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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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wiesen; und so zögerte denn die Partei keinen Augenblick, beide dem höher"
Zweck, dem Siege des demokratischen Prinzips zu opfern. Wie die Sachen
sich gestaltet hatten, kam es vor Allem darauf an, die Wiederherstellung der
Ordnung zu verhindern. Die Bauern mußten tu ihren Ausschweifungen
bestärkt und auf den Gedanken gebracht werden, ihr Beistand habe die Re¬
gierung gerettet, dafür seien sie berechtigt, jegliche Belohnung anzusprechen;
die Negierung aber sei unvermögend, ihnen zu verweigern, was sie mit
Ernst und Nachdruck fordern würden. Man hoffte, wenn sie sich in ihren
Erwartungen getäuscht fänden, würden sie leicht zum Widerstande gegen die
Staatsgewalt zu bewegen sein; und so werde der Zweck, den man auf dem
bisherigen Wege verfehlt hatte, durch einen Bauernkrieg erreicht werden." --

"Wenn man erwägt, wie beharrlich und geschickt die Revolutionspartei
ihre bösen Rande spann, wie sie jede Gestalt anzunehmen wußte und daß
es ein rohes, bereits in Aufregung gebrachtes Volk war, an dem sie ihre
Künste übte, so muß es den Beobachter mit Staunen erfüllen, daß die Ver¬
führung keinen größern Erfolg hatte. Wer eines unparteiischen Urtheils
fähig ist, wird darin den Beweis erblicken, wie unerschütterlich in Oesterreich
das Ansehen des Gesetzes ist. -- Thätlicher Widerstand gegen die landes¬
herrlichen Behörden ist nirgends vorgekommen. Das geraubte Gut wurde,
in so weit es sich noch auffinden ließ, ohne Widersetzlichkeit herausge¬
geben." --

Sehr interessant ist die Episode über Szcla, einen Mann, den man
seit der Klage des Herrn von Bogusz als ein Mittelding zwischen einem
Banditenchcf und einem Jacobiner zu betrachten gewohnt war. "Ein bereits
60jähriger, gänzlich ungebildeter Bauer, verbindet Szela mit vielem natür¬
lichen Verstände und einem gleichsam instinctiven Rechtssinne große Festig¬
keit, Ernst und Hang zur Schwärmerei; er glaubt an Träume und Vor¬
bedeutungen. Seit langen Jahren war seine ganze Thätigkeit darauf ge¬
richtet, seiner Gemeinde zu ihrem vorenthaltenen Rechte zu verhelfen; die
Erkundigungen, die er zu diesem Ende einziehen, der Umgang, den er mit
Advokaten pflegen mußte, verschaffte ihm eine genane Kenntniß der Gesetze
in Untcrthanssachcn und zugleich die Ueberzeugung, wie väterlich die Re¬
gierung sür den Landmann gesinnt sei und wie sehr ihre gute Absicht dnrch
manche Gutsherrschaften vereitelt werde. Hiedurch entwickelte sich bei ihm
eine schwärmerische Anhänglichkeit an die Regierung und ein bitterer Adclshaß.
Als nun die Empörung ausbrach und an der Treue der Bauern blutig scheiterte,
sah er in dem was geschah, ein Strafgericht Gottes. Nach dem gewaltsamen
Tode der BoguSz (seiner Gutsherrschaft) trat Szela, der einflußreichste Mann


wiesen; und so zögerte denn die Partei keinen Augenblick, beide dem höher«
Zweck, dem Siege des demokratischen Prinzips zu opfern. Wie die Sachen
sich gestaltet hatten, kam es vor Allem darauf an, die Wiederherstellung der
Ordnung zu verhindern. Die Bauern mußten tu ihren Ausschweifungen
bestärkt und auf den Gedanken gebracht werden, ihr Beistand habe die Re¬
gierung gerettet, dafür seien sie berechtigt, jegliche Belohnung anzusprechen;
die Negierung aber sei unvermögend, ihnen zu verweigern, was sie mit
Ernst und Nachdruck fordern würden. Man hoffte, wenn sie sich in ihren
Erwartungen getäuscht fänden, würden sie leicht zum Widerstande gegen die
Staatsgewalt zu bewegen sein; und so werde der Zweck, den man auf dem
bisherigen Wege verfehlt hatte, durch einen Bauernkrieg erreicht werden." —

„Wenn man erwägt, wie beharrlich und geschickt die Revolutionspartei
ihre bösen Rande spann, wie sie jede Gestalt anzunehmen wußte und daß
es ein rohes, bereits in Aufregung gebrachtes Volk war, an dem sie ihre
Künste übte, so muß es den Beobachter mit Staunen erfüllen, daß die Ver¬
führung keinen größern Erfolg hatte. Wer eines unparteiischen Urtheils
fähig ist, wird darin den Beweis erblicken, wie unerschütterlich in Oesterreich
das Ansehen des Gesetzes ist. — Thätlicher Widerstand gegen die landes¬
herrlichen Behörden ist nirgends vorgekommen. Das geraubte Gut wurde,
in so weit es sich noch auffinden ließ, ohne Widersetzlichkeit herausge¬
geben." —

Sehr interessant ist die Episode über Szcla, einen Mann, den man
seit der Klage des Herrn von Bogusz als ein Mittelding zwischen einem
Banditenchcf und einem Jacobiner zu betrachten gewohnt war. „Ein bereits
60jähriger, gänzlich ungebildeter Bauer, verbindet Szela mit vielem natür¬
lichen Verstände und einem gleichsam instinctiven Rechtssinne große Festig¬
keit, Ernst und Hang zur Schwärmerei; er glaubt an Träume und Vor¬
bedeutungen. Seit langen Jahren war seine ganze Thätigkeit darauf ge¬
richtet, seiner Gemeinde zu ihrem vorenthaltenen Rechte zu verhelfen; die
Erkundigungen, die er zu diesem Ende einziehen, der Umgang, den er mit
Advokaten pflegen mußte, verschaffte ihm eine genane Kenntniß der Gesetze
in Untcrthanssachcn und zugleich die Ueberzeugung, wie väterlich die Re¬
gierung sür den Landmann gesinnt sei und wie sehr ihre gute Absicht dnrch
manche Gutsherrschaften vereitelt werde. Hiedurch entwickelte sich bei ihm
eine schwärmerische Anhänglichkeit an die Regierung und ein bitterer Adclshaß.
Als nun die Empörung ausbrach und an der Treue der Bauern blutig scheiterte,
sah er in dem was geschah, ein Strafgericht Gottes. Nach dem gewaltsamen
Tode der BoguSz (seiner Gutsherrschaft) trat Szela, der einflußreichste Mann


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/68>, abgerufen am 13.05.2024.