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Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883.

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einem unwillkürlichen Zupfen an ihrem Taftkleide be¬
gleitet wurde.

Um Punkt drei war man zu Tische gegangen und
um Punkt vier -- l'exactitude est la politesse des
rois
, würde Bülow gesagt haben -- erschien eine zu¬
rückgeschlagene Halbchaise vor der Thür in der Behren¬
straße. Schach, der selbst fuhr, wollte die Zügel dem
Groom geben, beide Carayons aber grüßten schon
reisefertig vom Balkon her, und waren im nächsten
Moment mit einer ganzen Ausstattung von Tüchern,
Sonnen- und Regenschirmen unten am Wagenschlag. Mit
ihnen auch Tante Marguerite, die nunmehr vorgestellt
und von Schach mit einer ihm eigentümlichen Mischung
von Artigkeit und Grandezza begrüßt wurde.

"Und nun das dunkle Ziel, Fräulein Victoire".

"Nehmen wir Tempelhof," sagte diese.

"Gut gewählt. Nur Pardon, es ist das undunkelste
Ziel von der Welt. Namentlich heute. Sonne und
wieder Sonne."

In raschem Trabe ging es, die Friedrichsstraße
hinunter, erst auf das Rondel und das Hallesche
Thor zu, bis der tiefe Sandweg, der zum Kreuzberg
hinaufführte, zu langsamerem Fahren nötigte. Schach
glaubte sich entschuldigen zu müssen, aber Victoire,
die rückwärts saß und in halber Wendung bequem
mit ihm sprechen konnte, war, als echtes Stadtkind,
aufrichtig entzückt über all und jedes, was sie zu

einem unwillkürlichen Zupfen an ihrem Taftkleide be¬
gleitet wurde.

Um Punkt drei war man zu Tiſche gegangen und
um Punkt vier — l'exactitude est la politesse des
rois
, würde Bülow geſagt haben — erſchien eine zu¬
rückgeſchlagene Halbchaiſe vor der Thür in der Behren¬
ſtraße. Schach, der ſelbſt fuhr, wollte die Zügel dem
Groom geben, beide Carayons aber grüßten ſchon
reiſefertig vom Balkon her, und waren im nächſten
Moment mit einer ganzen Ausſtattung von Tüchern,
Sonnen- und Regenſchirmen unten am Wagenſchlag. Mit
ihnen auch Tante Marguerite, die nunmehr vorgeſtellt
und von Schach mit einer ihm eigentümlichen Miſchung
von Artigkeit und Grandezza begrüßt wurde.

„Und nun das dunkle Ziel, Fräulein Victoire“.

„Nehmen wir Tempelhof,“ ſagte dieſe.

„Gut gewählt. Nur Pardon, es iſt das undunkelſte
Ziel von der Welt. Namentlich heute. Sonne und
wieder Sonne.“

In raſchem Trabe ging es, die Friedrichsſtraße
hinunter, erſt auf das Rondel und das Halleſche
Thor zu, bis der tiefe Sandweg, der zum Kreuzberg
hinaufführte, zu langſamerem Fahren nötigte. Schach
glaubte ſich entſchuldigen zu müſſen, aber Victoire,
die rückwärts ſaß und in halber Wendung bequem
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[43/0055] einem unwillkürlichen Zupfen an ihrem Taftkleide be¬ gleitet wurde. Um Punkt drei war man zu Tiſche gegangen und um Punkt vier — l'exactitude est la politesse des rois, würde Bülow geſagt haben — erſchien eine zu¬ rückgeſchlagene Halbchaiſe vor der Thür in der Behren¬ ſtraße. Schach, der ſelbſt fuhr, wollte die Zügel dem Groom geben, beide Carayons aber grüßten ſchon reiſefertig vom Balkon her, und waren im nächſten Moment mit einer ganzen Ausſtattung von Tüchern, Sonnen- und Regenſchirmen unten am Wagenſchlag. Mit ihnen auch Tante Marguerite, die nunmehr vorgeſtellt und von Schach mit einer ihm eigentümlichen Miſchung von Artigkeit und Grandezza begrüßt wurde. „Und nun das dunkle Ziel, Fräulein Victoire“. „Nehmen wir Tempelhof,“ ſagte dieſe. „Gut gewählt. Nur Pardon, es iſt das undunkelſte Ziel von der Welt. Namentlich heute. Sonne und wieder Sonne.“ In raſchem Trabe ging es, die Friedrichsſtraße hinunter, erſt auf das Rondel und das Halleſche Thor zu, bis der tiefe Sandweg, der zum Kreuzberg hinaufführte, zu langſamerem Fahren nötigte. Schach glaubte ſich entſchuldigen zu müſſen, aber Victoire, die rückwärts ſaß und in halber Wendung bequem mit ihm ſprechen konnte, war, als echtes Stadtkind, aufrichtig entzückt über all und jedes, was ſie zu

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883/55>, abgerufen am 30.04.2024.