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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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Grafen Hardenberg gehörig, liegt eine Meile nördlich von Stein-
höfel.

Die Wulffens beider Linien blühten hier mehrere Jahrhun-
derte lang, bis, wenn die Sage Recht hat, zu Anfang des vori-
gen Jahrhunderts, ein Wendepunkt eintrat. Wenigstens mit Rück-
sicht auf die Steinhöfler Wulffens.


*)
*) einander zuneigen. Darunter steht: "Eine gleiche Neigung ver-
bindet uns"
. Zu unterst des Steines (nachdem der Tod der jungen
Frau gemeldet) steht ein Baum, darunter die Inschrift:
Bei meinem fruchtbar sein
Da stellet Last sich ein.
Ein siebenter Grabstein, der eine Zeitlang auch im Kirchenschiffe lag,
steht jetzt an einem der Wandpfeiler. Es ist dies der Grabstein der Frau
Anna Lucretia von Goelnitz, einer gebornen von Goetze. Sie lebte,
als Wittwe, in dem ihr befreundeten Wulffenschen Hause und wurde, als
sie in Tempelberg starb, in der Tempelberger Kirche beigesetzt. Sie hatte
aber keine Ruhe unter den Wulffens (trotzdem sie so befreundet mit ihnen
war) und sehnte sich zu den Goetzes zurück. Es begann im Tempelber-
ger Schloß zu spuken und Margarethe von Wulffen, die Freundin der
Verstorbenen, hörte allnachts ein Klopfen und Rufen, und so oft sie in
die Kirche trat und nach dem Grabstein hinübersah, war es ihr als ob
dieselbe Stimme riefe: "Grete, mach' auf". Man nahm endlich den schwe-
ren Grabstein fort und stellte ihn an die Wand. Seitdem ward es ruhig.*)
*) Eine ähnliche Geschichte wird aus einem der Teltow-Dörfer, zwei Meilen südlich
von Berlin, berichtet; es ist das die Geschichte vom "französischen Tambour".
Das betreffende Dorf gehörte damals (1813) der alten Familie v. H. -- Vater und Sohn
(der älteste) standen im Felde; die Mutter und die jüngeren Geschwister aber lebten,
seit dem Tage von Großbeeren, in der nahen Hauptstadt. So war das Herrenhaus
verwaist. Der älteste Sohn, unmittelbar nach der Schlacht bei Dennewitz, nahm Ur-
laub und kam herüber, um auf dem väterlichen Gut, das viel Einquartierung gehabt
hatte, nach dem Rechten zu sehn. Er traf spät Abends ein. Bei seiner Ankunft baten
ihn die Leute, nicht im Schloß sondern im Wirthschaftshause zu schlafen: "im Schlosse
spuke es seit 14 Tagen". Herr v. H. nahm natürlich keine Notiz davon und bezog, wie
immer, seine Giebelstube im Herrenhaus. Um Mitternacht wurde er durch Trommel-
wirbel geweckt und als er aufsprang, hörte er deutlich, daß durch das ganze öde Schloß
hin, treppauf treppab die französische Reveille geschlagen wurde. In der nächsten Nacht
wiederholte es sich. Herr v. H. stellte nun Nachforschungen an und man entdeckte zuletzt
in einem der Keller des Hauses, die Trommel neben sich, einen französischen Tambour,
der todt unter Werg und Hobelspähnen lag. Er hatte eine tiefe Kopfwunde. Wie er dort
hinkam, wußte niemand zu sagen. Er erhielt nun ein ehrlich Begräbniß und das Trom-
meln wurde nicht länger gehört.

Grafen Hardenberg gehörig, liegt eine Meile nördlich von Stein-
höfel.

Die Wulffens beider Linien blühten hier mehrere Jahrhun-
derte lang, bis, wenn die Sage Recht hat, zu Anfang des vori-
gen Jahrhunderts, ein Wendepunkt eintrat. Wenigſtens mit Rück-
ſicht auf die Steinhöfler Wulffens.


