Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837.Aschenputtel war geschwind durch das Taubenhaus gesprungen und zu dem Haselbäumchen gegangen, da hatte es die schönen Kleider ausgethan und aufs Grab gelegt, und der Vogel hatte sie wieder weggenommen, und dann hatte es sich in seinem grauen Kittelchen in die Küche zur Asche gesetzt. Am andern Tag, als das Fest von neuem anhub, und die Eltern und Stiefschwestern wieder fort waren, gieng Aschenputtel zu dem Haselbaum und sprach 'Bäumchen, rüttel dich und schüttel dich, nwirf Gold und Silber über mich.' Da wars der Vogel ein noch viel stolzeres Kleid herab, als am vorigen Tag. Und als es mit diesem Kleide auf der Hochzeit erschien, erstaunte jedermann über seine Schönheit: der Königssohn aber hatte gewartet bis es kam, nahm es gleich bei der Hand, und tanzte nur allein mit ihm. Wenn die andern kamen und es aufforderten, sprach er 'das ist meine Tänzerin.' Als es nun Abend war, wollte es fort, und der Königssohn gieng mit, und wollte sehen in welches Haus es gienge: aber es sprang ihm fort und in den Garten hinter dem Haus. Darin stand ein schöner großer Birnbaum voll herrlichem Obst, auf den stieg es gar behend, und der Königssohn wußte nicht wo es hingekommen war. Er wartete aber bis der Vater kam, und sprach zu ihm 'das fremde Mädchen ist mir entwischt, und ich glaube es ist auf den Birnbaum gesprungen.' Der Vater dachte 'sollte es Aschenputtel seyn', und ließ sich die Axt holen, und hieb den Baum um, aber es war niemand darauf. Und Aschenputtel war geschwind durch das Taubenhaus gesprungen und zu dem Haselbaͤumchen gegangen, da hatte es die schoͤnen Kleider ausgethan und aufs Grab gelegt, und der Vogel hatte sie wieder weggenommen, und dann hatte es sich in seinem grauen Kittelchen in die Kuͤche zur Asche gesetzt. Am andern Tag, als das Fest von neuem anhub, und die Eltern und Stiefschwestern wieder fort waren, gieng Aschenputtel zu dem Haselbaum und sprach ‘Baͤumchen, ruͤttel dich und schuͤttel dich, nwirf Gold und Silber uͤber mich.’ Da wars der Vogel ein noch viel stolzeres Kleid herab, als am vorigen Tag. Und als es mit diesem Kleide auf der Hochzeit erschien, erstaunte jedermann uͤber seine Schoͤnheit: der Koͤnigssohn aber hatte gewartet bis es kam, nahm es gleich bei der Hand, und tanzte nur allein mit ihm. Wenn die andern kamen und es aufforderten, sprach er ‘das ist meine Taͤnzerin.’ Als es nun Abend war, wollte es fort, und der Koͤnigssohn gieng mit, und wollte sehen in welches Haus es gienge: aber es sprang ihm fort und in den Garten hinter dem Haus. Darin stand ein schoͤner großer Birnbaum voll herrlichem Obst, auf den stieg es gar behend, und der Koͤnigssohn wußte nicht wo es hingekommen war. Er wartete aber bis der Vater kam, und sprach zu ihm ‘das fremde Maͤdchen ist mir entwischt, und ich glaube es ist auf den Birnbaum gesprungen.’ Der Vater dachte ‘sollte es Aschenputtel seyn’, und ließ sich die Axt holen, und hieb den Baum um, aber es war niemand darauf. Und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0173" n="142"/> Aschenputtel war geschwind durch das Taubenhaus gesprungen und zu dem Haselbaͤumchen gegangen, da hatte es die schoͤnen Kleider ausgethan und aufs Grab gelegt, und der Vogel hatte sie wieder weggenommen, und dann hatte es sich in seinem grauen Kittelchen in die Kuͤche zur Asche gesetzt.</p><lb/> <p>Am andern Tag, als das Fest von neuem anhub, und die Eltern und Stiefschwestern wieder fort waren, gieng Aschenputtel zu dem Haselbaum und sprach</p><lb/> <lg type="poem"> <l>‘Baͤumchen, ruͤttel dich und schuͤttel dich,</l><lb/> <l>nwirf Gold und Silber uͤber mich.’</l><lb/> </lg> <p>Da wars der Vogel ein noch viel stolzeres Kleid herab, als am vorigen Tag. Und als es mit diesem Kleide auf der Hochzeit erschien, erstaunte jedermann uͤber seine Schoͤnheit: der Koͤnigssohn aber hatte gewartet bis es kam, nahm es gleich bei der Hand, und tanzte nur allein mit ihm. Wenn die andern kamen und es aufforderten, sprach er ‘das ist meine Taͤnzerin.’ Als es nun Abend war, wollte es fort, und der Koͤnigssohn gieng mit, und wollte sehen in welches Haus es gienge: aber es sprang ihm fort und in den Garten hinter dem Haus. Darin stand ein schoͤner großer Birnbaum voll herrlichem Obst, auf den stieg es gar behend, und der Koͤnigssohn wußte nicht wo es hingekommen war. Er wartete aber bis der Vater kam, und sprach zu ihm ‘das fremde Maͤdchen ist mir entwischt, und ich glaube es ist auf den Birnbaum gesprungen.’ Der Vater dachte ‘sollte es Aschenputtel seyn’, und ließ sich die Axt holen, und hieb den Baum um, aber es war niemand darauf. Und </p> </div> </body> </text> </TEI> [142/0173]
Aschenputtel war geschwind durch das Taubenhaus gesprungen und zu dem Haselbaͤumchen gegangen, da hatte es die schoͤnen Kleider ausgethan und aufs Grab gelegt, und der Vogel hatte sie wieder weggenommen, und dann hatte es sich in seinem grauen Kittelchen in die Kuͤche zur Asche gesetzt.
Am andern Tag, als das Fest von neuem anhub, und die Eltern und Stiefschwestern wieder fort waren, gieng Aschenputtel zu dem Haselbaum und sprach
‘Baͤumchen, ruͤttel dich und schuͤttel dich,
nwirf Gold und Silber uͤber mich.’
Da wars der Vogel ein noch viel stolzeres Kleid herab, als am vorigen Tag. Und als es mit diesem Kleide auf der Hochzeit erschien, erstaunte jedermann uͤber seine Schoͤnheit: der Koͤnigssohn aber hatte gewartet bis es kam, nahm es gleich bei der Hand, und tanzte nur allein mit ihm. Wenn die andern kamen und es aufforderten, sprach er ‘das ist meine Taͤnzerin.’ Als es nun Abend war, wollte es fort, und der Koͤnigssohn gieng mit, und wollte sehen in welches Haus es gienge: aber es sprang ihm fort und in den Garten hinter dem Haus. Darin stand ein schoͤner großer Birnbaum voll herrlichem Obst, auf den stieg es gar behend, und der Koͤnigssohn wußte nicht wo es hingekommen war. Er wartete aber bis der Vater kam, und sprach zu ihm ‘das fremde Maͤdchen ist mir entwischt, und ich glaube es ist auf den Birnbaum gesprungen.’ Der Vater dachte ‘sollte es Aschenputtel seyn’, und ließ sich die Axt holen, und hieb den Baum um, aber es war niemand darauf. Und
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Zitationshilfe: | Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1837/173>, abgerufen am 17.06.2024. |