Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite
in den Jahren 1772 bis 1775.

Wir waren nunmehro schon drey Meilen weit marschirt, und sahen1773.
October.

endlich das östliche Ufer der Insel vor uns, wo die Küste einen tiefen Winkel
macht, den Tasman, Maria-Bay genannt hat. In dieser Gegend ward
der Boden allmählig niedriger und endigte sich in einen sandigen Strand; an der
nördlichen Spitze hingegen bestand das Ufer aus einem senkrechten Coral-
Felsen, der an manchen Stellen untergraben und überhängend war. Diese
Steinart wird aber nie anders als unterhalb dem Wasser erzeugt, und folglich
kann man sicher darauf rechnen, daß an solchen Stellen, wo sie ausserhalb
dem Wasser angetroffen wird, eine große Veränderung mit dem Erdboden müsse
vorgegangen seyn. Ob nun diese hier, durch eine allmählige Abnahme der See,
oder durch sonst eine gewaltsamere Revolution mag veranlaßt worden seyn? will
ich nicht zu entscheiden wagen. Nimmt man indessen an, daß solches auf die
zuerst erwähnte Art geschehen sey; so müßte, falls die Beobachtungen einiger Ge-
lehrten in Schweden, von der dortigen allmähligen Verminderung der See zuver-
läßig sind, *) diese Insel hier ziemlich neuen Ursprungs seyn, und alsdenn wäre
nicht wohl zu begreiffen, wie sie schon mit Erde, Kraut und Wäldern bedeckt,
so stark bevölkert und bereits so gut angebaut seyn könnte, als wir sie würklich ge-
funden haben. -- Am Fuß des steilen Felsen der uns zu diesen Betrachtun-
gen Anlaß gab, hieng eine Menge See-Schnecken, denen zu Gefallen wir auf
einem Rief bis an die Knie im Wasser waden mußten, denn die Fluth fieng
schon an einzutreten. Es währete auch nicht lange, so nöthigte uns das Aufschwel-
len der See, das Trockne wieder zu suchen, der Felsen selbst aber war hier überall
so steil, daß wir mit aller Mühe kaum eine Stelle fanden, wo man hinauf
kommen konnte. Innerhalb den Plantagen, durch welche wir nunmehro den
Rückweg antraten, begegneten uns verschiedene Eingebohrne die vom Handels-
platz zurückkehrten. Wir kauften ihnen im Vorbeygehen eine große Anzahl
Fisch-Angeln, und allerhand Putzwerk, imgleichen ein Fisch-Netz ab, das, wie
unsre Zugnetze gestaltet und, gleich denselben, aus dünnen aber starken Zwirn-
ähnlichen Faden zusammengeknüpft war. Eben diese Leute überließen uns
auch verschiedene geflochtene Matten und etliche Stücken Zeug. Das sonder-

*) S. Abhandlungen der Kön. Schwedischen Academie zu Stockholm.
U u 3
in den Jahren 1772 bis 1775.

Wir waren nunmehro ſchon drey Meilen weit marſchirt, und ſahen1773.
October.

endlich das oͤſtliche Ufer der Inſel vor uns, wo die Kuͤſte einen tiefen Winkel
macht, den Tasman, Maria-Bay genannt hat. In dieſer Gegend ward
der Boden allmaͤhlig niedriger und endigte ſich in einen ſandigen Strand; an der
noͤrdlichen Spitze hingegen beſtand das Ufer aus einem ſenkrechten Coral-
Felſen, der an manchen Stellen untergraben und uͤberhaͤngend war. Dieſe
Steinart wird aber nie anders als unterhalb dem Waſſer erzeugt, und folglich
kann man ſicher darauf rechnen, daß an ſolchen Stellen, wo ſie auſſerhalb
dem Waſſer angetroffen wird, eine große Veraͤnderung mit dem Erdboden muͤſſe
vorgegangen ſeyn. Ob nun dieſe hier, durch eine allmaͤhlige Abnahme der See,
oder durch ſonſt eine gewaltſamere Revolution mag veranlaßt worden ſeyn? will
ich nicht zu entſcheiden wagen. Nimmt man indeſſen an, daß ſolches auf die
zuerſt erwaͤhnte Art geſchehen ſey; ſo muͤßte, falls die Beobachtungen einiger Ge-
lehrten in Schweden, von der dortigen allmaͤhligen Verminderung der See zuver-
laͤßig ſind, *) dieſe Inſel hier ziemlich neuen Urſprungs ſeyn, und alsdenn waͤre
nicht wohl zu begreiffen, wie ſie ſchon mit Erde, Kraut und Waͤldern bedeckt,
ſo ſtark bevoͤlkert und bereits ſo gut angebaut ſeyn koͤnnte, als wir ſie wuͤrklich ge-
funden haben. — Am Fuß des ſteilen Felſen der uns zu dieſen Betrachtun-
gen Anlaß gab, hieng eine Menge See-Schnecken, denen zu Gefallen wir auf
einem Rief bis an die Knie im Waſſer waden mußten, denn die Fluth fieng
ſchon an einzutreten. Es waͤhrete auch nicht lange, ſo noͤthigte uns das Aufſchwel-
len der See, das Trockne wieder zu ſuchen, der Felſen ſelbſt aber war hier uͤberall
ſo ſteil, daß wir mit aller Muͤhe kaum eine Stelle fanden, wo man hinauf
kommen konnte. Innerhalb den Plantagen, durch welche wir nunmehro den
Ruͤckweg antraten, begegneten uns verſchiedene Eingebohrne die vom Handels-
platz zuruͤckkehrten. Wir kauften ihnen im Vorbeygehen eine große Anzahl
Fiſch-Angeln, und allerhand Putzwerk, imgleichen ein Fiſch-Netz ab, das, wie
unſre Zugnetze geſtaltet und, gleich denſelben, aus duͤnnen aber ſtarken Zwirn-
aͤhnlichen Faden zuſammengeknuͤpft war. Eben dieſe Leute uͤberließen uns
auch verſchiedene geflochtene Matten und etliche Stuͤcken Zeug. Das ſonder-

