Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799.

Bild:
<< vorherige Seite


Erfahrungen ordnen, verbinden und zu Erklärungen benützen kan, einen ausgezeichneten Platz verdiene, und es würde jetzt unverzeihlich seyn, in einem Buche davon zu schweigen, welches die Ausbreitung nützlicher Kenntnisse und schicklicher Vorstellungen von den natürlichen Dingen zur Absicht hat.

Ich werde daher in diesem Supplementbande die vornehmsten allgemeinen Begriffe, welche das antiphlogistische System in die Wissenschaft eingeführt hat, in neuen Artikeln oder in Zusätzen zu den vorigen, erläutern, die Synonymie an den gehörigen Orten durch Hinzufügung der neuen Namen ergänzen, und bey den Erklärungen der Naturbegebenheiten mit auf diejenigen Rücksicht nehmen, welche nach dem neuen System, fast immer mit ausgezeichneter Simplicität und Leichtigkeit, gegeben werden können. An gegenwärtiger Stelle will ich eine kurze Uebersicht des Ganzen nebst einigen allgemeinen Bemerkungen, und den litterarischen und historischen Nachrichten mittheilen, welche die antiphlogistische Chemie überhaupt betreffen.

Das ganze System geht von den Wirkungen des Wärmestoffs (Calorique) aus, der durch seine Elasticität die kleinsten Theile (molecules) der Körper trennt, und sie in den Zustand der tropfbaren, oder wenn die Elasticität den Druck der Atmosphäre überwindet, in den Zustand der elastischen Flüßigkeit versetzt, in welchem letztern man sie Gas (Gaz) nennt. Die Luft der Atmosphäre besteht aus zwey Arten von Gas, einem respirabeln und einem irrespirabeln, deren Mengen sich wie 27 : 73 verhalten. Die Basis des ersten erhält den Namen Sauerstoff (Oxygene); sie ist in der Natur sehr häufig verbreitet, und bildet mit dem Calorique das Sauerstoffgas (Lebensluft, Gaz oxygene). Die Basis des irrespirabeln Theils heißt Stickstoff, nach Andern Salpeterstoff (Azote), und bildet mit Wärmestoff das Stickgas, Salpeterstoffgas (Gaz azote). Phosphor, Schwefel und Kohle trennen bey hohen Graden der Temperatur den Sauerstoff, den sie in der Luft finden, vom Wärmestoff, dadurch wird der letztere frey, und zeigt sich durch Hitze und Licht; darinn besteht das Verbrennen jener Substanzen; der Sauerstoff verbindet sich mit ihnen zu Säuren.


Erfahrungen ordnen, verbinden und zu Erklaͤrungen benuͤtzen kan, einen ausgezeichneten Platz verdiene, und es wuͤrde jetzt unverzeihlich ſeyn, in einem Buche davon zu ſchweigen, welches die Ausbreitung nuͤtzlicher Kenntniſſe und ſchicklicher Vorſtellungen von den natuͤrlichen Dingen zur Abſicht hat.

Ich werde daher in dieſem Supplementbande die vornehmſten allgemeinen Begriffe, welche das antiphlogiſtiſche Syſtem in die Wiſſenſchaft eingefuͤhrt hat, in neuen Artikeln oder in Zuſaͤtzen zu den vorigen, erlaͤutern, die Synonymie an den gehoͤrigen Orten durch Hinzufuͤgung der neuen Namen ergaͤnzen, und bey den Erklaͤrungen der Naturbegebenheiten mit auf diejenigen Ruͤckſicht nehmen, welche nach dem neuen Syſtem, faſt immer mit ausgezeichneter Simplicitaͤt und Leichtigkeit, gegeben werden koͤnnen. An gegenwaͤrtiger Stelle will ich eine kurze Ueberſicht des Ganzen nebſt einigen allgemeinen Bemerkungen, und den litterariſchen und hiſtoriſchen Nachrichten mittheilen, welche die antiphlogiſtiſche Chemie uͤberhaupt betreffen.

