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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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sprechen und zu Unterhaltungen führen, von denen es das Beste
ist, daß sie im Winde verklingen.

Soviel von den Schleppschiffen. Von geringerer Bedeutung
sind die Passagierboote, die übrigens, wie sich von selbst versteht,
gelegentlich die Rolle tauschen und auch ihrerseits als "Retter" und
"Tyrannen" (ganz in der oben geschilderten Weise) debütiren.

Die Passagierboote gehen von Frankfurt aus 2mal wöchent-
lich (Mittwoch und Sonnabend) und machen die Fahrt nach
Küstrin in 2, nach Schwedt in 8, nach Stettin in 10 Stunden.
Die Benutzung erfolgt mehr stationsweise und auf kleineren
Strecken, als für die ganze Tour. Der Grund mag darin liegen,
daß die Eisenbahn (trotz des Umweges über Berlin) die Reisenden
zwischen Frankfurt und Stettin, doch eher und sicherer an's Ziel
führt. Eher unter allen Umständen; sicherer in soweit, als es
bei niedrigem Wasserstande vorkommt, daß die Fahrt auf Stunden
unterbrochen oder wohl gar ganz eingestellt werden muß. Die Re-
gulirung des Oderbetts, ein in den Zeitungen stehend gewordener
Artikel, würde diesem Uebelstande vielleicht abhelfen und eine Con-
currenz der Dampfschiffe mit der Eisenbahn möglich machen. Damit
hat es aber noch gute Wege (einige meinen, es ginge überhaupt
nicht) und so werden sich die beiden Passagierboote, die jetzt das
Bedürfniß decken, noch längere Zeit mit dem Publikum behelfen
müssen, das jetzt zu ihnen hält. Dies Publikum, wenn auch nicht
zahlreich, ist immerhin mannigfach genug. Tagelöhner, die auf die
Güter, Handwerker, die zu Markte ziehen, dazu Kaufleute und
Gutsbesitzer, auch gelegentlich Badereisende, besonders solche, die in
den schlesischen Bädern waren. Nur eine Klasse fehlt, der man
sonst wohl auf den Flußdampfern unserer Heimath, besonders im
Westen und Süden, zu begegnen pflegt: der Tourist von Fach,
der eigentliche Reisende, der keinen andern Zweck verfolgt, als Land
und Leute kennen zu lernen.

Dieser "Eigentliche" fehlt noch, aber er wird nicht immer feh-
len; denn ohne das unfruchtbare und mißliche Gebiet der Ver-
gleiche betreten zu wollen, sei doch das Eine hier versichert, daß an

ſprechen und zu Unterhaltungen führen, von denen es das Beſte
iſt, daß ſie im Winde verklingen.

Soviel von den Schleppſchiffen. Von geringerer Bedeutung
ſind die Paſſagierboote, die übrigens, wie ſich von ſelbſt verſteht,
gelegentlich die Rolle tauſchen und auch ihrerſeits als „Retter“ und
„Tyrannen“ (ganz in der oben geſchilderten Weiſe) debütiren.

