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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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II. Das Mittelalter.
galois eine edle Jungfrau einen Gürtel, "das war eine Borte mit
edlen Steinen geschmückt, groß und nicht zu klein, die Rinke war
aus einem Smaragd, grün wie Gras, gegraben; darauf war von
Gold ein Adler in erhabener Arbeit mit schönem, hartem Schmelz.
Die Spängel waren goldene Thiere, dazwischen weiße Perlen."
Im Allgemeinen war der Gürtel schmäler geworden und es wird
diese Eigenschaft öfter bemerkt; auch die Bilder geben das zu er-
kennen. Dagegen trägt Ulrich von Liechtenstein als Frau Venus
einen Gürtel, welcher drei Finger breit ist. An dem einen Ende
befand sich immer ein Ring oder eine Schnalle, durch welche das
andere so gezogen wurde, daß es vorn noch mit ziemlicher Länge
herabhing. So trugen den Gürtel damals auch die Ritter.

Die große Bedeutung des Gürtels tritt uns in Lied und
Sage vielfach entgegen. Bekannt ist der symbolische Sinn, den
er für die Frau schon damals hatte, wie noch in der Schillerschen
Glocke. Dann verknüpfte sich mit ihm der Glaube an besondere
Wunderkräfte, die auch im Einzelnen den an ihm befestigten Stei-
nen zugeschrieben wurden. So liegt in dem eben aus dem Wiga-
lois erwähnten Gürtel ein Rubin, der benahm der Trägerin mit
süßem Schein ihr Ungemach, wenn ein Leid ihr Gemüth trübte.
In demselben Gedicht erhält die Königin Ginovra von einem
fremden unbekannten Ritter einen Wundergürtel: als sie densel-
ben umlegte, hatte sie alsobald Weisheit und Stärke, kein Leid
trübte sie, die Sprachen kannte sie alle wohl, ihr Herz ward der
Freuden voll; welches Spiel man anfing, sie glaubte, daß sie es
könnte; keine Kunst mangelte ihr. Und wie sie ihn wieder dem
Ritter zurückgiebt, da besiegt derselbe durch des Gürtels Kraft
alle Ritter der Tafelrunde. Am ausführlichsten wird ein solcher
Gürtel geschildert in einem Gedicht des Dietrich von Glatz. Die-
ser goldbeschlagene Gürtel trägt funfzig oder mehr Edelsteine,
davon ist ein Theil über die See gekommen, ein Theil aus Ma-
rokko, einen Theil brachten die Mohren von Indien und das
Volk von Syrien über des Meeres Flut, Chrysoprassen und
Onyxe und Chrysolithen; besondere Kraft aber hatte ein Stein,
der theils wolkenfarben, theils dunkelroth war. Wer den Gürtel

II. Das Mittelalter.
galois eine edle Jungfrau einen Gürtel, „das war eine Borte mit
edlen Steinen geſchmückt, groß und nicht zu klein, die Rinke war
aus einem Smaragd, grün wie Gras, gegraben; darauf war von
Gold ein Adler in erhabener Arbeit mit ſchönem, hartem Schmelz.
Die Spängel waren goldene Thiere, dazwiſchen weiße Perlen.“
Im Allgemeinen war der Gürtel ſchmäler geworden und es wird
dieſe Eigenſchaft öfter bemerkt; auch die Bilder geben das zu er-
kennen. Dagegen trägt Ulrich von Liechtenſtein als Frau Venus
einen Gürtel, welcher drei Finger breit iſt. An dem einen Ende
befand ſich immer ein Ring oder eine Schnalle, durch welche das
andere ſo gezogen wurde, daß es vorn noch mit ziemlicher Länge
herabhing. So trugen den Gürtel damals auch die Ritter.

