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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

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Der Fremde in Ris.

Der Fremde schüttelte mit dem Kopfe. Ich habe niemals etwas bestimmtes
darüber erfahren können, erwiederte er, deshalb nehme ich an, daß es eine
Fabel ist, wie so manches andre.

Eine Fabel! wiederholte Sira John beleidigt. Ich selber habe das Land
auf einer Karte gesehen, die mir der Schiffer Durdley im vorigen Jahre zeigte!

Der Fremde konnte ein leises Lächeln über diese Beweisführung des
Predigers nicht unterdrücken, aber er antwortete mir, daß man sich hüten müsse,
sofort an das Vorhandensein eines Landes zu glauben, nur weil man es auf
einer Karte gesehen habe.

Haltet Ihr denn auch Se. Brcmdans Insel für eine Fabel? fragte Sira
John. Wir haben doch das Wort des würdigen Abtes, daß er, nachdem er
auf Jena gelandet war, die Wunderinsel im Meere erreichte und dort viele
merkwürdige Dinge sah!

Ich kann nicht leugnen, daß ich auch nicht an die Se. Vrcmdans Insel
glaube, antwortete Sir Dove. Das ist nichts weiter als eine fromme Sage,
ein sinniges Märchen, gleich der Erzählung von den sieben Städten im fernen
Westen. ^

Die sieben Städte? Davon habe ich noch niemals gehört, sagte der Prediger
in neugierigem Tone.

Und der Fremde erzählte, wie der Erzbischof von Porto mitsamt sechs
Bischöfen und vielen Männern und Weibern damals, als die Mauren die Halb¬
insel erobert hatten, an Bord reichbeladener Schiffe gegangen und nach Westen
gesegelt sei, bis sie nach vielen Tagereisen an schöne, fruchtbare Inseln gelangten,
wo sie ihre Schiffe verbrannten und blühende Pflanzstüdte gründeten. Mehr
als ein Schiffer, fuhr er fort, hat es seitdem mit heiligen, hohen Eiden be¬
schworen, daß er sie gesehen habe, ja es hat sogar Don Enrico, der jetzt selig
im Herrn ruht, Kunde davon gebracht, und doch kann ich nicht daran glauben,
da niemand genau hat augeben können, wo diese Inseln zu finden sind.

Aber ist es denn nicht ganz natürlich, daß dort draußen in dem weiten
Meere ein mächtiges Land liegen muß? meinte Sir John. Redet nicht schon
Plato von dem herrlichen, verschwundenen Atlantis, und hat nicht Seneca in
seiner Medea davon geweissagt, wenn er singt:


Einst wird sicher die Stunde kommen,
Wo des Okeanos Schranken gebrochen.
Lieblich entsteigt die Küste den Wogen,
Thetis erschließet uns neue Reiche,
Weiter entfernt als ultima 'I'KuIs,


Vonioni -Mois SÄSvulg, ssris,
(juibns Oesanus vinoulÄ rsrum
lillxst), ot inMns xirtsg-i rollus,
Lb.e>t>is<zus novos üvtvMt ordsg,
Uoo fil torris ullius, Hiuls.
Der Fremde in Ris.

Der Fremde schüttelte mit dem Kopfe. Ich habe niemals etwas bestimmtes
darüber erfahren können, erwiederte er, deshalb nehme ich an, daß es eine
Fabel ist, wie so manches andre.

Eine Fabel! wiederholte Sira John beleidigt. Ich selber habe das Land
auf einer Karte gesehen, die mir der Schiffer Durdley im vorigen Jahre zeigte!

Der Fremde konnte ein leises Lächeln über diese Beweisführung des
Predigers nicht unterdrücken, aber er antwortete mir, daß man sich hüten müsse,
sofort an das Vorhandensein eines Landes zu glauben, nur weil man es auf
einer Karte gesehen habe.

Haltet Ihr denn auch Se. Brcmdans Insel für eine Fabel? fragte Sira
John. Wir haben doch das Wort des würdigen Abtes, daß er, nachdem er
auf Jena gelandet war, die Wunderinsel im Meere erreichte und dort viele
merkwürdige Dinge sah!

Ich kann nicht leugnen, daß ich auch nicht an die Se. Vrcmdans Insel
glaube, antwortete Sir Dove. Das ist nichts weiter als eine fromme Sage,
ein sinniges Märchen, gleich der Erzählung von den sieben Städten im fernen
Westen. ^

Die sieben Städte? Davon habe ich noch niemals gehört, sagte der Prediger
in neugierigem Tone.

Und der Fremde erzählte, wie der Erzbischof von Porto mitsamt sechs
Bischöfen und vielen Männern und Weibern damals, als die Mauren die Halb¬
insel erobert hatten, an Bord reichbeladener Schiffe gegangen und nach Westen
gesegelt sei, bis sie nach vielen Tagereisen an schöne, fruchtbare Inseln gelangten,
wo sie ihre Schiffe verbrannten und blühende Pflanzstüdte gründeten. Mehr
als ein Schiffer, fuhr er fort, hat es seitdem mit heiligen, hohen Eiden be¬
schworen, daß er sie gesehen habe, ja es hat sogar Don Enrico, der jetzt selig
im Herrn ruht, Kunde davon gebracht, und doch kann ich nicht daran glauben,
da niemand genau hat augeben können, wo diese Inseln zu finden sind.

Aber ist es denn nicht ganz natürlich, daß dort draußen in dem weiten
Meere ein mächtiges Land liegen muß? meinte Sir John. Redet nicht schon
Plato von dem herrlichen, verschwundenen Atlantis, und hat nicht Seneca in
seiner Medea davon geweissagt, wenn er singt:


Einst wird sicher die Stunde kommen,
Wo des Okeanos Schranken gebrochen.
Lieblich entsteigt die Küste den Wogen,
Thetis erschließet uns neue Reiche,
Weiter entfernt als ultima 'I'KuIs,


Vonioni -Mois SÄSvulg, ssris,
(juibns Oesanus vinoulÄ rsrum
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/100>, abgerufen am 01.11.2024.