unerwartete Kleinheit derselben, welche mit jener Vorstellung von ihrer Größe gar nicht mehr übereinstimmt. Dennoch hat sich hiebey seit jenen Zeiten nichts weiter geändert, als unsere Fertigkeit und Art, von der Größe der Gegenstände zu urtheilen.
So scheinen uns auch Dinge, die wir von unten in der Höhe, oder von einem hohen Gebäude herab in der Tiefe sehen, ungewöhnlich klein. Dies ist nemlich eine für uns ungewöhnliche Art des Sehens, und wir schätzen sie nach den Regeln, an die wir uns beym Sehen in horizontaler Richtung gewöhnt haben. Nach diesen Regeln halten wir die hoch oder tief stehenden Dinge für näher, als sie wirklich sind, und legen ihnen darum eine geringere Größe bey, s. Größe, scheinbare. D. Iurin (s. Priestley Gesch. der Optik, durch Klügel, S. 297.) erklärt dies sehr deutlich. "Manlasse," sagt er, "einen Knaben, der nie "auf einem hohen Gebäude gewesen, die Spitze des Mo"numents in London besteigen, so werden ihm Menschen "und Pferde auf der Gasse so klein vorkommen, daß er sich "höchlich wundern wird. Aber nach 10 oder 20 Jahren, "wenn er mehrmal von so großen Höhen herunter zu sehen "sich gewöhnt hat, werden ihm dieselben Gegenstände nicht "mehr so klein aussehen. Und wenn er sie von solchen Hö"hen herab so oft sähe, als er sie mit sich auf derselben Eb"ne auf den Gassen siehet, so würden sie ihm von der Spi"tze des Monuments herab nicht kleiner vorkommen, als "wenn er sie aus einem Fenster im ersten Stocke betrach"tete."
Ueberhaupt halten wir nach Bouguers Bemerkung (Mem. de Paris. 1755. p. 156. sqq.) sehr große Entfernungen immer für kleiner, als sie sind, weil uns in der Ferne die Data, die auf das Urtheil von größerm Abstande leiten, immer mehr fehlen. Daher kömmt es, daß eine lange Allee sich zusammenzuziehen, und ein weiter horizontaler Grund, z. B. die Fläche des Meeres sich zu erheben scheint, weil wir die fernern Theile für näher halten, und uns also das Zusammenlaufen oder die Erhebung stärker vorkömmt, als sie bey der geglaubten Nähe nach den gewöhnlichen Regeln
unerwartete Kleinheit derſelben, welche mit jener Vorſtellung von ihrer Groͤße gar nicht mehr uͤbereinſtimmt. Dennoch hat ſich hiebey ſeit jenen Zeiten nichts weiter geaͤndert, als unſere Fertigkeit und Art, von der Groͤße der Gegenſtaͤnde zu urtheilen.
So ſcheinen uns auch Dinge, die wir von unten in der Hoͤhe, oder von einem hohen Gebaͤude herab in der Tiefe ſehen, ungewoͤhnlich klein. Dies iſt nemlich eine fuͤr uns ungewoͤhnliche Art des Sehens, und wir ſchaͤtzen ſie nach den Regeln, an die wir uns beym Sehen in horizontaler Richtung gewoͤhnt haben. Nach dieſen Regeln halten wir die hoch oder tief ſtehenden Dinge fuͤr naͤher, als ſie wirklich ſind, und legen ihnen darum eine geringere Groͤße bey, ſ. Groͤße, ſcheinbare. D. Iurin (ſ. Prieſtley Geſch. der Optik, durch Kluͤgel, S. 297.) erklaͤrt dies ſehr deutlich. ”Manlaſſe,“ ſagt er, ”einen Knaben, der nie ”auf einem hohen Gebaͤude geweſen, die Spitze des Mo”numents in London beſteigen, ſo werden ihm Menſchen ”und Pferde auf der Gaſſe ſo klein vorkommen, daß er ſich ”hoͤchlich wundern wird. Aber nach 10 oder 20 Jahren, ”wenn er mehrmal von ſo großen Hoͤhen herunter zu ſehen ”ſich gewoͤhnt hat, werden ihm dieſelben Gegenſtaͤnde nicht ”mehr ſo klein ausſehen. Und wenn er ſie von ſolchen Hoͤ”hen herab ſo oft ſaͤhe, als er ſie mit ſich auf derſelben Eb”ne auf den Gaſſen ſiehet, ſo wuͤrden ſie ihm von der Spi”tze des Monuments herab nicht kleiner vorkommen, als ”wenn er ſie aus einem Fenſter im erſten Stocke betrach”tete.“
Ueberhaupt halten wir nach Bouguers Bemerkung (Mém. de Paris. 1755. p. 156. ſqq.) ſehr große Entfernungen immer fuͤr kleiner, als ſie ſind, weil uns in der Ferne die Data, die auf das Urtheil von groͤßerm Abſtande leiten, immer mehr fehlen. Daher koͤmmt es, daß eine lange Allee ſich zuſammenzuziehen, und ein weiter horizontaler Grund, z. B. die Flaͤche des Meeres ſich zu erheben ſcheint, weil wir die fernern Theile fuͤr naͤher halten, und uns alſo das Zuſammenlaufen oder die Erhebung ſtaͤrker vorkoͤmmt, als ſie bey der geglaubten Naͤhe nach den gewoͤhnlichen Regeln