Die Paſſagierboote gehen von Frankfurt aus 2mal wöchent-
lich (Mittwoch und Sonnabend) und machen die Fahrt nach
Küſtrin in 2, nach Schwedt in 8, nach Stettin in 10 Stunden.
Die Benutzung erfolgt mehr ſtationsweiſe und auf kleineren
Strecken, als für die ganze Tour. Der Grund mag darin liegen,
daß die Eiſenbahn (trotz des Umweges über Berlin) die Reiſenden
zwiſchen Frankfurt und Stettin, doch eher und ſicherer an’s Ziel
führt. Eher unter allen Umſtänden; ſicherer in ſoweit, als es
bei niedrigem Waſſerſtande vorkommt, daß die Fahrt auf Stunden
unterbrochen oder wohl gar ganz eingeſtellt werden muß. Die Re-
gulirung des Oderbetts, ein in den Zeitungen ſtehend gewordener
Artikel, würde dieſem Uebelſtande vielleicht abhelfen und eine Con-
currenz der Dampfſchiffe mit der Eiſenbahn möglich machen. Damit
hat es aber noch gute Wege (einige meinen, es ginge überhaupt
nicht) und ſo werden ſich die beiden Paſſagierboote, die jetzt das
Bedürfniß decken, noch längere Zeit mit dem Publikum behelfen
müſſen, das jetzt zu ihnen hält. Dies Publikum, wenn auch nicht
zahlreich, iſt immerhin mannigfach genug. Tagelöhner, die auf die
Güter, Handwerker, die zu Markte ziehen, dazu Kaufleute und
Gutsbeſitzer, auch gelegentlich Badereiſende, beſonders ſolche, die in
den ſchleſiſchen Bädern waren. Nur eine Klaſſe fehlt, der man
ſonſt wohl auf den Flußdampfern unſerer Heimath, beſonders im
Weſten und Süden, zu begegnen pflegt: der Touriſt von Fach,
der eigentliche Reiſende, der keinen andern Zweck verfolgt, als Land
und Leute kennen zu lernen.

Dieſer „Eigentliche“ fehlt noch, aber er wird nicht immer feh-
len; denn ohne das unfruchtbare und mißliche Gebiet der Ver-
gleiche betreten zu wollen, ſei doch das Eine hier verſichert, daß an

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[5/0017] ſprechen und zu Unterhaltungen führen, von denen es das Beſte iſt, daß ſie im Winde verklingen. Soviel von den Schleppſchiffen. Von geringerer Bedeutung ſind die Paſſagierboote, die übrigens, wie ſich von ſelbſt verſteht, gelegentlich die Rolle tauſchen und auch ihrerſeits als „Retter“ und „Tyrannen“ (ganz in der oben geſchilderten Weiſe) debütiren. Die Paſſagierboote gehen von Frankfurt aus 2mal wöchent- lich (Mittwoch und Sonnabend) und machen die Fahrt nach Küſtrin in 2, nach Schwedt in 8, nach Stettin in 10 Stunden. Die Benutzung erfolgt mehr ſtationsweiſe und auf kleineren Strecken, als für die ganze Tour. Der Grund mag darin liegen, daß die Eiſenbahn (trotz des Umweges über Berlin) die Reiſenden zwiſchen Frankfurt und Stettin, doch eher und ſicherer an’s Ziel führt. Eher unter allen Umſtänden; ſicherer in ſoweit, als es bei niedrigem Waſſerſtande vorkommt, daß die Fahrt auf Stunden unterbrochen oder wohl gar ganz eingeſtellt werden muß. Die Re- gulirung des Oderbetts, ein in den Zeitungen ſtehend gewordener Artikel, würde dieſem Uebelſtande vielleicht abhelfen und eine Con- currenz der Dampfſchiffe mit der Eiſenbahn möglich machen. Damit hat es aber noch gute Wege (einige meinen, es ginge überhaupt nicht) und ſo werden ſich die beiden Paſſagierboote, die jetzt das Bedürfniß decken, noch längere Zeit mit dem Publikum behelfen müſſen, das jetzt zu ihnen hält. Dies Publikum, wenn auch nicht zahlreich, iſt immerhin mannigfach genug. Tagelöhner, die auf die Güter, Handwerker, die zu Markte ziehen, dazu Kaufleute und Gutsbeſitzer, auch gelegentlich Badereiſende, beſonders ſolche, die in den ſchleſiſchen Bädern waren. Nur eine Klaſſe fehlt, der man ſonſt wohl auf den Flußdampfern unſerer Heimath, beſonders im Weſten und Süden, zu begegnen pflegt: der Touriſt von Fach, der eigentliche Reiſende, der keinen andern Zweck verfolgt, als Land und Leute kennen zu lernen. Dieſer „Eigentliche“ fehlt noch, aber er wird nicht immer feh- len; denn ohne das unfruchtbare und mißliche Gebiet der Ver- gleiche betreten zu wollen, ſei doch das Eine hier verſichert, daß an

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/17>, abgerufen am 30.04.2024.