solchen Kürze, daß beide einander nicht genirten; am Kinn je- doch ließ er ihm gern eine etwas längere Spitze, und namentlich liebte er dazu einen starken Schnurrbart, dem er auch freieres Wachsthum gestattete, ohne ihn gleich, wie es am Schluß des Jahrhunderts Mode wurde, mit den Spitzen in die Höhe zu drehen.
Zu dieser gezierten Toilette des Kopfes paßt nicht das leichte Barett, sondern nur der Hut. Jenes war in Spanien gar nicht zur Ausbildung gekommen; es hatte gleich der Aufschlitzung nur den Anfang gemacht und dann sofort dem Hut wieder weichen oder selbst zu einer ähnlichen festen Form sich crystallisiren müs- sen. Während in Deutschland der Hut bis zum Bauer herabge- drückt war, behauptete er sich in Spanien grade auf den höchsten und stolzesten Köpfen; nur im Volk, wohin die Bewegung so gut wie gar nicht gedrungen war, erinnerten noch mancherlei Kopfbedeckungen an das funfzehnte Jahrhundert. Der Hut war steif und ähnelte häufig moderner Form; der Kopf erhebt sich sehr hoch, und der Rand schwindet allmählig zu unscheinbarer Schmalheit zusammen. Das Barett, wo es getragen wird, steigt aus seiner Flachheit zu ganz ähnlicher Gestalt und Höhe mit gleichem Rande empor: es pflegt dann von Seide zu sein, welche mit feingelegten Falten über ein Drahtgestell gespannt zu sein scheint. In der Farbe ist es gewöhnlich dunkel, gleich dem Hut, meistens braun.
Für den Spanier ist der Mantel so charakteristisch, wie für den Deutschen der breite Ueberwurf, die pelzgefütterte Schaube; jener knüpft damit auch direkter an das funfzehnte Jahrhundert an, wo wir das kurze Mäntelchen bei der Jugend mehrfach vorfanden. "Das Mäntelchen von starrer Seide", auf die linke Schulter gelegt und kaum den Rücken deckend, so ist es ein Stück der eleganten Kleidung; dann war es auch gern hell- farbig, anders oben und anders das Futter, und mit Sammet- streifen, wenn nicht mit kostbarerem Schmuck von Edelsteinen und Perlen ringsum besetzt. Für gewöhnlich wurde es weiter und länger getragen, daß es sich bequem von einer Schulter auf die andere schlagen ließ.
2. Die Reaction und die ſpaniſche Tracht.
ſolchen Kürze, daß beide einander nicht genirten; am Kinn je- doch ließ er ihm gern eine etwas längere Spitze, und namentlich liebte er dazu einen ſtarken Schnurrbart, dem er auch freieres Wachsthum geſtattete, ohne ihn gleich, wie es am Schluß des Jahrhunderts Mode wurde, mit den Spitzen in die Höhe zu drehen.
Zu dieſer gezierten Toilette des Kopfes paßt nicht das leichte Barett, ſondern nur der Hut. Jenes war in Spanien gar nicht zur Ausbildung gekommen; es hatte gleich der Aufſchlitzung nur den Anfang gemacht und dann ſofort dem Hut wieder weichen oder ſelbſt zu einer ähnlichen feſten Form ſich cryſtalliſiren müſ- ſen. Während in Deutſchland der Hut bis zum Bauer herabge- drückt war, behauptete er ſich in Spanien grade auf den höchſten und ſtolzeſten Köpfen; nur im Volk, wohin die Bewegung ſo gut wie gar nicht gedrungen war, erinnerten noch mancherlei Kopfbedeckungen an das funfzehnte Jahrhundert. Der Hut war ſteif und ähnelte häufig moderner Form; der Kopf erhebt ſich ſehr hoch, und der Rand ſchwindet allmählig zu unſcheinbarer Schmalheit zuſammen. Das Barett, wo es getragen wird, ſteigt aus ſeiner Flachheit zu ganz ähnlicher Geſtalt und Höhe mit gleichem Rande empor: es pflegt dann von Seide zu ſein, welche mit feingelegten Falten über ein Drahtgeſtell geſpannt zu ſein ſcheint. In der Farbe iſt es gewöhnlich dunkel, gleich dem Hut, meiſtens braun.