Das ganze Syſtem geht von den Wirkungen des Waͤrmeſtoffs (Calorique) aus, der durch ſeine Elaſticitaͤt die kleinſten Theile (molécules) der Koͤrper trennt, und ſie in den Zuſtand der tropfbaren, oder wenn die Elaſticitaͤt den Druck der Atmoſphaͤre uͤberwindet, in den Zuſtand der elaſtiſchen Fluͤßigkeit verſetzt, in welchem letztern man ſie Gas (Gaz) nennt. Die Luft der Atmoſphaͤre beſteht aus zwey Arten von Gas, einem reſpirabeln und einem irreſpirabeln, deren Mengen ſich wie 27 : 73 verhalten. Die Baſis des erſten erhaͤlt den Namen Sauerſtoff (Oxygène); ſie iſt in der Natur ſehr haͤufig verbreitet, und bildet mit dem Calorique das Sauerſtoffgas (Lebensluft, Gaz oxygène). Die Baſis des irreſpirabeln Theils heißt Stickſtoff, nach Andern Salpeterſtoff (Azote), und bildet mit Waͤrmeſtoff das Stickgas, Salpeterſtoffgas (Gaz azote). Phosphor, Schwefel und Kohle trennen bey hohen Graden der Temperatur den Sauerſtoff, den ſie in der Luft finden, vom Waͤrmeſtoff, dadurch wird der letztere frey, und zeigt ſich durch Hitze und Licht; darinn beſteht das Verbrennen jener Subſtanzen; der Sauerſtoff verbindet ſich mit ihnen zu Saͤuren.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="2">
              <p><pb facs="#f0044" xml:id="P.5.32" n="32"/><lb/>
Erfahrungen ordnen, verbinden und zu Erkla&#x0364;rungen benu&#x0364;tzen kan, einen ausgezeichneten Platz verdiene, und es wu&#x0364;rde jetzt unverzeihlich &#x017F;eyn, in einem Buche davon zu &#x017F;chweigen, welches die Ausbreitung nu&#x0364;tzlicher Kenntni&#x017F;&#x017F;e und &#x017F;chicklicher Vor&#x017F;tellungen von den natu&#x0364;rlichen Dingen zur Ab&#x017F;icht hat.</p>
              <p>Ich werde daher in die&#x017F;em Supplementbande die vornehm&#x017F;ten allgemeinen Begriffe, welche das antiphlogi&#x017F;ti&#x017F;che Sy&#x017F;tem in die Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft eingefu&#x0364;hrt hat, in neuen Artikeln oder in Zu&#x017F;a&#x0364;tzen zu den vorigen, erla&#x0364;utern, die Synonymie an den geho&#x0364;rigen Orten durch Hinzufu&#x0364;gung der neuen Namen erga&#x0364;nzen, und bey den Erkla&#x0364;rungen der Naturbegebenheiten mit auf diejenigen Ru&#x0364;ck&#x017F;icht nehmen, welche nach dem neuen Sy&#x017F;tem, fa&#x017F;t immer mit ausgezeichneter Simplicita&#x0364;t und Leichtigkeit, gegeben werden ko&#x0364;nnen. An gegenwa&#x0364;rtiger Stelle will ich eine kurze Ueber&#x017F;icht des Ganzen neb&#x017F;t einigen allgemeinen Bemerkungen, und den litterari&#x017F;chen und hi&#x017F;tori&#x017F;chen Nachrichten mittheilen, welche die antiphlogi&#x017F;ti&#x017F;che Chemie u&#x0364;berhaupt betreffen.</p>
              <p>Das ganze Sy&#x017F;tem geht von den Wirkungen des <hi rendition="#b">Wa&#x0364;rme&#x017F;toffs</hi> <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">(Calorique)</hi></hi> aus, der durch &#x017F;eine Ela&#x017F;ticita&#x0364;t die klein&#x017F;ten Theile <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">(molécules)</hi></hi> der Ko&#x0364;rper trennt, und &#x017F;ie in den Zu&#x017F;tand der tropfbaren, oder wenn die Ela&#x017F;ticita&#x0364;t den Druck der Atmo&#x017F;pha&#x0364;re u&#x0364;berwindet, in den Zu&#x017F;tand der ela&#x017F;ti&#x017F;chen Flu&#x0364;ßigkeit ver&#x017F;etzt, in welchem letztern man &#x017F;ie <hi rendition="#b">Gas</hi> <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">(Gaz)</hi></hi> nennt. Die Luft der Atmo&#x017F;pha&#x0364;re be&#x017F;teht aus zwey Arten von Gas, einem re&#x017F;pirabeln und einem irre&#x017F;pirabeln, deren Mengen &#x017F;ich wie 27 : 73 verhalten. Die Ba&#x017F;is des er&#x017F;ten erha&#x0364;lt den Namen <hi rendition="#b">Sauer&#x017F;toff</hi> <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">(Oxygène);</hi></hi> &#x017F;ie i&#x017F;t in der Natur &#x017F;ehr ha&#x0364;ufig verbreitet, und bildet mit dem <hi rendition="#aq">Calorique</hi> das <hi rendition="#b">Sauer&#x017F;toffgas</hi> (Lebensluft, <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">Gaz oxygène).