkommnung in einem Buͤreau des Auslandes,
verſteht ſich, gratis, zu arbeiten. Ich mußte dies
Anerbieten, ſo erwuͤnſcht es mir unter andern
Verhaͤltniſſen geweſen ſein moͤgte, ablehnen; der
Geſandte zuckte die Achſeln, und machte ein
Geſicht, als wolle er ſagen, Du biſt ein Narr!
Indeß war er freundlich und entließ mich mit
ſeiner gewohnten Artigkeit. Mit einer halben
Verzweiflung eilte ich in mein einſames Stuͤbchen;
mir war Alles verhaßt, Alles zuwider, an keine
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Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/121>, abgerufen am 18.06.2024.
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