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unerwartete Kleinheit derſelben, welche mit jener Vorſtellung von ihrer Groͤße gar nicht mehr uͤbereinſtimmt. Dennoch hat ſich hiebey ſeit jenen Zeiten nichts weiter geaͤndert, als unſere Fertigkeit und Art, von der Groͤße der Gegenſtaͤnde zu urtheilen.</p><p>So ſcheinen uns auch Dinge, die wir von unten in der Hoͤhe, oder von einem hohen Gebaͤude herab in der Tiefe ſehen, ungewoͤhnlich klein. Dies iſt nemlich eine fuͤr uns ungewoͤhnliche Art des Sehens, und wir ſchaͤtzen ſie nach den Regeln, an die wir uns beym Sehen in horizontaler Richtung gewoͤhnt haben. Nach dieſen Regeln halten wir die hoch oder tief ſtehenden Dinge fuͤr naͤher, als ſie wirklich ſind, und legen ihnen darum eine geringere Groͤße bey, <hirendition="#b">ſ. Groͤße, ſcheinbare. D. Iurin</hi> (<hirendition="#b">ſ. Prieſtley</hi> Geſch. der Optik, durch <hirendition="#b">Kluͤgel,</hi> S. 297.) erklaͤrt dies ſehr deutlich. ”Manlaſſe,“ſagt er, ”einen Knaben, der nie ”auf einem hohen Gebaͤude geweſen, die Spitze des Mo”numents in London beſteigen, ſo werden ihm Menſchen ”und Pferde auf der Gaſſe ſo klein vorkommen, daß er ſich ”hoͤchlich wundern wird. Aber nach 10 oder 20 Jahren, ”wenn er mehrmal von ſo großen Hoͤhen herunter zu ſehen ”ſich gewoͤhnt hat, werden ihm dieſelben Gegenſtaͤnde nicht ”mehr ſo klein ausſehen. Und wenn er ſie von ſolchen Hoͤ”hen herab ſo oft ſaͤhe, als er ſie mit ſich auf derſelben Eb”ne auf den Gaſſen ſiehet, ſo wuͤrden ſie ihm von der Spi”tze des Monuments herab nicht kleiner vorkommen, als ”wenn er ſie aus einem Fenſter im erſten Stocke betrach”tete.“</p><p>Ueberhaupt halten wir nach <hirendition="#b">Bouguers</hi> Bemerkung <hirendition="#aq">(Mém. de Paris. 1755. p. 156. ſqq.)</hi>ſehr große Entfernungen immer fuͤr kleiner, als ſie ſind, weil uns in der Ferne die Data, die auf das Urtheil von groͤßerm Abſtande leiten, immer mehr fehlen. Daher koͤmmt es, daß eine lange Allee ſich zuſammenzuziehen, und ein weiter horizontaler Grund, z. B. die Flaͤche des Meeres ſich zu erheben ſcheint, weil wir die fernern Theile fuͤr naͤher halten, und uns alſo das Zuſammenlaufen oder die Erhebung ſtaͤrker vorkoͤmmt, als ſie bey der geglaubten Naͤhe nach den gewoͤhnlichen Regeln<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
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unerwartete Kleinheit derſelben, welche mit jener Vorſtellung von ihrer Groͤße gar nicht mehr uͤbereinſtimmt. Dennoch hat ſich hiebey ſeit jenen Zeiten nichts weiter geaͤndert, als unſere Fertigkeit und Art, von der Groͤße der Gegenſtaͤnde zu urtheilen.
So ſcheinen uns auch Dinge, die wir von unten in der Hoͤhe, oder von einem hohen Gebaͤude herab in der Tiefe ſehen, ungewoͤhnlich klein. Dies iſt nemlich eine fuͤr uns ungewoͤhnliche Art des Sehens, und wir ſchaͤtzen ſie nach den Regeln, an die wir uns beym Sehen in horizontaler Richtung gewoͤhnt haben. Nach dieſen Regeln halten wir die hoch oder tief ſtehenden Dinge fuͤr naͤher, als ſie wirklich ſind, und legen ihnen darum eine geringere Groͤße bey, ſ. Groͤße, ſcheinbare. D. Iurin (ſ. Prieſtley Geſch. der Optik, durch Kluͤgel, S. 297.) erklaͤrt dies ſehr deutlich. ”Manlaſſe,“ ſagt er, ”einen Knaben, der nie ”auf einem hohen Gebaͤude geweſen, die Spitze des Mo”numents in London beſteigen, ſo werden ihm Menſchen ”und Pferde auf der Gaſſe ſo klein vorkommen, daß er ſich ”hoͤchlich wundern wird. Aber nach 10 oder 20 Jahren, ”wenn er mehrmal von ſo großen Hoͤhen herunter zu ſehen ”ſich gewoͤhnt hat, werden ihm dieſelben Gegenſtaͤnde nicht ”mehr ſo klein ausſehen. Und wenn er ſie von ſolchen Hoͤ”hen herab ſo oft ſaͤhe, als er ſie mit ſich auf derſelben Eb”ne auf den Gaſſen ſiehet, ſo wuͤrden ſie ihm von der Spi”tze des Monuments herab nicht kleiner vorkommen, als ”wenn er ſie aus einem Fenſter im erſten Stocke betrach”tete.“
Ueberhaupt halten wir nach Bouguers Bemerkung (Mém. de Paris. 1755. p. 156. ſqq.) ſehr große Entfernungen immer fuͤr kleiner, als ſie ſind, weil uns in der Ferne die Data, die auf das Urtheil von groͤßerm Abſtande leiten, immer mehr fehlen. Daher koͤmmt es, daß eine lange Allee ſich zuſammenzuziehen, und ein weiter horizontaler Grund, z. B. die Flaͤche des Meeres ſich zu erheben ſcheint, weil wir die fernern Theile fuͤr naͤher halten, und uns alſo das Zuſammenlaufen oder die Erhebung ſtaͤrker vorkoͤmmt, als ſie bey der geglaubten Naͤhe nach den gewoͤhnlichen Regeln
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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 469. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/475>, abgerufen am 13.06.2024.
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