*) S. Abhandlungen der Koͤn. Schwediſchen Academie zu Stockholm.
U u 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0400" n="341"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">in den Jahren 1772 bis 1775.</hi> </fw><lb/>
        <p>Wir waren nunmehro &#x017F;chon drey Meilen weit mar&#x017F;chirt, und &#x017F;ahen<note place="right">1773.<lb/>
October.</note><lb/>
endlich das o&#x0364;&#x017F;tliche Ufer der In&#x017F;el vor uns, wo die Ku&#x0364;&#x017F;te einen tiefen Winkel<lb/>
macht, den <hi rendition="#fr"><persName>Tasman</persName>, <placeName>Maria-Bay</placeName></hi> genannt hat. In die&#x017F;er Gegend ward<lb/>
der Boden allma&#x0364;hlig niedriger und endigte &#x017F;ich in einen &#x017F;andigen Strand; an der<lb/>
no&#x0364;rdlichen Spitze hingegen be&#x017F;tand das Ufer aus einem &#x017F;enkrechten Coral-<lb/>
Fel&#x017F;en, der an manchen Stellen untergraben und u&#x0364;berha&#x0364;ngend war. Die&#x017F;e<lb/>
Steinart wird aber nie anders als <hi rendition="#fr">unterhalb</hi> dem Wa&#x017F;&#x017F;er erzeugt, und folglich<lb/>
kann man &#x017F;icher darauf rechnen, daß an &#x017F;olchen Stellen, wo &#x017F;ie <hi rendition="#fr">au&#x017F;&#x017F;erhalb</hi><lb/>
dem Wa&#x017F;&#x017F;er angetroffen wird, eine große Vera&#x0364;nderung mit dem <hi rendition="#fr">Erdboden</hi> mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e<lb/>
vorgegangen &#x017F;eyn. Ob nun die&#x017F;e hier, durch eine allma&#x0364;hlige Abnahme der See,<lb/>
oder durch &#x017F;on&#x017F;t eine gewalt&#x017F;amere Revolution mag veranlaßt worden &#x017F;eyn? will<lb/>
ich nicht zu ent&#x017F;cheiden wagen. Nimmt man inde&#x017F;&#x017F;en an, daß &#x017F;olches auf die<lb/>
zuer&#x017F;t erwa&#x0364;hnte Art ge&#x017F;chehen &#x017F;ey; &#x017F;o mu&#x0364;ßte, falls die Beobachtungen einiger Ge-<lb/>
lehrten in <placeName>Schweden</placeName>, von der dortigen allma&#x0364;hligen Verminderung der See zuver-<lb/>
la&#x0364;ßig &#x017F;ind, <note place="foot" n="*)">S. Abhandlungen der Ko&#x0364;n. Schwedi&#x017F;chen Academie zu <placeName>Stockholm</placeName>.</note> die&#x017F;e In&#x017F;el hier ziemlich neuen Ur&#x017F;prungs &#x017F;eyn, und alsdenn wa&#x0364;re<lb/>
nicht wohl zu begreiffen, wie &#x017F;ie &#x017F;chon mit Erde, Kraut und Wa&#x0364;ldern bedeckt,<lb/>
&#x017F;o &#x017F;tark bevo&#x0364;lkert und bereits &#x017F;o gut angebaut &#x017F;eyn ko&#x0364;nnte, als wir &#x017F;ie wu&#x0364;rklich ge-<lb/>
funden haben. &#x2014; Am Fuß des &#x017F;teilen Fel&#x017F;en der uns zu die&#x017F;en Betrachtun-<lb/>
gen Anlaß gab, hieng eine Menge See-Schnecken, denen zu Gefallen wir auf<lb/>
einem Rief bis an die Knie im Wa&#x017F;&#x017F;er waden mußten, denn die Fluth fieng<lb/>
&#x017F;chon an einzutreten. Es wa&#x0364;hrete auch nicht lange, &#x017F;o no&#x0364;thigte uns das Auf&#x017F;chwel-<lb/>
len der See, das Trockne wieder zu &#x017F;uchen, der Fel&#x017F;en &#x017F;elb&#x017F;t aber war hier u&#x0364;berall<lb/>
&#x017F;o &#x017F;teil, daß wir mit aller Mu&#x0364;he kaum eine Stelle fanden, wo man hinauf<lb/>
kommen konnte. Innerhalb den Plantagen, durch welche wir nunmehro den<lb/>
Ru&#x0364;ckweg antraten, begegneten uns ver&#x017F;chiedene Eingebohrne die vom Handels-<lb/>
