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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Nun muß man wissen, daß Herr Rötger als früherer Generaldirektor von
Fried. Krupp zu den nach Auffassung der "Kreuzzeitung" "von den Banken un¬
abhängigen" Industriellen gehört, und daß er stets in der vordersten Reihe der
Kämpfer gegen die Sozialdemokratie gestanden hat, -- allerdings nicht mit Hurra
und Säbelrasseln, sondern mit jener intensiven sozialen und kulturellen Arbeit, die
das Haus Krupp von jeher ausgezeichnet hat und derentwegen das Haus Krupp
wie kaum eine andere Firma die Zielscheibe des sozialdemokratischen Hasses
geworden ist. Wenn ein Mann mit der Vergangenheit und in der Stellung des
Herrn Rötger im Zentralverbande Deutscher Industrieller die Politik des Hansa-
bundes gutheißt, dann kann uns solches nur in der Auffassung bestärken, die
wir auf Grund selbständiger Prüfung des Tatsachenmaterials über die Ziele des
Hansabundes gewonnen haben.

Auf der Tagung des Zentralverbandes sind auch zwei Tatsachen zur Sprache
gekommen, die nicht unbeachtet bleiben sollten. Herr Bueck klagte die Industriellen
mangelnder Opferwilligkeit an und wies dabei auf den für die Sozialdemokraten
günstigen Verlauf des Werftarbeiterstreiks hin; gleichzeitig benutzte er die Gelegen¬
heit, die "Kathedersozialisten" sür das Anwachsen der Sozialdemokratie verant¬
wortlich zu machen. Von den "Kathedersozialisten" hört man gegenwärtig fast
ebensoviel wie in den achtzehnhundertsiebziger Jahren, als Schmoller und Treitschke
sich voneinander trennten und sich über Sozialpolitik unterhielten. Ging damals
der Nationalökonom Schmoller als Sieger aus dem Kampfe gegen den Historiker
hervor, so tritt heute ein junger Nationalökonom gegen drei greise Paladine ihrer
Wissenschaft in die Schranken, Ludwig Bernhard. So wird wenigstens von den
Gegnern der Schmollerschen Schule behauptet. Wir wollen mit unserem Urteil
über diesen Zusammenhang so lange zurückhalten, bis der Professorenstreit in Berlin
beigelegt ist, der Formen eines Ehrenhandels zwischen Leutnants angenommen hat,
die der ehrengerichtlichen Bestimmungen unkundig sind. Das kann uns indessen
nicht hindern, den Auffassungen Buecks über die Schmollersche Schule entschieden
entgegenzutreten und darauf hinzuweisen, welcher Segen gerade der Industrie aus
den Lehrsätzen Schmollers geflossen ist. Am 15. Februar 1875 schrieb Gustav
Schmoller in der Vorrede seines "Offenen Sendschreibens an Herrn Professor
Dr. Heinrich von Treitschke" 1874/75 (S. 5 d. II. Aufl. Duncker u. Humblot,
Leipzig 1904):

"Das Problem der Gegenwart in sozialer Beziehung liegt in dem Ringen gewisser
rechtlicher und sittlicher Ideale, treten sie nun in reiner oder tierzerrter Form auf, seien sie
bcrfrüht oder nicht, mit den Sätzen einer überlieferten Volkswirtschaftslehre und den Praktischen
Forderungen eines dem Tage dienenden, den besitzenden Klassen bequemen Geschäftsganges,
der bor allem ungestört bleiben will. Gewiß in bester Absicht, aber nach meiner Überzeugung
unter dem Drucke ganz einseitiger Vorstellungen und Befürchtungen hat ein großer Teil der
deutschen Gelehrtenwelt sich in diesem Kampfe ausschließlich auf die konservative, auf die
Seite der Besitzenden gestellt. Je monarchischer ich nun fühle, je mehr ich all mein Sinnen
und Denken eins weiß mit dem Staate der Hohenzollern, mit der Wiederaufrichtung des
Deutschen Reiches und seinem Kampfe gegen die antistaatlichen Tendenzen des Ultra-
montanismus und der Sozialdemokratie, um so mehr fühle ich mich verpflichtet, mit unbedingtem
Freimut Zeugnis für das abzulegen, was ich als das Berechtigte in der heutigen Bewegung
des vierten Standes ansehe, für das, was nach meiner Ansicht uns auch allein die normale
Weiterentwicklung unserer freiheitlichen Institutionen garantieren kann, für die soziale Reform.
Nur die Erhaltung eines breiten Mittelstandes, nur die Erhebung unserer unteren Klassen
auf eine etwas höhere Stufe der Bildung, des Einkommens und des Besitzes kann uns davor
bewahren, in letzter Instanz einer Politischen Entwicklung entgegenzugehen, die in einer
abwechselnden Herrschaft der Geldinteressen und des vierten Standes bestehen wird. Nur die
soziale Reform kann den Preußischen Staat in den Traditionen erhalten, die ihn groß gemacht,


