Eschstruth, Nataly von: Katz' und Maus. Berlin, 1886."Ich bin ja die Katze, das Mäuslein seid Ihr,
Und soll Euch mein Auge, mein Blick fangen ein, So ist's von nöthen, Ihr schaut oft hinein! Doch laßt uns nicht plaudern in nutzlosem Streit, Erst will ich Euch helfen, gern bin ich bereit, Will bauen Euch, Fräulein, die luftige Brück', Euch leiten zum sicheren Wege zurück." Und eilig tritt er zur Seite hierauf Und hebt vom Gerölle den Fichtenstamm auf, Haut mit dem Schwert eine Narbe hinein, Zu seh'n, ob er morsch schon, oft trüget der Schein. Dann klimmt er zur Seite die Felsschlucht hinan, Fällt mit dem Schwerte zwei Stämmchen im Tann, Schleift sie zum Erdspalt; quer drüber gestreckt, Haben sie trefflich den Abgrund gedeckt, Nun drüber den Ast noch, moosig und breit, Gar schnell durch die Klinge von Zweigen befreit, Wie im Spiele so müh'los der Ritter schafft, Das Urbild gewaltiger, männlicher Kraft, Und Nella, zwar will sie sich's selbst nicht gesteh'n, Sie hat mit Bewundrung ihm zugeseh'n. Er setzet den Fuß auf die schwankende Brück', Geht prüfend herüber und wieder zurück. "Nun, Jungfräulein, wagt es, das Steglein ist gut," Ruft er vergnüglich, "versucht's, fasset Muth!" Doch Nella setzt angstvoll das Füßchen darauf, Da knistert und schwankt es, und leis schreit sie auf Und flüchtet zurück sich -- "O nein, nimmermehr! Die Stämme zerbrechen, ich laste zu schwer!" Da lacht er und schüttelt ermuth'gend das Haupt: "Die tragen wohl zehnmal so viel, als Ihr glaubt, „Ich bin ja die Katze, das Mäuslein ſeid Ihr,
Und ſoll Euch mein Auge, mein Blick fangen ein, So iſt's von nöthen, Ihr ſchaut oft hinein! Doch laßt uns nicht plaudern in nutzloſem Streit, Erſt will ich Euch helfen, gern bin ich bereit, Will bauen Euch, Fräulein, die luftige Brück', Euch leiten zum ſicheren Wege zurück.“ Und eilig tritt er zur Seite hierauf Und hebt vom Gerölle den Fichtenſtamm auf, Haut mit dem Schwert eine Narbe hinein, Zu ſeh'n, ob er morſch ſchon, oft trüget der Schein. Dann klimmt er zur Seite die Felsſchlucht hinan, Fällt mit dem Schwerte zwei Stämmchen im Tann, Schleift ſie zum Erdſpalt; quer drüber geſtreckt, Haben ſie trefflich den Abgrund gedeckt, Nun drüber den Aſt noch, mooſig und breit, Gar ſchnell durch die Klinge von Zweigen befreit, Wie im Spiele ſo müh'los der Ritter ſchafft, Das Urbild gewaltiger, männlicher Kraft, Und Nella, zwar will ſie ſich's ſelbſt nicht geſteh'n, Sie hat mit Bewundrung ihm zugeſeh'n. Er ſetzet den Fuß auf die ſchwankende Brück', Geht prüfend herüber und wieder zurück. „Nun, Jungfräulein, wagt es, das Steglein iſt gut,“ Ruft er vergnüglich, „verſucht's, faſſet Muth!“ Doch Nella ſetzt angſtvoll das Füßchen darauf, Da kniſtert und ſchwankt es, und leis ſchreit ſie auf Und flüchtet zurück ſich — „O nein, nimmermehr! Die Stämme zerbrechen, ich laſte zu ſchwer!“ Da lacht er und ſchüttelt ermuth'gend das Haupt: „Die tragen wohl zehnmal ſo viel, als Ihr glaubt, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0139" n="125"/> <lg n="7"> <l>„Ich bin ja die Katze, das Mäuslein ſeid Ihr,</l><lb/> <l>Und ſoll Euch mein Auge, mein Blick fangen ein,</l><lb/> <l>So iſt's von nöthen, Ihr ſchaut oft hinein!