platz zuru&#x0364;ckkehrten. Wir kauften ihnen im Vorbeygehen eine große Anzahl<lb/>
Fi&#x017F;ch-Angeln, und allerhand Putzwerk, imgleichen ein Fi&#x017F;ch-Netz ab, das, wie<lb/>
un&#x017F;re Zugnetze ge&#x017F;taltet und, gleich den&#x017F;elben, aus du&#x0364;nnen aber &#x017F;tarken Zwirn-<lb/>
a&#x0364;hnlichen Faden zu&#x017F;ammengeknu&#x0364;pft war. Eben die&#x017F;e Leute u&#x0364;berließen uns<lb/>
auch ver&#x017F;chiedene geflochtene Matten und etliche Stu&#x0364;cken Zeug. Das &#x017F;onder-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">U u 3</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[341/0400] in den Jahren 1772 bis 1775. Wir waren nunmehro ſchon drey Meilen weit marſchirt, und ſahen endlich das oͤſtliche Ufer der Inſel vor uns, wo die Kuͤſte einen tiefen Winkel macht, den Tasman, Maria-Bay genannt hat. In dieſer Gegend ward der Boden allmaͤhlig niedriger und endigte ſich in einen ſandigen Strand; an der noͤrdlichen Spitze hingegen beſtand das Ufer aus einem ſenkrechten Coral- Felſen, der an manchen Stellen untergraben und uͤberhaͤngend war. Dieſe Steinart wird aber nie anders als unterhalb dem Waſſer erzeugt, und folglich kann man ſicher darauf rechnen, daß an ſolchen Stellen, wo ſie auſſerhalb dem Waſſer angetroffen wird, eine große Veraͤnderung mit dem Erdboden muͤſſe vorgegangen ſeyn. Ob nun dieſe hier, durch eine allmaͤhlige Abnahme der See, oder durch ſonſt eine gewaltſamere Revolution mag veranlaßt worden ſeyn? will ich nicht zu entſcheiden wagen. Nimmt man indeſſen an, daß ſolches auf die zuerſt erwaͤhnte Art geſchehen ſey; ſo muͤßte, falls die Beobachtungen einiger Ge- lehrten in Schweden, von der dortigen allmaͤhligen Verminderung der See zuver- laͤßig ſind, *) dieſe Inſel hier ziemlich neuen Urſprungs ſeyn, und alsdenn waͤre nicht wohl zu begreiffen, wie ſie ſchon mit Erde, Kraut und Waͤldern bedeckt, ſo ſtark bevoͤlkert und bereits ſo gut angebaut ſeyn koͤnnte, als wir ſie wuͤrklich ge- funden haben. — Am Fuß des ſteilen Felſen der uns zu dieſen Betrachtun- gen Anlaß gab, hieng eine Menge See-Schnecken, denen zu Gefallen wir auf einem Rief bis an die Knie im Waſſer waden mußten, denn die Fluth fieng ſchon an einzutreten. Es waͤhrete auch nicht lange, ſo noͤthigte uns das Aufſchwel- len der See, das Trockne wieder zu ſuchen, der Felſen ſelbſt aber war hier uͤberall ſo ſteil, daß wir mit aller Muͤhe kaum eine Stelle fanden, wo man hinauf kommen konnte. Innerhalb den Plantagen, durch welche wir nunmehro den Ruͤckweg antraten, begegneten uns verſchiedene Eingebohrne die vom Handels- platz zuruͤckkehrten. Wir kauften ihnen im Vorbeygehen eine große Anzahl Fiſch-Angeln, und allerhand Putzwerk, imgleichen ein Fiſch-Netz ab, das, wie unſre Zugnetze geſtaltet und, gleich denſelben, aus duͤnnen aber ſtarken Zwirn- aͤhnlichen Faden zuſammengeknuͤpft war. Eben dieſe Leute uͤberließen uns auch verſchiedene geflochtene Matten und etliche Stuͤcken Zeug. Das ſonder- 1773. October. *) S. Abhandlungen der Koͤn. Schwediſchen Academie zu Stockholm. U u 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/400
Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/400>, abgerufen am 26.04.2024.