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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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Schwerin erwartete, unter den Ständcmitgliedern vorher zur Vertheilung brin¬
gen zu können. Aber auch selbst diese kurze Frist gönnte man dem Antrage
nicht. Die Exemplare der sehr gründlich gearbeiteten Motive kamen an, nach¬
dem die Stände schon soeben mit der Sache fertig geworden waren. Bei der
Regierung war man allerdings schon früher auf den Handelsvertrag und dessen
bedrohlichen Charakter für den Hauptindustriezweig der beiden Seestädte, die
Rhederei, aufmerksam geworden. Das Rcgierungsorgan glaubte aber seine
Leser damit trösten zu können, daß Mecklenburg versuchen müsse, durch Unter¬
handlung mit Frankreich sich die Vortheile des Handelsvertrages gleichfalls zu¬
zuwenden, und war so naiv hinzuzufügen, daß die mit Frankreich anzuknüpfende
diplomatische Unterhandlung erst durch den einzurichtenden Grenzzoll eine solide
Stütze erlangen würde, da Mecklenburg erst dann Frankreich etwas zu bieten
hätte. Es scheint dabei so etwas wie ein Differenzialzoll vorgeschwebt zu haben.
Bis dahin aber verlautet noch nichts, daß der mecklenburgische Geschäftsträger zu
Paris der kaiserlichen Regierung wegen dieser Angelegenheit diplomatische Er¬
öffnungen gemacht habe.

Wessen man sich in volkswirtschaftlicher Beziehung von der dermaligen
Landesvertretung zu versehen hat, wird noch durch Auswahl einiger weiteren
Punkte aus den Verhandlungen des letzten Landtags ins Licht treten.

Auf dem Landtage von 1861 war ein Gesetz vereinbart worden, welches
die ritter- und landschaftlichen Bauern gegen willkürliche Kündigung zu schützen
bestimmt war und dadurch der Ungewißheit ein Ende machen sollte, die
nach dem bisherigen Stande der Gesetzgebung über diese Verhältnisse herrschte
und zu mancherlei Streitigkeiten zwischen Regierung und Ständen geführt hatte.
Ein solches Gesetz war hoch an der Zeit, da die Bauern im Ritterschaftlichen
zum größten Theile durch ihre Grundherren bereits ausgerottet sind und da¬
durch nicht blos den davon unmittelbar betroffenen Personen große Härte, son¬
dern auch dem ganzen Lande, namentlich aber den Städten, schwerer Nachtheil
Widerfahren ist. Von 12,000 Bauern, welche man noch im Jahre 1628 auf
den Gütern der Ritterschaft zählte, ist kaum noch der zehnte Theil bei Bestand
geblieben. Auf dem Landtage von 1861 war nun der neue Gesetzentwurf so
aufgefaßt worden, daß Ritter- und Landschaft, indem sie demselben zustimmten,
damit auf die Kündigung der Bauern und auf die freie Wiederverleihung der
Bauerhufen zu verzichten beabsichtigten; und wenn auch der Gesetzentwurf
Manche für die Bauern sehr drückende und nachtheilige Bestimmungen enthielt,
so glaubte man doch wenigstens jenen Verzicht darin ausgesprochen zu finden.
Man erfuhr aber durch den letzten Landtag, daß diese Auslegung auf einem
Mißverständniß beruhe. Als unter den Vorlagen des Engeren Ausschusses der
Bericht über die geschehene Publication des Gesetzes verlesen ward, ergriff Herr
Pogge das Wort und theilte den in jüngster Zeit, nach Erlaß des Gesetzes,


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Schwerin erwartete, unter den Ständcmitgliedern vorher zur Vertheilung brin¬
gen zu können. Aber auch selbst diese kurze Frist gönnte man dem Antrage
nicht. Die Exemplare der sehr gründlich gearbeiteten Motive kamen an, nach¬
dem die Stände schon soeben mit der Sache fertig geworden waren. Bei der
Regierung war man allerdings schon früher auf den Handelsvertrag und dessen
bedrohlichen Charakter für den Hauptindustriezweig der beiden Seestädte, die
Rhederei, aufmerksam geworden. Das Rcgierungsorgan glaubte aber seine
Leser damit trösten zu können, daß Mecklenburg versuchen müsse, durch Unter¬
handlung mit Frankreich sich die Vortheile des Handelsvertrages gleichfalls zu¬
zuwenden, und war so naiv hinzuzufügen, daß die mit Frankreich anzuknüpfende
diplomatische Unterhandlung erst durch den einzurichtenden Grenzzoll eine solide
Stütze erlangen würde, da Mecklenburg erst dann Frankreich etwas zu bieten
hätte. Es scheint dabei so etwas wie ein Differenzialzoll vorgeschwebt zu haben.
Bis dahin aber verlautet noch nichts, daß der mecklenburgische Geschäftsträger zu
Paris der kaiserlichen Regierung wegen dieser Angelegenheit diplomatische Er¬
öffnungen gemacht habe.

Wessen man sich in volkswirtschaftlicher Beziehung von der dermaligen
Landesvertretung zu versehen hat, wird noch durch Auswahl einiger weiteren
Punkte aus den Verhandlungen des letzten Landtags ins Licht treten.

