Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877.Gottheit in Person sei, weshalb auch der Mißbrauch dieses Triebes unverantwortlich! Wen aber die Sehnsucht, im Weibe Sanftmuth, Güte, Ruhe zu finden, Ersatz für tausend versagte Erfolge des Lebens, verzehre, den solle man doch nicht verdammen, schreibt er, selbst wenn er sich in dieser Sehnsucht verirrte! Wenn er eine sanfte Wange suchte, um eine Weile die reine Weiblichkeit zu fühlen! Die meisten Moralisten seien Holzböcke! Es war unmöglich, jetzt im Geräusch der Stadt, der man sich genähert hatte, sich über die Maßnahmen gegen das doch wohl nur auf Gelderpressung ausgehende Ehepaar zu verständigen. Ottomar lebte in juristischen Anschauungen und gehörte der Schule des gesunden Menschenverstandes an. Der Mann der verdächtigen Frau war ihm ein Geizhals, eine Boz'sche Figur. Er liebte die Engländer über Alles. Wie weit seine Theorie des gesunden Menschenverstandes ging, sah er recht aus den Chancen, die sich nun wirklich für die Frau Justizräthin Luzius eröffneten. Seine Frau Principalin wollte das Wohl des weiblichen Geschlechts befördern helfen und sein Gewissen hatte erwidert: Aber die edle Dame kann ja kaum orthographisch schreiben! Aber eine Gegenstimme sagte: Anfälle von Verstand hat sie doch! Als Beide endlich einen Fiaker genommen hatten und vor dem Treuenfels'schen Palais anfahren wollten, Gottheit in Person sei, weshalb auch der Mißbrauch dieses Triebes unverantwortlich! Wen aber die Sehnsucht, im Weibe Sanftmuth, Güte, Ruhe zu finden, Ersatz für tausend versagte Erfolge des Lebens, verzehre, den solle man doch nicht verdammen, schreibt er, selbst wenn er sich in dieser Sehnsucht verirrte! Wenn er eine sanfte Wange suchte, um eine Weile die reine Weiblichkeit zu fühlen! Die meisten Moralisten seien Holzböcke! Es war unmöglich, jetzt im Geräusch der Stadt, der man sich genähert hatte, sich über die Maßnahmen gegen das doch wohl nur auf Gelderpressung ausgehende Ehepaar zu verständigen. Ottomar lebte in juristischen Anschauungen und gehörte der Schule des gesunden Menschenverstandes an. Der Mann der verdächtigen Frau war ihm ein Geizhals, eine Boz’sche Figur. Er liebte die Engländer über Alles. Wie weit seine Theorie des gesunden Menschenverstandes ging, sah er recht aus den Chancen, die sich nun wirklich für die Frau Justizräthin Luzius eröffneten. Seine Frau Principalin wollte das Wohl des weiblichen Geschlechts befördern helfen und sein Gewissen hatte erwidert: Aber die edle Dame kann ja kaum orthographisch schreiben! Aber eine Gegenstimme sagte: Anfälle von Verstand hat sie doch! Als Beide endlich einen Fiaker genommen hatten und vor dem Treuenfels’schen Palais anfahren wollten, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0106" n="100"/> Gottheit in Person sei, weshalb auch der Mißbrauch dieses Triebes unverantwortlich! Wen aber die Sehnsucht, im Weibe Sanftmuth, Güte, Ruhe zu finden, Ersatz für tausend versagte Erfolge des Lebens, verzehre, den solle man doch nicht verdammen, schreibt er, selbst wenn er sich in dieser Sehnsucht verirrte! Wenn er eine sanfte Wange suchte, um eine Weile die reine Weiblichkeit zu fühlen! Die meisten Moralisten seien Holzböcke! </p> <p>Es war unmöglich, jetzt im Geräusch der Stadt, der man sich genähert hatte, sich über die Maßnahmen gegen das doch wohl nur auf Gelderpressung ausgehende Ehepaar zu verständigen. Ottomar lebte in juristischen Anschauungen und gehörte der <ref xml:id="TEXTSchuledesBISMenschenverstandes" type="editorialNote" target="NSer2E.htm#ERLSchuledesBISMenschenverstandes">Schule des gesunden Menschenverstandes</ref> an. Der Mann der verdächtigen Frau war ihm <ref xml:id="TEXTeinGeizhalsBISFigur" type="editorialNote" target="NSer2E.htm#ERLeinGeizhalsBISFigur">ein Geizhals, eine Boz’sche Figur</ref>. Er liebte die Engländer über Alles. Wie weit seine Theorie des gesunden Menschenverstandes ging, sah er recht aus den Chancen, die sich nun wirklich für die Frau Justizräthin Luzius eröffneten. Seine Frau Principalin wollte das Wohl des weiblichen Geschlechts befördern helfen und sein Gewissen hatte erwidert: Aber die edle Dame kann ja kaum orthographisch schreiben! Aber eine Gegenstimme sagte: Anfälle von Verstand hat sie doch! </p> <p>Als Beide endlich einen Fiaker genommen hatten und vor dem Treuenfels’schen Palais anfahren wollten, </p> </div> </body> </text> </TEI> [100/0106]
Gottheit in Person sei, weshalb auch der Mißbrauch dieses Triebes unverantwortlich! Wen aber die Sehnsucht, im Weibe Sanftmuth, Güte, Ruhe zu finden, Ersatz für tausend versagte Erfolge des Lebens, verzehre, den solle man doch nicht verdammen, schreibt er, selbst wenn er sich in dieser Sehnsucht verirrte! Wenn er eine sanfte Wange suchte, um eine Weile die reine Weiblichkeit zu fühlen! Die meisten Moralisten seien Holzböcke!
Es war unmöglich, jetzt im Geräusch der Stadt, der man sich genähert hatte, sich über die Maßnahmen gegen das doch wohl nur auf Gelderpressung ausgehende Ehepaar zu verständigen. Ottomar lebte in juristischen Anschauungen und gehörte der Schule des gesunden Menschenverstandes an. Der Mann der verdächtigen Frau war ihm ein Geizhals, eine Boz’sche Figur. Er liebte die Engländer über Alles. Wie weit seine Theorie des gesunden Menschenverstandes ging, sah er recht aus den Chancen, die sich nun wirklich für die Frau Justizräthin Luzius eröffneten. Seine Frau Principalin wollte das Wohl des weiblichen Geschlechts befördern helfen und sein Gewissen hatte erwidert: Aber die edle Dame kann ja kaum orthographisch schreiben! Aber eine Gegenstimme sagte: Anfälle von Verstand hat sie doch!
Als Beide endlich einen Fiaker genommen hatten und vor dem Treuenfels’schen Palais anfahren wollten,
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder01_1877/106>, abgerufen am 17.06.2024. |