Geringe Benutzbarkeit in der damaligen Lage der Wissenschaft.
das proportionale Verhältniß der Geschwindigkeit dieser ihrer Fallbewegung zu ihrer Masse als Voraussetzungen für die Er- klärung des Kosmos betrachtet, demnach eine. zusammenhängende mechanische Ansicht entworfen: dann erscheinen die von ihm be- nutzten Erklärungsgründe als ganz unzureichend; das Mißver- hältniß dieser Theorie zu der Erklärung des gedankenmäßig ge- ordneten Kosmos konnte in diesem Falle doch kaum etwas Anderes als Lächeln in der mathematischen Schule Platos hervorrufen. Schon die Bahn eines geworfenen Körpers konnte zeigen, wie vorübergehend die Wirkung der einzelnen Anstöße von einander treffenden Atomen gegenüber der beständig abwärts ziehenden Schwere sei.
Jedoch ist diese Auffassung der Nachrichten über Demokrit kaum haltbar. Demokrit blieb dabei stehen, die ewige Bewegung der Atome im leeren Raume sei durch ihre Beziehung zu diesem bedingt. Den ersten Bewegungszustand dachte er als eine kreisende Bewegung aller Atome, als dinos. In diesem Dinos stoßen die Atome aneinander, verbinden sich und aus ihrer Anhäufung bildet sich ein Kosmos, der dann schließlich durch einen aus mächtigeren Massen bestehenden zertrümmert wird. Wo nun eine einzelne Atomverbindung entsteht, existirt innerhalb derselben ein bestimmtes quantitatives Verhältniß der Atommasse zu dem in der Verbindung enthaltenen leeren Raume; hierdurch ist die Ver- schiedenheit des Gewichts bei gleicher Größe bedingt, das Auf- steigen der einen Atomverbindungen, das Fallen der anderen von oben nach unten, und zwar mit entsprechend verschiedener Ge- schwindigkeit. Die Unbestimmtheit und Fehlerhaftigkeit dieser Grund- vorstellungen mußte eine solche Bewegung der Atome als ganz werthlos für die Welterklärung erscheinen lassen.
Nicht anders verhält es sich auf dem biologischen Gebiet, auf welchem ein originaler Fortschritt Demokrit's in Bezug auf Naturerkenntniß noch aus den Quellen erkennbar ist: ist hier doch Demokrit augenscheinlich der einzige namhafte Vorgänger des Ari- stoteles. Soviel der hier noch so ungesichtete Zustand der Frag- mente und Nachrichten erkennen läßt, bestand das Verdienst Demo-
Geringe Benutzbarkeit in der damaligen Lage der Wiſſenſchaft.
das proportionale Verhältniß der Geſchwindigkeit dieſer ihrer Fallbewegung zu ihrer Maſſe als Vorausſetzungen für die Er- klärung des Kosmos betrachtet, demnach eine. zuſammenhängende mechaniſche Anſicht entworfen: dann erſcheinen die von ihm be- nutzten Erklärungsgründe als ganz unzureichend; das Mißver- hältniß dieſer Theorie zu der Erklärung des gedankenmäßig ge- ordneten Kosmos konnte in dieſem Falle doch kaum etwas Anderes als Lächeln in der mathematiſchen Schule Platos hervorrufen. Schon die Bahn eines geworfenen Körpers konnte zeigen, wie vorübergehend die Wirkung der einzelnen Anſtöße von einander treffenden Atomen gegenüber der beſtändig abwärts ziehenden Schwere ſei.
