p2c_779.001 Ausdrücken des Lebens, eine erhabene Ansicht des Weltgebäudes, p2c_779.002 der tiefe philosophische Blick in die grausende Nacht p2c_779.003 eines gestaltlosen Geisterreichs, alles das, was in der p2c_779.004 neuen Poesie oft nur Nachahmung ist, findet sich bey den p2c_779.005 hebräischen Dichtern ursprünglich. Allein vor Ausbreitung p2c_779.006 des Christenthums war die göttliche Poesie ein Nationalgeheimniß p2c_779.007 der Juden. Sie konnte deshalb auf die menschliche p2c_779.008 Dichtkunst keinen Einfluß haben. Erst als die Wissenschaften p2c_779.009 wieder auflebten, und die christliche Religion mit p2c_779.010 ihren wohlthätigen Jdeen die barbarischen Völker kultivirt p2c_779.011 hatte, wurde die Stimmung, welche die Bibel aus dem p2c_779.012 Orient ins Abendland verpflanzte, Veranlassung, nach ihr eine p2c_779.013 neue Poesie zu bilden. Diese heißt also mit Recht die p2c_779.014 Neue. Dagegen die griechische Poesie mit Recht die p2c_779.015 Alte. Denn vor dem Christenthum war sie diejenige, p2c_779.016 welche in der damals gebildeten Welt den Ton angab. Auch p2c_779.017 ist der griechische Geschmack an dem naiv schönenp2c_779.018 nothwendig eher, älter, wird bey den Menschen, im Durchschnitt p2c_779.019 genommen, eher ausgebildet, als das Gefühl des p2c_779.020 geistig schönen, wie dieses aus den oben festgestellten p2c_779.021 Grundsätzen bewiesen ist. Daß übrigens die neue Poesie p2c_779.022 von der Religion ihre Bildung erhalten hat, läßt sich leicht p2c_779.023 darthun. Dante schuf eine christliche Mythologie, p2c_779.024 Milton, Ariost, Tasso folgten ihm auf neuen Wegen. p2c_779.025 Durch die Troubadours ward Petrark gebildet. Shakespear p2c_779.026 ergriff den innersten Geist des Lebens. Allein war nicht die p2c_779.027 romantische und zugleich philosophische Stimmung des p2c_779.028 Zeitalters, welches alle jene Originaldichter aufzog, ein
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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804, S. 779. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik02_1804/303>, abgerufen am 15.06.2024.
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