</l><lb/> <l>Doch laßt uns nicht plaudern in nutzloſem Streit,</l><lb/> <l>Erſt will ich Euch helfen, gern bin ich bereit,</l><lb/> <l>Will bauen Euch, Fräulein, die luftige Brück',</l><lb/> <l>Euch leiten zum ſicheren Wege zurück.“</l><lb/> <l>Und eilig tritt er zur Seite hierauf</l><lb/> <l>Und hebt vom Gerölle den Fichtenſtamm auf,</l><lb/> <l>Haut mit dem Schwert eine Narbe hinein,</l><lb/> <l>Zu ſeh'n, ob er morſch ſchon, oft trüget der Schein.</l><lb/> <l>Dann klimmt er zur Seite die Felsſchlucht hinan,</l><lb/> <l>Fällt mit dem Schwerte zwei Stämmchen im Tann,</l><lb/> <l>Schleift ſie zum Erdſpalt; quer drüber geſtreckt,</l><lb/> <l>Haben ſie trefflich den Abgrund gedeckt,</l><lb/> <l>Nun drüber den Aſt noch, mooſig und breit,</l><lb/> <l>Gar ſchnell durch die Klinge von Zweigen befreit,</l><lb/> <l>Wie im Spiele ſo müh'los der Ritter ſchafft,</l><lb/> <l>Das Urbild gewaltiger, männlicher Kraft,</l><lb/> <l>Und Nella, zwar will ſie ſich's ſelbſt nicht geſteh'n,</l><lb/> <l>Sie hat mit Bewundrung ihm zugeſeh'n.</l><lb/> <l>Er ſetzet den Fuß auf die ſchwankende Brück',</l><lb/> <l>Geht prüfend herüber und wieder zurück.</l><lb/> <l>„Nun, Jungfräulein, wagt es, das Steglein iſt gut,“</l><lb/> <l>Ruft er vergnüglich, „verſucht's, faſſet Muth!“</l><lb/> <l>Doch Nella ſetzt angſtvoll das Füßchen darauf,</l><lb/> <l>Da kniſtert und ſchwankt es, und leis ſchreit ſie auf</l><lb/> <l>Und flüchtet zurück ſich — „O nein, nimmermehr!</l><lb/> <l>Die Stämme zerbrechen, ich laſte zu ſchwer!“</l><lb/> <l>Da lacht er und ſchüttelt ermuth'gend das Haupt:</l><lb/> <l>„Die tragen wohl zehnmal ſo viel, als Ihr glaubt,</l><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [125/0139]
„Ich bin ja die Katze, das Mäuslein ſeid Ihr,
Und ſoll Euch mein Auge, mein Blick fangen ein,
So iſt's von nöthen, Ihr ſchaut oft hinein!
Doch laßt uns nicht plaudern in nutzloſem Streit,
Erſt will ich Euch helfen, gern bin ich bereit,
Will bauen Euch, Fräulein, die luftige Brück',
Euch leiten zum ſicheren Wege zurück.“
Und eilig tritt er zur Seite hierauf
Und hebt vom Gerölle den Fichtenſtamm auf,
Haut mit dem Schwert eine Narbe hinein,
Zu ſeh'n, ob er morſch ſchon, oft trüget der Schein.
Dann klimmt er zur Seite die Felsſchlucht hinan,
Fällt mit dem Schwerte zwei Stämmchen im Tann,
Schleift ſie zum Erdſpalt; quer drüber geſtreckt,
Haben ſie trefflich den Abgrund gedeckt,
Nun drüber den Aſt noch, mooſig und breit,
Gar ſchnell durch die Klinge von Zweigen befreit,
Wie im Spiele ſo müh'los der Ritter ſchafft,
Das Urbild gewaltiger, männlicher Kraft,
Und Nella, zwar will ſie ſich's ſelbſt nicht geſteh'n,
Sie hat mit Bewundrung ihm zugeſeh'n.
Er ſetzet den Fuß auf die ſchwankende Brück',
Geht prüfend herüber und wieder zurück.
„Nun, Jungfräulein, wagt es, das Steglein iſt gut,“
Ruft er vergnüglich, „verſucht's, faſſet Muth!“
Doch Nella ſetzt angſtvoll das Füßchen darauf,
Da kniſtert und ſchwankt es, und leis ſchreit ſie auf
Und flüchtet zurück ſich — „O nein, nimmermehr!
Die Stämme zerbrechen, ich laſte zu ſchwer!“
Da lacht er und ſchüttelt ermuth'gend das Haupt:
„Die tragen wohl zehnmal ſo viel, als Ihr glaubt,
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