*)
*) einander zuneigen. Darunter ſteht: „Eine gleiche Neigung ver-
bindet uns“
. Zu unterſt des Steines (nachdem der Tod der jungen
Frau gemeldet) ſteht ein Baum, darunter die Inſchrift:
Bei meinem fruchtbar ſein
Da ſtellet Laſt ſich ein.
Ein ſiebenter Grabſtein, der eine Zeitlang auch im Kirchenſchiffe lag,
ſteht jetzt an einem der Wandpfeiler. Es iſt dies der Grabſtein der Frau
Anna Lucretia von Goelnitz, einer gebornen von Goetze. Sie lebte,
als Wittwe, in dem ihr befreundeten Wulffenſchen Hauſe und wurde, als
ſie in Tempelberg ſtarb, in der Tempelberger Kirche beigeſetzt. Sie hatte
aber keine Ruhe unter den Wulffens (trotzdem ſie ſo befreundet mit ihnen
war) und ſehnte ſich zu den Goetzes zurück. Es begann im Tempelber-
ger Schloß zu ſpuken und Margarethe von Wulffen, die Freundin der
Verſtorbenen, hörte allnachts ein Klopfen und Rufen, und ſo oft ſie in
die Kirche trat und nach dem Grabſtein hinüberſah, war es ihr als ob
dieſelbe Stimme riefe: „Grete, mach’ auf“. Man nahm endlich den ſchwe-
ren Grabſtein fort und ſtellte ihn an die Wand. Seitdem ward es ruhig.*)
*) Eine ähnliche Geſchichte wird aus einem der Teltow-Dörfer, zwei Meilen ſüdlich
von Berlin, berichtet; es iſt das die Geſchichte vom „franzöſiſchen Tambour“.
Das betreffende Dorf gehörte damals (1813) der alten Familie v. H. — Vater und Sohn
(der älteſte) ſtanden im Felde; die Mutter und die jüngeren Geſchwiſter aber lebten,
ſeit dem Tage von Großbeeren, in der nahen Hauptſtadt. So war das Herrenhaus
verwaiſt. Der älteſte Sohn, unmittelbar nach der Schlacht bei Dennewitz, nahm Ur-
laub und kam herüber, um auf dem väterlichen Gut, das viel Einquartierung gehabt
hatte, nach dem Rechten zu ſehn. Er traf ſpät Abends ein. Bei ſeiner Ankunft baten
ihn die Leute, nicht im Schloß ſondern im Wirthſchaftshauſe zu ſchlafen: „im Schloſſe
ſpuke es ſeit 14 Tagen“. Herr v. H. nahm natürlich keine Notiz davon und bezog, wie
immer, ſeine Giebelſtube im Herrenhaus. Um Mitternacht wurde er durch Trommel-
wirbel geweckt und als er aufſprang, hörte er deutlich, daß durch das ganze öde Schloß
hin, treppauf treppab die franzöſiſche Reveille geſchlagen wurde. In der nächſten Nacht
wiederholte es ſich. Herr v. H. ſtellte nun Nachforſchungen an und man entdeckte zuletzt
in einem der Keller des Hauſes, die Trommel neben ſich, einen franzöſiſchen Tambour,
der todt unter Werg und Hobelſpähnen lag. Er hatte eine tiefe Kopfwunde. Wie er dort
hinkam, wußte niemand zu ſagen. Er erhielt nun ein ehrlich Begräbniß und das Trom-
meln wurde nicht länger gehört.
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[158/0170] Grafen Hardenberg gehörig, liegt eine Meile nördlich von Stein- höfel. Die Wulffens beider Linien blühten hier mehrere Jahrhun- derte lang, bis, wenn die Sage Recht hat, zu Anfang des vori- gen Jahrhunderts, ein Wendepunkt eintrat. Wenigſtens mit Rück- ſicht auf die Steinhöfler Wulffens. *) *) einander zuneigen. Darunter ſteht: „Eine gleiche Neigung ver- bindet uns“. Zu unterſt des Steines (nachdem der Tod der jungen Frau gemeldet) ſteht ein Baum, darunter die Inſchrift: Bei meinem fruchtbar ſein Da ſtellet Laſt ſich ein. Ein ſiebenter Grabſtein, der eine Zeitlang auch im Kirchenſchiffe lag, ſteht jetzt an einem der Wandpfeiler. Es iſt dies der Grabſtein der Frau Anna Lucretia von Goelnitz, einer gebornen von Goetze. Sie lebte, als Wittwe, in dem ihr befreundeten Wulffenſchen Hauſe und wurde, als ſie in Tempelberg ſtarb, in der Tempelberger Kirche beigeſetzt. Sie hatte aber keine Ruhe unter den Wulffens (trotzdem ſie ſo befreundet mit ihnen war) und ſehnte ſich zu den Goetzes zurück. Es begann im Tempelber- ger Schloß zu ſpuken und Margarethe von Wulffen, die Freundin der Verſtorbenen, hörte allnachts ein Klopfen und Rufen, und ſo oft ſie in die Kirche trat und nach dem Grabſtein hinüberſah, war es ihr als ob dieſelbe Stimme riefe: „Grete, mach’ auf“. Man nahm endlich den ſchwe- ren Grabſtein fort und ſtellte ihn an die Wand. Seitdem ward es ruhig. *) *) Eine ähnliche Geſchichte wird aus einem der Teltow-Dörfer, zwei Meilen ſüdlich von Berlin, berichtet; es iſt das die Geſchichte vom „franzöſiſchen Tambour“. Das betreffende Dorf gehörte damals (1813) der alten Familie v. H. — Vater und Sohn (der älteſte) ſtanden im Felde; die Mutter und die jüngeren Geſchwiſter aber lebten, ſeit dem Tage von Großbeeren, in der nahen Hauptſtadt. So war das Herrenhaus verwaiſt. Der älteſte Sohn, unmittelbar nach der Schlacht bei Dennewitz, nahm Ur- laub und kam herüber, um auf dem väterlichen Gut, das viel Einquartierung gehabt hatte, nach dem Rechten zu ſehn. Er traf ſpät Abends ein. Bei ſeiner Ankunft baten ihn die Leute, nicht im Schloß ſondern im Wirthſchaftshauſe zu ſchlafen: „im Schloſſe ſpuke es ſeit 14 Tagen“. Herr v. H. nahm natürlich keine Notiz davon und bezog, wie immer, ſeine Giebelſtube im Herrenhaus. Um Mitternacht wurde er durch Trommel- wirbel geweckt und als er aufſprang, hörte er deutlich, daß durch das ganze öde Schloß hin, treppauf treppab die franzöſiſche Reveille geſchlagen wurde. In der nächſten Nacht wiederholte es ſich. Herr v. H. ſtellte nun Nachforſchungen an und man entdeckte zuletzt in einem der Keller des Hauſes, die Trommel neben ſich, einen franzöſiſchen Tambour, der todt unter Werg und Hobelſpähnen lag. Er hatte eine tiefe Kopfwunde. Wie er dort hinkam, wußte niemand zu ſagen. Er erhielt nun ein ehrlich Begräbniß und das Trom- meln wurde nicht länger gehört.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/170>, abgerufen am 30.04.2024.