Für den Spanier iſt der Mantel ſo charakteriſtiſch, wie für den Deutſchen der breite Ueberwurf, die pelzgefütterte Schaube; jener knüpft damit auch direkter an das funfzehnte Jahrhundert an, wo wir das kurze Mäntelchen bei der Jugend mehrfach vorfanden. „Das Mäntelchen von ſtarrer Seide“, auf die linke Schulter gelegt und kaum den Rücken deckend, ſo iſt es ein Stück der eleganten Kleidung; dann war es auch gern hell- farbig, anders oben und anders das Futter, und mit Sammet- ſtreifen, wenn nicht mit koſtbarerem Schmuck von Edelſteinen und Perlen ringsum beſetzt. Für gewöhnlich wurde es weiter und länger getragen, daß es ſich bequem von einer Schulter auf die andere ſchlagen ließ.
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2. Die Reaction und die ſpaniſche Tracht.
ſolchen Kürze, daß beide einander nicht genirten; am Kinn je-
doch ließ er ihm gern eine etwas längere Spitze, und namentlich
liebte er dazu einen ſtarken Schnurrbart, dem er auch freieres
Wachsthum geſtattete, ohne ihn gleich, wie es am Schluß des
Jahrhunderts Mode wurde, mit den Spitzen in die Höhe zu drehen.
Zu dieſer gezierten Toilette des Kopfes paßt nicht das leichte
Barett, ſondern nur der Hut. Jenes war in Spanien gar nicht
zur Ausbildung gekommen; es hatte gleich der Aufſchlitzung nur
den Anfang gemacht und dann ſofort dem Hut wieder weichen
oder ſelbſt zu einer ähnlichen feſten Form ſich cryſtalliſiren müſ-
ſen. Während in Deutſchland der Hut bis zum Bauer herabge-
drückt war, behauptete er ſich in Spanien grade auf den höchſten
und ſtolzeſten Köpfen; nur im Volk, wohin die Bewegung ſo
gut wie gar nicht gedrungen war, erinnerten noch mancherlei
Kopfbedeckungen an das funfzehnte Jahrhundert. Der Hut war
ſteif und ähnelte häufig moderner Form; der Kopf erhebt ſich
ſehr hoch, und der Rand ſchwindet allmählig zu unſcheinbarer
Schmalheit zuſammen. Das Barett, wo es getragen wird, ſteigt
aus ſeiner Flachheit zu ganz ähnlicher Geſtalt und Höhe mit
gleichem Rande empor: es pflegt dann von Seide zu ſein, welche
mit feingelegten Falten über ein Drahtgeſtell geſpannt zu ſein
ſcheint. In der Farbe iſt es gewöhnlich dunkel, gleich dem Hut,
meiſtens braun.
Für den Spanier iſt der Mantel ſo charakteriſtiſch, wie
für den Deutſchen der breite Ueberwurf, die pelzgefütterte
Schaube; jener knüpft damit auch direkter an das funfzehnte
Jahrhundert an, wo wir das kurze Mäntelchen bei der Jugend
mehrfach vorfanden. „Das Mäntelchen von ſtarrer Seide“, auf
die linke Schulter gelegt und kaum den Rücken deckend, ſo iſt es
ein Stück der eleganten Kleidung; dann war es auch gern hell-
farbig, anders oben und anders das Futter, und mit Sammet-
ſtreifen, wenn nicht mit koſtbarerem Schmuck von Edelſteinen
und Perlen ringsum beſetzt. Für gewöhnlich wurde es weiter
und länger getragen, daß es ſich bequem von einer Schulter auf
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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/101>, abgerufen am 14.06.2024.
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