Die große Bedeutung des Gürtels tritt uns in Lied und
Sage vielfach entgegen. Bekannt iſt der ſymboliſche Sinn, den
er für die Frau ſchon damals hatte, wie noch in der Schillerſchen
Glocke. Dann verknüpfte ſich mit ihm der Glaube an beſondere
Wunderkräfte, die auch im Einzelnen den an ihm befeſtigten Stei-
nen zugeſchrieben wurden. So liegt in dem eben aus dem Wiga-
lois erwähnten Gürtel ein Rubin, der benahm der Trägerin mit
ſüßem Schein ihr Ungemach, wenn ein Leid ihr Gemüth trübte.
In demſelben Gedicht erhält die Königin Ginovra von einem
fremden unbekannten Ritter einen Wundergürtel: als ſie denſel-
ben umlegte, hatte ſie alſobald Weisheit und Stärke, kein Leid
trübte ſie, die Sprachen kannte ſie alle wohl, ihr Herz ward der
Freuden voll; welches Spiel man anfing, ſie glaubte, daß ſie es
könnte; keine Kunſt mangelte ihr. Und wie ſie ihn wieder dem
Ritter zurückgiebt, da beſiegt derſelbe durch des Gürtels Kraft
alle Ritter der Tafelrunde. Am ausführlichſten wird ein ſolcher
Gürtel geſchildert in einem Gedicht des Dietrich von Glatz. Die-
ſer goldbeſchlagene Gürtel trägt funfzig oder mehr Edelſteine,
davon iſt ein Theil über die See gekommen, ein Theil aus Ma-
rokko, einen Theil brachten die Mohren von Indien und das
Volk von Syrien über des Meeres Flut, Chryſopraſſen und
Onyxe und Chryſolithen; beſondere Kraft aber hatte ein Stein,
der theils wolkenfarben, theils dunkelroth war. Wer den Gürtel

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[114/0132] II. Das Mittelalter. galois eine edle Jungfrau einen Gürtel, „das war eine Borte mit edlen Steinen geſchmückt, groß und nicht zu klein, die Rinke war aus einem Smaragd, grün wie Gras, gegraben; darauf war von Gold ein Adler in erhabener Arbeit mit ſchönem, hartem Schmelz. Die Spängel waren goldene Thiere, dazwiſchen weiße Perlen.“ Im Allgemeinen war der Gürtel ſchmäler geworden und es wird dieſe Eigenſchaft öfter bemerkt; auch die Bilder geben das zu er- kennen. Dagegen trägt Ulrich von Liechtenſtein als Frau Venus einen Gürtel, welcher drei Finger breit iſt. An dem einen Ende befand ſich immer ein Ring oder eine Schnalle, durch welche das andere ſo gezogen wurde, daß es vorn noch mit ziemlicher Länge herabhing. So trugen den Gürtel damals auch die Ritter. Die große Bedeutung des Gürtels tritt uns in Lied und Sage vielfach entgegen. Bekannt iſt der ſymboliſche Sinn, den er für die Frau ſchon damals hatte, wie noch in der Schillerſchen Glocke. Dann verknüpfte ſich mit ihm der Glaube an beſondere Wunderkräfte, die auch im Einzelnen den an ihm befeſtigten Stei- nen zugeſchrieben wurden. So liegt in dem eben aus dem Wiga- lois erwähnten Gürtel ein Rubin, der benahm der Trägerin mit ſüßem Schein ihr Ungemach, wenn ein Leid ihr Gemüth trübte. In demſelben Gedicht erhält die Königin Ginovra von einem fremden unbekannten Ritter einen Wundergürtel: als ſie denſel- ben umlegte, hatte ſie alſobald Weisheit und Stärke, kein Leid trübte ſie, die Sprachen kannte ſie alle wohl, ihr Herz ward der Freuden voll; welches Spiel man anfing, ſie glaubte, daß ſie es könnte; keine Kunſt mangelte ihr. Und wie ſie ihn wieder dem Ritter zurückgiebt, da beſiegt derſelbe durch des Gürtels Kraft alle Ritter der Tafelrunde. Am ausführlichſten wird ein ſolcher Gürtel geſchildert in einem Gedicht des Dietrich von Glatz. Die- ſer goldbeſchlagene Gürtel trägt funfzig oder mehr Edelſteine, davon iſt ein Theil über die See gekommen, ein Theil aus Ma- rokko, einen Theil brachten die Mohren von Indien und das Volk von Syrien über des Meeres Flut, Chryſopraſſen und Onyxe und Chryſolithen; beſondere Kraft aber hatte ein Stein, der theils wolkenfarben, theils dunkelroth war. Wer den Gürtel

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/132>, abgerufen am 26.05.2024.