Auf dem Landtage von 1861 war ein Gesetz vereinbart worden, welches
die ritter- und landschaftlichen Bauern gegen willkürliche Kündigung zu schützen
bestimmt war und dadurch der Ungewißheit ein Ende machen sollte, die
nach dem bisherigen Stande der Gesetzgebung über diese Verhältnisse herrschte
und zu mancherlei Streitigkeiten zwischen Regierung und Ständen geführt hatte.
Ein solches Gesetz war hoch an der Zeit, da die Bauern im Ritterschaftlichen
zum größten Theile durch ihre Grundherren bereits ausgerottet sind und da¬
durch nicht blos den davon unmittelbar betroffenen Personen große Härte, son¬
dern auch dem ganzen Lande, namentlich aber den Städten, schwerer Nachtheil
Widerfahren ist. Von 12,000 Bauern, welche man noch im Jahre 1628 auf
den Gütern der Ritterschaft zählte, ist kaum noch der zehnte Theil bei Bestand
geblieben. Auf dem Landtage von 1861 war nun der neue Gesetzentwurf so
aufgefaßt worden, daß Ritter- und Landschaft, indem sie demselben zustimmten,
damit auf die Kündigung der Bauern und auf die freie Wiederverleihung der
Bauerhufen zu verzichten beabsichtigten; und wenn auch der Gesetzentwurf
Manche für die Bauern sehr drückende und nachtheilige Bestimmungen enthielt,
so glaubte man doch wenigstens jenen Verzicht darin ausgesprochen zu finden.
Man erfuhr aber durch den letzten Landtag, daß diese Auslegung auf einem
Mißverständniß beruhe. Als unter den Vorlagen des Engeren Ausschusses der
Bericht über die geschehene Publication des Gesetzes verlesen ward, ergriff Herr
Pogge das Wort und theilte den in jüngster Zeit, nach Erlaß des Gesetzes,


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[0195] Schwerin erwartete, unter den Ständcmitgliedern vorher zur Vertheilung brin¬ gen zu können. Aber auch selbst diese kurze Frist gönnte man dem Antrage nicht. Die Exemplare der sehr gründlich gearbeiteten Motive kamen an, nach¬ dem die Stände schon soeben mit der Sache fertig geworden waren. Bei der Regierung war man allerdings schon früher auf den Handelsvertrag und dessen bedrohlichen Charakter für den Hauptindustriezweig der beiden Seestädte, die Rhederei, aufmerksam geworden. Das Rcgierungsorgan glaubte aber seine Leser damit trösten zu können, daß Mecklenburg versuchen müsse, durch Unter¬ handlung mit Frankreich sich die Vortheile des Handelsvertrages gleichfalls zu¬ zuwenden, und war so naiv hinzuzufügen, daß die mit Frankreich anzuknüpfende diplomatische Unterhandlung erst durch den einzurichtenden Grenzzoll eine solide Stütze erlangen würde, da Mecklenburg erst dann Frankreich etwas zu bieten hätte. Es scheint dabei so etwas wie ein Differenzialzoll vorgeschwebt zu haben. Bis dahin aber verlautet noch nichts, daß der mecklenburgische Geschäftsträger zu Paris der kaiserlichen Regierung wegen dieser Angelegenheit diplomatische Er¬ öffnungen gemacht habe. Wessen man sich in volkswirtschaftlicher Beziehung von der dermaligen Landesvertretung zu versehen hat, wird noch durch Auswahl einiger weiteren Punkte aus den Verhandlungen des letzten Landtags ins Licht treten. Auf dem Landtage von 1861 war ein Gesetz vereinbart worden, welches die ritter- und landschaftlichen Bauern gegen willkürliche Kündigung zu schützen bestimmt war und dadurch der Ungewißheit ein Ende machen sollte, die nach dem bisherigen Stande der Gesetzgebung über diese Verhältnisse herrschte und zu mancherlei Streitigkeiten zwischen Regierung und Ständen geführt hatte. Ein solches Gesetz war hoch an der Zeit, da die Bauern im Ritterschaftlichen zum größten Theile durch ihre Grundherren bereits ausgerottet sind und da¬ durch nicht blos den davon unmittelbar betroffenen Personen große Härte, son¬ dern auch dem ganzen Lande, namentlich aber den Städten, schwerer Nachtheil Widerfahren ist. Von 12,000 Bauern, welche man noch im Jahre 1628 auf den Gütern der Ritterschaft zählte, ist kaum noch der zehnte Theil bei Bestand geblieben. Auf dem Landtage von 1861 war nun der neue Gesetzentwurf so aufgefaßt worden, daß Ritter- und Landschaft, indem sie demselben zustimmten, damit auf die Kündigung der Bauern und auf die freie Wiederverleihung der Bauerhufen zu verzichten beabsichtigten; und wenn auch der Gesetzentwurf Manche für die Bauern sehr drückende und nachtheilige Bestimmungen enthielt, so glaubte man doch wenigstens jenen Verzicht darin ausgesprochen zu finden. Man erfuhr aber durch den letzten Landtag, daß diese Auslegung auf einem Mißverständniß beruhe. Als unter den Vorlagen des Engeren Ausschusses der Bericht über die geschehene Publication des Gesetzes verlesen ward, ergriff Herr Pogge das Wort und theilte den in jüngster Zeit, nach Erlaß des Gesetzes, 24*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/195>, abgerufen am 01.11.2024.