Jedoch iſt dieſe Auffaſſung der Nachrichten über Demokrit kaum haltbar. Demokrit blieb dabei ſtehen, die ewige Bewegung der Atome im leeren Raume ſei durch ihre Beziehung zu dieſem bedingt. Den erſten Bewegungszuſtand dachte er als eine kreiſende Bewegung aller Atome, als δῖνος. In dieſem Dinos ſtoßen die Atome aneinander, verbinden ſich und aus ihrer Anhäufung bildet ſich ein Kosmos, der dann ſchließlich durch einen aus mächtigeren Maſſen beſtehenden zertrümmert wird. Wo nun eine einzelne Atomverbindung entſteht, exiſtirt innerhalb derſelben ein beſtimmtes quantitatives Verhältniß der Atommaſſe zu dem in der Verbindung enthaltenen leeren Raume; hierdurch iſt die Ver- ſchiedenheit des Gewichts bei gleicher Größe bedingt, das Auf- ſteigen der einen Atomverbindungen, das Fallen der anderen von oben nach unten, und zwar mit entſprechend verſchiedener Ge- ſchwindigkeit. Die Unbeſtimmtheit und Fehlerhaftigkeit dieſer Grund- vorſtellungen mußte eine ſolche Bewegung der Atome als ganz werthlos für die Welterklärung erſcheinen laſſen.
Nicht anders verhält es ſich auf dem biologiſchen Gebiet, auf welchem ein originaler Fortſchritt Demokrit’s in Bezug auf Naturerkenntniß noch aus den Quellen erkennbar iſt: iſt hier doch Demokrit augenſcheinlich der einzige namhafte Vorgänger des Ari- ſtoteles. Soviel der hier noch ſo ungeſichtete Zuſtand der Frag- mente und Nachrichten erkennen läßt, beſtand das Verdienſt Demo-
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Geringe Benutzbarkeit in der damaligen Lage der Wiſſenſchaft.
das proportionale Verhältniß der Geſchwindigkeit dieſer ihrer
Fallbewegung zu ihrer Maſſe als Vorausſetzungen für die Er-
klärung des Kosmos betrachtet, demnach eine. zuſammenhängende
mechaniſche Anſicht entworfen: dann erſcheinen die von ihm be-
nutzten Erklärungsgründe als ganz unzureichend; das Mißver-
hältniß dieſer Theorie zu der Erklärung des gedankenmäßig ge-
ordneten Kosmos konnte in dieſem Falle doch kaum etwas Anderes
als Lächeln in der mathematiſchen Schule Platos hervorrufen.
Schon die Bahn eines geworfenen Körpers konnte zeigen, wie
vorübergehend die Wirkung der einzelnen Anſtöße von einander
treffenden Atomen gegenüber der beſtändig abwärts ziehenden
Schwere ſei.
Jedoch iſt dieſe Auffaſſung der Nachrichten über Demokrit
kaum haltbar. Demokrit blieb dabei ſtehen, die ewige Bewegung
der Atome im leeren Raume ſei durch ihre Beziehung zu dieſem
bedingt. Den erſten Bewegungszuſtand dachte er als eine kreiſende
Bewegung aller Atome, als δῖνος. In dieſem Dinos ſtoßen die
Atome aneinander, verbinden ſich und aus ihrer Anhäufung
bildet ſich ein Kosmos, der dann ſchließlich durch einen aus
mächtigeren Maſſen beſtehenden zertrümmert wird. Wo nun eine
einzelne Atomverbindung entſteht, exiſtirt innerhalb derſelben ein
beſtimmtes quantitatives Verhältniß der Atommaſſe zu dem in
der Verbindung enthaltenen leeren Raume; hierdurch iſt die Ver-
ſchiedenheit des Gewichts bei gleicher Größe bedingt, das Auf-
ſteigen der einen Atomverbindungen, das Fallen der anderen von
oben nach unten, und zwar mit entſprechend verſchiedener Ge-
ſchwindigkeit. Die Unbeſtimmtheit und Fehlerhaftigkeit dieſer Grund-
vorſtellungen mußte eine ſolche Bewegung der Atome als ganz
werthlos für die Welterklärung erſcheinen laſſen.
Nicht anders verhält es ſich auf dem biologiſchen Gebiet,
auf welchem ein originaler Fortſchritt Demokrit’s in Bezug auf
Naturerkenntniß noch aus den Quellen erkennbar iſt: iſt hier doch
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Dilthey, Wilhelm: Einleitung in die Geisteswissenschaften. Versuch einer Grundlegung für das Studium der Gesellschaft und der Geschichte. Bd. 1. Leipzig, 1883, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dilthey_geisteswissenschaften_1883/238>, abgerufen am 15.06.2024.
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