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Nun muß man wissen, daß Herr Rötger als früherer Generaldirektor von
Fried. Krupp zu den nach Auffassung der „Kreuzzeitung" „von den Banken un¬
abhängigen" Industriellen gehört, und daß er stets in der vordersten Reihe der
Kämpfer gegen die Sozialdemokratie gestanden hat, — allerdings nicht mit Hurra
und Säbelrasseln, sondern mit jener intensiven sozialen und kulturellen Arbeit, die
das Haus Krupp von jeher ausgezeichnet hat und derentwegen das Haus Krupp
wie kaum eine andere Firma die Zielscheibe des sozialdemokratischen Hasses
geworden ist. Wenn ein Mann mit der Vergangenheit und in der Stellung des
Herrn Rötger im Zentralverbande Deutscher Industrieller die Politik des Hansa-
bundes gutheißt, dann kann uns solches nur in der Auffassung bestärken, die
wir auf Grund selbständiger Prüfung des Tatsachenmaterials über die Ziele des
Hansabundes gewonnen haben.

Auf der Tagung des Zentralverbandes sind auch zwei Tatsachen zur Sprache
gekommen, die nicht unbeachtet bleiben sollten. Herr Bueck klagte die Industriellen
mangelnder Opferwilligkeit an und wies dabei auf den für die Sozialdemokraten
günstigen Verlauf des Werftarbeiterstreiks hin; gleichzeitig benutzte er die Gelegen¬
heit, die „Kathedersozialisten" sür das Anwachsen der Sozialdemokratie verant¬
wortlich zu machen. Von den „Kathedersozialisten" hört man gegenwärtig fast
ebensoviel wie in den achtzehnhundertsiebziger Jahren, als Schmoller und Treitschke
sich voneinander trennten und sich über Sozialpolitik unterhielten. Ging damals
der Nationalökonom Schmoller als Sieger aus dem Kampfe gegen den Historiker
hervor, so tritt heute ein junger Nationalökonom gegen drei greise Paladine ihrer
Wissenschaft in die Schranken, Ludwig Bernhard. So wird wenigstens von den
Gegnern der Schmollerschen Schule behauptet. Wir wollen mit unserem Urteil
über diesen Zusammenhang so lange zurückhalten, bis der Professorenstreit in Berlin
beigelegt ist, der Formen eines Ehrenhandels zwischen Leutnants angenommen hat,
die der ehrengerichtlichen Bestimmungen unkundig sind. Das kann uns indessen
nicht hindern, den Auffassungen Buecks über die Schmollersche Schule entschieden
entgegenzutreten und darauf hinzuweisen, welcher Segen gerade der Industrie aus
den Lehrsätzen Schmollers geflossen ist. Am 15. Februar 1875 schrieb Gustav
Schmoller in der Vorrede seines „Offenen Sendschreibens an Herrn Professor
Dr. Heinrich von Treitschke" 1874/75 (S. 5 d. II. Aufl. Duncker u. Humblot,
Leipzig 1904):

„Das Problem der Gegenwart in sozialer Beziehung liegt in dem Ringen gewisser
rechtlicher und sittlicher Ideale, treten sie nun in reiner oder tierzerrter Form auf, seien sie
bcrfrüht oder nicht, mit den Sätzen einer überlieferten Volkswirtschaftslehre und den Praktischen
Forderungen eines dem Tage dienenden, den besitzenden Klassen bequemen Geschäftsganges,
der bor allem ungestört bleiben will. Gewiß in bester Absicht, aber nach meiner Überzeugung
unter dem Drucke ganz einseitiger Vorstellungen und Befürchtungen hat ein großer Teil der
deutschen Gelehrtenwelt sich in diesem Kampfe ausschließlich auf die konservative, auf die
Seite der Besitzenden gestellt. Je monarchischer ich nun fühle, je mehr ich all mein Sinnen
und Denken eins weiß mit dem Staate der Hohenzollern, mit der Wiederaufrichtung des
Deutschen Reiches und seinem Kampfe gegen die antistaatlichen Tendenzen des Ultra-
montanismus und der Sozialdemokratie, um so mehr fühle ich mich verpflichtet, mit unbedingtem
Freimut Zeugnis für das abzulegen, was ich als das Berechtigte in der heutigen Bewegung
des vierten Standes ansehe, für das, was nach meiner Ansicht uns auch allein die normale
Weiterentwicklung unserer freiheitlichen Institutionen garantieren kann, für die soziale Reform.
Nur die Erhaltung eines breiten Mittelstandes, nur die Erhebung unserer unteren Klassen
auf eine etwas höhere Stufe der Bildung, des Einkommens und des Besitzes kann uns davor
bewahren, in letzter Instanz einer Politischen Entwicklung entgegenzugehen, die in einer
abwechselnden Herrschaft der Geldinteressen und des vierten Standes bestehen wird. Nur die
soziale Reform kann den Preußischen Staat in den Traditionen erhalten, die ihn groß gemacht,