</hi></hi> Die Ba&#x017F;is des irre&#x017F;pirabeln Theils heißt <hi rendition="#b">Stick&#x017F;toff,</hi> nach Andern <hi rendition="#b">Salpeter&#x017F;toff</hi> <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">(Azote),</hi></hi> und bildet mit Wa&#x0364;rme&#x017F;toff das <hi rendition="#b">Stickgas, Salpeter&#x017F;toffgas</hi> <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">(Gaz azote).</hi></hi> Phosphor, Schwefel und Kohle trennen bey hohen Graden der Temperatur den Sauer&#x017F;toff, den &#x017F;ie in der Luft finden, vom Wa&#x0364;rme&#x017F;toff, dadurch wird der letztere frey, und zeigt &#x017F;ich durch Hitze und Licht; darinn be&#x017F;teht das <hi rendition="#b">Verbrennen</hi> jener Sub&#x017F;tanzen; der Sauer&#x017F;toff verbindet &#x017F;ich mit ihnen zu <hi rendition="#b">Sa&#x0364;uren.</hi><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[32/0044] Erfahrungen ordnen, verbinden und zu Erklaͤrungen benuͤtzen kan, einen ausgezeichneten Platz verdiene, und es wuͤrde jetzt unverzeihlich ſeyn, in einem Buche davon zu ſchweigen, welches die Ausbreitung nuͤtzlicher Kenntniſſe und ſchicklicher Vorſtellungen von den natuͤrlichen Dingen zur Abſicht hat. Ich werde daher in dieſem Supplementbande die vornehmſten allgemeinen Begriffe, welche das antiphlogiſtiſche Syſtem in die Wiſſenſchaft eingefuͤhrt hat, in neuen Artikeln oder in Zuſaͤtzen zu den vorigen, erlaͤutern, die Synonymie an den gehoͤrigen Orten durch Hinzufuͤgung der neuen Namen ergaͤnzen, und bey den Erklaͤrungen der Naturbegebenheiten mit auf diejenigen Ruͤckſicht nehmen, welche nach dem neuen Syſtem, faſt immer mit ausgezeichneter Simplicitaͤt und Leichtigkeit, gegeben werden koͤnnen. An gegenwaͤrtiger Stelle will ich eine kurze Ueberſicht des Ganzen nebſt einigen allgemeinen Bemerkungen, und den litterariſchen und hiſtoriſchen Nachrichten mittheilen, welche die antiphlogiſtiſche Chemie uͤberhaupt betreffen. Das ganze Syſtem geht von den Wirkungen des Waͤrmeſtoffs (Calorique) aus, der durch ſeine Elaſticitaͤt die kleinſten Theile (molécules) der Koͤrper trennt, und ſie in den Zuſtand der tropfbaren, oder wenn die Elaſticitaͤt den Druck der Atmoſphaͤre uͤberwindet, in den Zuſtand der elaſtiſchen Fluͤßigkeit verſetzt, in welchem letztern man ſie Gas (Gaz) nennt. Die Luft der Atmoſphaͤre beſteht aus zwey Arten von Gas, einem reſpirabeln und einem irreſpirabeln, deren Mengen ſich wie 27 : 73 verhalten. Die Baſis des erſten erhaͤlt den Namen Sauerſtoff (Oxygène); ſie iſt in der Natur ſehr haͤufig verbreitet, und bildet mit dem Calorique das Sauerſtoffgas (Lebensluft, Gaz oxygène). Die Baſis des irreſpirabeln Theils heißt Stickſtoff, nach Andern Salpeterſtoff (Azote), und bildet mit Waͤrmeſtoff das Stickgas, Salpeterſtoffgas (Gaz azote). Phosphor, Schwefel und Kohle trennen bey hohen Graden der Temperatur den Sauerſtoff, den ſie in der Luft finden, vom Waͤrmeſtoff, dadurch wird der letztere frey, und zeigt ſich durch Hitze und Licht; darinn beſteht das Verbrennen jener Subſtanzen; der Sauerſtoff verbindet ſich mit ihnen zu Saͤuren.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/44
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/44>, abgerufen am 30.04.2024.