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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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Krippenstapel nun schon ganz gewiß. Aber ich habe
trotzdem Zweifel. Die Konservativen -- ich kann kaum
sagen ,unsre Parteigenossen', oder doch nur in sehr be¬
dingtem Sinne -- die Konservativen sind in sich ge¬
spalten. Es giebt ihrer viele, denen unser alter Stechlin
um ein gut Teil zu flau ist. ,Fortiter in re, suaviter
in modo',
hat neulich einer, der sich auf Bildung aus¬
spielt, von dem Alten gesagt, und von ,suaviter', wenn
auch nur ,in modo', wollen alle diese Herren nichts
wissen. Unter diesen Ultras ist natürlich auch Gunder¬
mann auf Siebenmühlen, der Ihnen vielleicht bekannt
geworden ist ..."

"Versteht sich. War neulich bei mir. Ein Mann
von drei Redensarten, von denen die zwei besten aus
der Wassermüllersphäre genommen sind."

"Nun, dieser Gundermann, wie immer die Dummen,
ist zugleich Intrigant, und während er vorgiebt, für
unsern guten alten Stechlin zu werben, tropft er den
Leuten Gift ins Ohr und erzählt ihnen, daß der Alte
senil sei und keinen Schneid habe. Der alte Stechlin
hat aber mehr Schneid als sieben Gundermanns. Gunder¬
mann ist ein Bourgeois und ein Parvenu, also so ziem¬
lich das Schlechteste, was einer sein kann. Ich bin
schon zufrieden, wenn dieser Jämmerling unterliegt.
Aber um den Alten bin ich besorgt. Ich kann nur
wiederholen: es liegt nicht so günstig für ihn, wie die
Gegend hier sich einbildet. Denn auf das arme Volk
ist kein Verlaß. Ein Versprechen und ein Kornus, und
alles schnappt ab."

"Ich werde das meine thun," sagte Koseleger mit
einer Mischung von Pathos und Wohlwollen. Aber
Lorenzen hatte dabei den Eindruck, daß sein Quaden-
Hennersdorfer Superintendent bereits ganz andern Bildern
nachhing. Und so war es auch. Was war für Kose¬
leger diese traurige Gegenwart? Ihn beschäftigte nur

Fontane, Der Stechlin. 15

Krippenſtapel nun ſchon ganz gewiß. Aber ich habe
trotzdem Zweifel. Die Konſervativen — ich kann kaum
ſagen ‚unſre Parteigenoſſen‘, oder doch nur in ſehr be¬
dingtem Sinne — die Konſervativen ſind in ſich ge¬
ſpalten. Es giebt ihrer viele, denen unſer alter Stechlin
um ein gut Teil zu flau iſt. ‚Fortiter in re, suaviter
in modo‘,
hat neulich einer, der ſich auf Bildung aus¬
ſpielt, von dem Alten geſagt, und von ‚suaviter‘, wenn
auch nur ‚in modo‘, wollen alle dieſe Herren nichts
wiſſen. Unter dieſen Ultras iſt natürlich auch Gunder¬
mann auf Siebenmühlen, der Ihnen vielleicht bekannt
geworden iſt ...“

„Verſteht ſich. War neulich bei mir. Ein Mann
von drei Redensarten, von denen die zwei beſten aus
der Waſſermüllerſphäre genommen ſind.“

„Nun, dieſer Gundermann, wie immer die Dummen,
iſt zugleich Intrigant, und während er vorgiebt, für
unſern guten alten Stechlin zu werben, tropft er den
Leuten Gift ins Ohr und erzählt ihnen, daß der Alte
ſenil ſei und keinen Schneid habe. Der alte Stechlin
hat aber mehr Schneid als ſieben Gundermanns. Gunder¬
mann iſt ein Bourgeois und ein Parvenu, alſo ſo ziem¬
lich das Schlechteſte, was einer ſein kann. Ich bin
ſchon zufrieden, wenn dieſer Jämmerling unterliegt.
Aber um den Alten bin ich beſorgt. Ich kann nur
wiederholen: es liegt nicht ſo günſtig für ihn, wie die
Gegend hier ſich einbildet. Denn auf das arme Volk
iſt kein Verlaß. Ein Verſprechen und ein Kornus, und
alles ſchnappt ab.“

„Ich werde das meine thun,“ ſagte Koſeleger mit
einer Miſchung von Pathos und Wohlwollen. Aber
Lorenzen hatte dabei den Eindruck, daß ſein Quaden-
Hennersdorfer Superintendent bereits ganz andern Bildern
nachhing. Und ſo war es auch. Was war für Koſe¬
leger dieſe traurige Gegenwart? Ihn beſchäftigte nur

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[225/0232] Krippenſtapel nun ſchon ganz gewiß. Aber ich habe trotzdem Zweifel. Die Konſervativen — ich kann kaum ſagen ‚unſre Parteigenoſſen‘, oder doch nur in ſehr be¬ dingtem Sinne — die Konſervativen ſind in ſich ge¬ ſpalten. Es giebt ihrer viele, denen unſer alter Stechlin um ein gut Teil zu flau iſt. ‚Fortiter in re, suaviter in modo‘, hat neulich einer, der ſich auf Bildung aus¬ ſpielt, von dem Alten geſagt, und von ‚suaviter‘, wenn auch nur ‚in modo‘, wollen alle dieſe Herren nichts wiſſen. Unter dieſen Ultras iſt natürlich auch Gunder¬ mann auf Siebenmühlen, der Ihnen vielleicht bekannt geworden iſt ...“ „Verſteht ſich. War neulich bei mir. Ein Mann von drei Redensarten, von denen die zwei beſten aus der Waſſermüllerſphäre genommen ſind.“ „Nun, dieſer Gundermann, wie immer die Dummen, iſt zugleich Intrigant, und während er vorgiebt, für unſern guten alten Stechlin zu werben, tropft er den Leuten Gift ins Ohr und erzählt ihnen, daß der Alte ſenil ſei und keinen Schneid habe. Der alte Stechlin hat aber mehr Schneid als ſieben Gundermanns. Gunder¬ mann iſt ein Bourgeois und ein Parvenu, alſo ſo ziem¬ lich das Schlechteſte, was einer ſein kann. Ich bin ſchon zufrieden, wenn dieſer Jämmerling unterliegt. Aber um den Alten bin ich beſorgt. Ich kann nur wiederholen: es liegt nicht ſo günſtig für ihn, wie die Gegend hier ſich einbildet. Denn auf das arme Volk iſt kein Verlaß. Ein Verſprechen und ein Kornus, und alles ſchnappt ab.“ „Ich werde das meine thun,“ ſagte Koſeleger mit einer Miſchung von Pathos und Wohlwollen. Aber Lorenzen hatte dabei den Eindruck, daß ſein Quaden- Hennersdorfer Superintendent bereits ganz andern Bildern nachhing. Und ſo war es auch. Was war für Koſe¬ leger dieſe traurige Gegenwart? Ihn beſchäftigte nur Fontane, Der Stechlin. 15

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/232>, abgerufen am 26.04.2024.