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Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915.

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höchstseelige König sähe mich an, damit machte ich mein demütig Kompliment.

Ich fragte nach etlichen Tagen in der Lehens-Kanzlei nach. Aber es war noch nicht ausgefertiget. Nach etlichen Tagen sahe ich wieder zu. Da war es fertig und zwar so schön, als ich's selbst nicht verlanget: daß ich eine Barbierstube in Halle mit allen Recht und Gerechtigkeiten gleich denen andern und vorigen Hofbarbieren exercieren, Jungen lehren und Gesellen fördern sollte. - Dies Patent mußte ich vor dreizehen Thaler bezahlen und noch ein Reskript an'n Rath vor einen Thaler funfzehen Groschen, vermöge dessen alles Ernstes befohlen: mich dabei zu schützen und, meinem Selbst-Erbieten nach, aufm Rathaus, in pleno, mit Zufordern der Barbierer und zweier Doctores, examinieren zu lassen.

Damit nahm ich meinen Abschied und reisete just den Weihnachts-Heilig-Abend nach Halle. Gleich wie ich die Straße hinunter nach meinem Vater gehen wollte, trug man mir eine Leiche entgegen. Da ich fragete, erfuhr ich: daß es der Barbier Herr Watzlau wäre. Und hatte ich wenig drauf gedacht, daß das meine Frau werden sollte.

Ich kam zu meinem Vater ins Haus und war erstlich Freude. Sie wurden's aber bald satt, daß ich mich einmiethet' am Sau-Markt in der Banlrosen ihrem Haus, jährlich vor zweiunddreißig Thaler, vor eine Stube und Kammer soviel bezahlen mußte!

Indeß wohnete ich etliche Wochen bei dem Vater und sollicitierte fleißig beim Rath, das Examen vorzunehmen. Der Rath ließ die Barbierer wohl drei-, viermal dazu fordern. Aber sie kamen nicht. Und das war eine große faute von ihnen. Und wär besser gewesen, wann sie mich mit examinieret und solche Dinge gefraget, die ich nicht wohl beantworten können. Denn das ist möglich, daß

höchstseelige König sähe mich an, damit machte ich mein demütig Kompliment.

Ich fragte nach etlichen Tagen in der Lehens-Kanzlei nach. Aber es war noch nicht ausgefertiget. Nach etlichen Tagen sahe ich wieder zu. Da war es fertig und zwar so schön, als ich’s selbst nicht verlanget: daß ich eine Barbierstube in Halle mit allen Recht und Gerechtigkeiten gleich denen andern und vorigen Hofbarbieren exercieren, Jungen lehren und Gesellen fördern sollte. – Dies Patent mußte ich vor dreizehen Thaler bezahlen und noch ein Reskript an’n Rath vor einen Thaler funfzehen Groschen, vermöge dessen alles Ernstes befohlen: mich dabei zu schützen und, meinem Selbst-Erbieten nach, aufm Rathaus, in pleno, mit Zufordern der Barbierer und zweier Doctores, examinieren zu lassen.

Damit nahm ich meinen Abschied und reisete just den Weihnachts-Heilig-Abend nach Halle. Gleich wie ich die Straße hinunter nach meinem Vater gehen wollte, trug man mir eine Leiche entgegen. Da ich fragete, erfuhr ich: daß es der Barbier Herr Watzlau wäre. Und hatte ich wenig drauf gedacht, daß das meine Frau werden sollte.

Ich kam zu meinem Vater ins Haus und war erstlich Freude. Sie wurden’s aber bald satt, daß ich mich einmiethet’ am Sau-Markt in der Banlrosen ihrem Haus, jährlich vor zweiunddreißig Thaler, vor eine Stube und Kammer soviel bezahlen mußte!

Indeß wohnete ich etliche Wochen bei dem Vater und sollicitierte fleißig beim Rath, das Examen vorzunehmen. Der Rath ließ die Barbierer wohl drei-, viermal dazu fordern. Aber sie kamen nicht. Und das war eine große faute von ihnen. Und wär besser gewesen, wann sie mich mit examinieret und solche Dinge gefraget, die ich nicht wohl beantworten können. Denn das ist möglich, daß

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Zitationshilfe: Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915/222>, abgerufen am 30.04.2024.