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[0545] Maßgebliches und Unmaßgebliches Nun muß man wissen, daß Herr Rötger als früherer Generaldirektor von Fried. Krupp zu den nach Auffassung der „Kreuzzeitung" „von den Banken un¬ abhängigen" Industriellen gehört, und daß er stets in der vordersten Reihe der Kämpfer gegen die Sozialdemokratie gestanden hat, — allerdings nicht mit Hurra und Säbelrasseln, sondern mit jener intensiven sozialen und kulturellen Arbeit, die das Haus Krupp von jeher ausgezeichnet hat und derentwegen das Haus Krupp wie kaum eine andere Firma die Zielscheibe des sozialdemokratischen Hasses geworden ist. Wenn ein Mann mit der Vergangenheit und in der Stellung des Herrn Rötger im Zentralverbande Deutscher Industrieller die Politik des Hansa- bundes gutheißt, dann kann uns solches nur in der Auffassung bestärken, die wir auf Grund selbständiger Prüfung des Tatsachenmaterials über die Ziele des Hansabundes gewonnen haben. Auf der Tagung des Zentralverbandes sind auch zwei Tatsachen zur Sprache gekommen, die nicht unbeachtet bleiben sollten. Herr Bueck klagte die Industriellen mangelnder Opferwilligkeit an und wies dabei auf den für die Sozialdemokraten günstigen Verlauf des Werftarbeiterstreiks hin; gleichzeitig benutzte er die Gelegen¬ heit, die „Kathedersozialisten" sür das Anwachsen der Sozialdemokratie verant¬ wortlich zu machen. Von den „Kathedersozialisten" hört man gegenwärtig fast ebensoviel wie in den achtzehnhundertsiebziger Jahren, als Schmoller und Treitschke sich voneinander trennten und sich über Sozialpolitik unterhielten. Ging damals der Nationalökonom Schmoller als Sieger aus dem Kampfe gegen den Historiker hervor, so tritt heute ein junger Nationalökonom gegen drei greise Paladine ihrer Wissenschaft in die Schranken, Ludwig Bernhard. So wird wenigstens von den Gegnern der Schmollerschen Schule behauptet. Wir wollen mit unserem Urteil über diesen Zusammenhang so lange zurückhalten, bis der Professorenstreit in Berlin beigelegt ist, der Formen eines Ehrenhandels zwischen Leutnants angenommen hat, die der ehrengerichtlichen Bestimmungen unkundig sind. Das kann uns indessen nicht hindern, den Auffassungen Buecks über die Schmollersche Schule entschieden entgegenzutreten und darauf hinzuweisen, welcher Segen gerade der Industrie aus den Lehrsätzen Schmollers geflossen ist. Am 15. Februar 1875 schrieb Gustav Schmoller in der Vorrede seines „Offenen Sendschreibens an Herrn Professor Dr. Heinrich von Treitschke" 1874/75 (S. 5 d. II. Aufl. Duncker u. Humblot, Leipzig 1904): „Das Problem der Gegenwart in sozialer Beziehung liegt in dem Ringen gewisser rechtlicher und sittlicher Ideale, treten sie nun in reiner oder tierzerrter Form auf, seien sie bcrfrüht oder nicht, mit den Sätzen einer überlieferten Volkswirtschaftslehre und den Praktischen Forderungen eines dem Tage dienenden, den besitzenden Klassen bequemen Geschäftsganges, der bor allem ungestört bleiben will. Gewiß in bester Absicht, aber nach meiner Überzeugung unter dem Drucke ganz einseitiger Vorstellungen und Befürchtungen hat ein großer Teil der deutschen Gelehrtenwelt sich in diesem Kampfe ausschließlich auf die konservative, auf die Seite der Besitzenden gestellt. Je monarchischer ich nun fühle, je mehr ich all mein Sinnen und Denken eins weiß mit dem Staate der Hohenzollern, mit der Wiederaufrichtung des Deutschen Reiches und seinem Kampfe gegen die antistaatlichen Tendenzen des Ultra- montanismus und der Sozialdemokratie, um so mehr fühle ich mich verpflichtet, mit unbedingtem Freimut Zeugnis für das abzulegen, was ich als das Berechtigte in der heutigen Bewegung des vierten Standes ansehe, für das, was nach meiner Ansicht uns auch allein die normale Weiterentwicklung unserer freiheitlichen Institutionen garantieren kann, für die soziale Reform. Nur die Erhaltung eines breiten Mittelstandes, nur die Erhebung unserer unteren Klassen auf eine etwas höhere Stufe der Bildung, des Einkommens und des Besitzes kann uns davor bewahren, in letzter Instanz einer Politischen Entwicklung entgegenzugehen, die in einer abwechselnden Herrschaft der Geldinteressen und des vierten Standes bestehen wird. Nur die soziale Reform kann den Preußischen Staat in den Traditionen erhalten, die ihn groß gemacht,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/545>, abgerufen am 31.10.2024.