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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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den war die Beängstigung weit schlimmer; das erste-
mal thats gut -- folglich wurde zum zweytenmale
Blut abgezapft! die mißfärbige Haut, der locker[e]
beym Schütteln zerfallende Kuchen waren keine Grün-
de gegen die vorgefaßte Meynung. Nun aber sanken
die Kräfte so sehr, daß schon den andern Tag der
Mann enthlößet mit ausgesperrten Beinen da lag;
der Mund hieng offen; die Augen waren halb zu und
unbeweglich, oder bewegten sich auf lautes Zurufen
nur sehr langsam. Alle Sinne waren stumpf. Die
Zunge gieng nimmer über die Lippen hervor; alle
Ausleerungen giengen unwissend ins Bett; der Puls
war veränderlich, im Ganzen aber sehr klein. Die
Haut schmutzig, erdfärbig, gelb, trocken, spröde. Er
hatte öfters Sehnenhüpfen; und wenn es ihm hie und
da einfiel, ein Glied zu bewegen, so zitterte es da-
bey u. s. w. Jetzt besuchte ich das Opfer meiner Un-
wissenheit alle Tage mehr denn zehnmal; bot allen
meinen Kräften und allen Kräften der Arzneyen auf.
Ueber alle Erwartung erhielt ich ihn in diesem Zu-
stande drey Wochen. Nach dieser Zeit entstund eine
Geschwulst im Auge, welche nach einigen Tagen auf-
brach, und nebst einer grossen Menge unreinen We-
sens alle Säfte des Augapfels ausrinnen ließ. -- Von
dieser Zeit fieng er an sich zu erholen. -- -- Nach-
dem er schon zwey Monate mit einem Stock herum-
gieng, freye Luft und bessere Nahrung suchte; wur-
den ihm die Stellen unter beyden Brustwarzen schmerz-
haft. Auf den Ribben schien sich ein harter gewölb-
ter Körper gebildet zu haben, als wenn die Ribben

selbst
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den war die Beaͤngſtigung weit ſchlimmer; das erſte-
mal thats gut — folglich wurde zum zweytenmale
Blut abgezapft! die mißfaͤrbige Haut, der locker[e]
beym Schuͤtteln zerfallende Kuchen waren keine Gruͤn-
de gegen die vorgefaßte Meynung. Nun aber ſanken
die Kraͤfte ſo ſehr, daß ſchon den andern Tag der
Mann enthloͤßet mit ausgeſperrten Beinen da lag;
der Mund hieng offen; die Augen waren halb zu und
unbeweglich, oder bewegten ſich auf lautes Zurufen
nur ſehr langſam. Alle Sinne waren ſtumpf. Die
Zunge gieng nimmer uͤber die Lippen hervor; alle
Ausleerungen giengen unwiſſend ins Bett; der Puls
war veraͤnderlich, im Ganzen aber ſehr klein. Die
Haut ſchmutzig, erdfaͤrbig, gelb, trocken, ſproͤde. Er
hatte oͤfters Sehnenhuͤpfen; und wenn es ihm hie und
da einfiel, ein Glied zu bewegen, ſo zitterte es da-
bey u. ſ. w. Jetzt beſuchte ich das Opfer meiner Un-
wiſſenheit alle Tage mehr denn zehnmal; bot allen
meinen Kraͤften und allen Kraͤften der Arzneyen auf.
Ueber alle Erwartung erhielt ich ihn in dieſem Zu-
ſtande drey Wochen. Nach dieſer Zeit entſtund eine
Geſchwulſt im Auge, welche nach einigen Tagen auf-
brach, und nebſt einer groſſen Menge unreinen We-
ſens alle Saͤfte des Augapfels ausrinnen ließ. — Von
dieſer Zeit fieng er an ſich zu erholen. — — Nach-
dem er ſchon zwey Monate mit einem Stock herum-
gieng, freye Luft und beſſere Nahrung ſuchte; wur-
den ihm die Stellen unter beyden Bruſtwarzen ſchmerz-
haft. Auf den Ribben ſchien ſich ein harter gewoͤlb-
ter Koͤrper gebildet zu haben, als wenn die Ribben

ſelbſt
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[387/0406] den war die Beaͤngſtigung weit ſchlimmer; das erſte- mal thats gut — folglich wurde zum zweytenmale Blut abgezapft! die mißfaͤrbige Haut, der lockere beym Schuͤtteln zerfallende Kuchen waren keine Gruͤn- de gegen die vorgefaßte Meynung. Nun aber ſanken die Kraͤfte ſo ſehr, daß ſchon den andern Tag der Mann enthloͤßet mit ausgeſperrten Beinen da lag; der Mund hieng offen; die Augen waren halb zu und unbeweglich, oder bewegten ſich auf lautes Zurufen nur ſehr langſam. Alle Sinne waren ſtumpf. Die Zunge gieng nimmer uͤber die Lippen hervor; alle Ausleerungen giengen unwiſſend ins Bett; der Puls war veraͤnderlich, im Ganzen aber ſehr klein. Die Haut ſchmutzig, erdfaͤrbig, gelb, trocken, ſproͤde. Er hatte oͤfters Sehnenhuͤpfen; und wenn es ihm hie und da einfiel, ein Glied zu bewegen, ſo zitterte es da- bey u. ſ. w. Jetzt beſuchte ich das Opfer meiner Un- wiſſenheit alle Tage mehr denn zehnmal; bot allen meinen Kraͤften und allen Kraͤften der Arzneyen auf. Ueber alle Erwartung erhielt ich ihn in dieſem Zu- ſtande drey Wochen. Nach dieſer Zeit entſtund eine Geſchwulſt im Auge, welche nach einigen Tagen auf- brach, und nebſt einer groſſen Menge unreinen We- ſens alle Saͤfte des Augapfels ausrinnen ließ. — Von dieſer Zeit fieng er an ſich zu erholen. — — Nach- dem er ſchon zwey Monate mit einem Stock herum- gieng, freye Luft und beſſere Nahrung ſuchte; wur- den ihm die Stellen unter beyden Bruſtwarzen ſchmerz- haft. Auf den Ribben ſchien ſich ein harter gewoͤlb- ter Koͤrper gebildet zu haben, als wenn die Ribben ſelbſt B b 2

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 387. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/406>, abgerufen am 30.04.2024.