Kunstsammlungen, ihre Geschichte und ihre Bestimmung.
und ihre Geschichte zu ergänzen. Wie anders war das Ver¬ hältniß der Römer zu Griechenland!
Von Hause aus den Griechen verwandt und ebenbürtig, hatten sie eine reiche Geschichte hinter sich und kamen als Sieger in die Städte der Griechen, um an Stelle der er¬ schöpften Kleinstaaten den Seefrieden zu hüten und den herren¬ los gewordenen Orient zu regieren.
Indessen traten die Herren der Welt den griechischen Kunstwerken mit einer merkwürdigen Unentschlossenheit gegen¬ über; sie schwankten, ob sie dieselben als gewöhnliches Beute¬ gut behandeln sollten, oder ob sie darin die Götter achten müßten, die gemeinsam verehrten, in deren Dienste die Werke entstanden seien. Die priesterlichen Behörden wurden gefragt, wie man Heiliges von Profanem unterscheiden solle, und schlie߬ lich wurden die Bedenken so überwunden, daß man das den Göttern Genommene andern Göttern wiedergab und nament¬ lich denjenigen, welchen man vor dem Auszuge oder am Tage der Entscheidung eine Stiftung gelobt hatte.
So behielt Marcellus, welcher über die erste Griechen¬ stadt triumphirt hatte, nur einen Himmelsglobus für sich und weihte alles Andere, was er aus Syrakus gewonnen, den Gottheiten Honor und Virtus, welchen er vor dem Thore, das nach Sicilien führte, ein Heiligthum baute. M. Fulvius weihte nach Besiegung der Aetoler ein Heiligthum dem Her¬ kules und den Musen, Andere Heiligthümer der Fortuna. C. Sosius, der als Legat des Antonius in Syrien gekämpft hatte, baute einen Apollotempel, Cn. Domitius, der den Schif¬ fen sein Glück verdankte, um dieselbe Zeit einen Tempel des Neptunus.
So füllte sich Rom mit Siegesdenkmälern, welche zu¬ gleich die ersten Sammlungen griechischer Antiken waren und bald zu den größten Merkwürdigkeiten der Stadt gehörten. Es waren auch Tempelmuseen, Denkmäler zu Ehren des Staats und seiner Götter; sie wurden aber, je mehr zu Ende der Republik die einzelnen Persönlichkeiten als solche hervortraten, Denkmäler des persönlichen Ehrgeizes. Man sprach von den
Kunſtſammlungen, ihre Geſchichte und ihre Beſtimmung.
und ihre Geſchichte zu ergänzen. Wie anders war das Ver¬ hältniß der Römer zu Griechenland!
Von Hauſe aus den Griechen verwandt und ebenbürtig, hatten ſie eine reiche Geſchichte hinter ſich und kamen als Sieger in die Städte der Griechen, um an Stelle der er¬ ſchöpften Kleinſtaaten den Seefrieden zu hüten und den herren¬ los gewordenen Orient zu regieren.
Indeſſen traten die Herren der Welt den griechiſchen Kunſtwerken mit einer merkwürdigen Unentſchloſſenheit gegen¬ über; ſie ſchwankten, ob ſie dieſelben als gewöhnliches Beute¬ gut behandeln ſollten, oder ob ſie darin die Götter achten müßten, die gemeinſam verehrten, in deren Dienſte die Werke entſtanden ſeien. Die prieſterlichen Behörden wurden gefragt, wie man Heiliges von Profanem unterſcheiden ſolle, und ſchlie߬ lich wurden die Bedenken ſo überwunden, daß man das den Göttern Genommene andern Göttern wiedergab und nament¬ lich denjenigen, welchen man vor dem Auszuge oder am Tage der Entſcheidung eine Stiftung gelobt hatte.
So behielt Marcellus, welcher über die erſte Griechen¬ ſtadt triumphirt hatte, nur einen Himmelsglobus für ſich und weihte alles Andere, was er aus Syrakus gewonnen, den Gottheiten Honor und Virtus, welchen er vor dem Thore, das nach Sicilien führte, ein Heiligthum baute. M. Fulvius weihte nach Beſiegung der Aetoler ein Heiligthum dem Her¬ kules und den Muſen, Andere Heiligthümer der Fortuna. C. Soſius, der als Legat des Antonius in Syrien gekämpft hatte, baute einen Apollotempel, Cn. Domitius, der den Schif¬ fen ſein Glück verdankte, um dieſelbe Zeit einen Tempel des Neptunus.
So füllte ſich Rom mit Siegesdenkmälern, welche zu¬ gleich die erſten Sammlungen griechiſcher Antiken waren und bald zu den größten Merkwürdigkeiten der Stadt gehörten. Es waren auch Tempelmuſeen, Denkmäler zu Ehren des Staats und ſeiner Götter; ſie wurden aber, je mehr zu Ende der Republik die einzelnen Perſönlichkeiten als ſolche hervortraten, Denkmäler des perſönlichen Ehrgeizes. Man ſprach von den
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Kunſtſammlungen, ihre Geſchichte und ihre Beſtimmung.
und ihre Geſchichte zu ergänzen. Wie anders war das Ver¬
hältniß der Römer zu Griechenland!
Von Hauſe aus den Griechen verwandt und ebenbürtig,
hatten ſie eine reiche Geſchichte hinter ſich und kamen als
Sieger in die Städte der Griechen, um an Stelle der er¬
ſchöpften Kleinſtaaten den Seefrieden zu hüten und den herren¬
los gewordenen Orient zu regieren.
Indeſſen traten die Herren der Welt den griechiſchen
Kunſtwerken mit einer merkwürdigen Unentſchloſſenheit gegen¬
über; ſie ſchwankten, ob ſie dieſelben als gewöhnliches Beute¬
gut behandeln ſollten, oder ob ſie darin die Götter achten
müßten, die gemeinſam verehrten, in deren Dienſte die Werke
entſtanden ſeien. Die prieſterlichen Behörden wurden gefragt,
wie man Heiliges von Profanem unterſcheiden ſolle, und ſchlie߬
lich wurden die Bedenken ſo überwunden, daß man das den
Göttern Genommene andern Göttern wiedergab und nament¬
lich denjenigen, welchen man vor dem Auszuge oder am Tage
der Entſcheidung eine Stiftung gelobt hatte.
So behielt Marcellus, welcher über die erſte Griechen¬
ſtadt triumphirt hatte, nur einen Himmelsglobus für ſich und
weihte alles Andere, was er aus Syrakus gewonnen, den
Gottheiten Honor und Virtus, welchen er vor dem Thore,
das nach Sicilien führte, ein Heiligthum baute. M. Fulvius
weihte nach Beſiegung der Aetoler ein Heiligthum dem Her¬
kules und den Muſen, Andere Heiligthümer der Fortuna.
C. Soſius, der als Legat des Antonius in Syrien gekämpft
hatte, baute einen Apollotempel, Cn. Domitius, der den Schif¬
fen ſein Glück verdankte, um dieſelbe Zeit einen Tempel des
Neptunus.
So füllte ſich Rom mit Siegesdenkmälern, welche zu¬
gleich die erſten Sammlungen griechiſcher Antiken waren und
bald zu den größten Merkwürdigkeiten der Stadt gehörten.
Es waren auch Tempelmuſeen, Denkmäler zu Ehren des Staats
und ſeiner Götter; ſie wurden aber, je mehr zu Ende der
Republik die einzelnen Perſönlichkeiten als ſolche hervortraten,
Denkmäler des perſönlichen Ehrgeizes. Man ſprach von den
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Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/curtius_alterthum01_1875/117>, abgerufen am 15.06.2024.
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