Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877.zum Glück fast den ganzen Sommer in Bädern oder auf seinen Gütern war - waren vom Gartengenuß ausgeschlossen. Helene trat bei der warmen Herbstluft noch im fast sommerlichen hellgrauen Kleide von leichtem Wollenstoff, die Stickerei einer kleinen Spitze in der Hand, in den Raum ein, an dem man sich mit der Benennung Park versündigte. Ihr röthlich blondes Haar lag in dichten Flechten bis in den Nacken. Ihre Haut war durchsichtig weiß. Ihr Lächeln zeigte kleine weiße Zähne. Das Ebenmaß ihres Baues ließ sie groß erscheinen, obschon sie es nicht war. Sie reichte ihrem Bruder mit dem Kinn nur bis an die Schulter und mußte sich auf die Zehen stützen, wenn sie ihm zu seinem Geburtstag einmal auf die Wange einen Kuß geben durfte. Sonst kommt dergleichen bei ihm nicht vor! konnte sie wohl mit scherzhafter Trauer sprechen. Helene hörte jetzt nur sprechen. Sie schwieg. Lange konnte das Gebot des Schweigens im Vorzimmer nicht gehalten bleiben. Plümicke macht Eure Vereinsspäße mit! hatte denn auch der Meister selbst etwas nachdrucksvoll gesagt. Die Anwesenheit seiner Tochter störte ihn nicht in seiner Arbeit. Er modellirte in Thon. Ihr, die Ihr Künstler seid, solltet Euch doch nicht mit solchen Cigarren- zum Glück fast den ganzen Sommer in Bädern oder auf seinen Gütern war – waren vom Gartengenuß ausgeschlossen. Helene trat bei der warmen Herbstluft noch im fast sommerlichen hellgrauen Kleide von leichtem Wollenstoff, die Stickerei einer kleinen Spitze in der Hand, in den Raum ein, an dem man sich mit der Benennung Park versündigte. Ihr röthlich blondes Haar lag in dichten Flechten bis in den Nacken. Ihre Haut war durchsichtig weiß. Ihr Lächeln zeigte kleine weiße Zähne. Das Ebenmaß ihres Baues ließ sie groß erscheinen, obschon sie es nicht war. Sie reichte ihrem Bruder mit dem Kinn nur bis an die Schulter und mußte sich auf die Zehen stützen, wenn sie ihm zu seinem Geburtstag einmal auf die Wange einen Kuß geben durfte. Sonst kommt dergleichen bei ihm nicht vor! konnte sie wohl mit scherzhafter Trauer sprechen. Helene hörte jetzt nur sprechen. Sie schwieg. Lange konnte das Gebot des Schweigens im Vorzimmer nicht gehalten bleiben. Plümicke macht Eure Vereinsspäße mit! hatte denn auch der Meister selbst etwas nachdrucksvoll gesagt. Die Anwesenheit seiner Tochter störte ihn nicht in seiner Arbeit. Er modellirte in Thon. Ihr, die Ihr Künstler seid, solltet Euch doch nicht mit solchen Cigarren- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0082" n="76"/> zum Glück fast den ganzen Sommer in Bädern oder auf seinen Gütern war – <ref xml:id="TEXTwarenvomGartengenussausgeschlossen" type="editorialNote" target="NSer2E.htm#ERLwarenvomGartengenussausgeschlossen">waren vom Gartengenuß ausgeschlossen</ref>. </p> <p>Helene trat bei der warmen Herbstluft noch im fast sommerlichen hellgrauen Kleide von leichtem Wollenstoff, die Stickerei einer kleinen Spitze in der Hand, in den Raum ein, an dem man sich mit der Benennung Park versündigte. Ihr röthlich blondes Haar lag in dichten Flechten bis in den Nacken. Ihre Haut war durchsichtig weiß. Ihr Lächeln zeigte kleine weiße Zähne. Das Ebenmaß ihres Baues ließ sie groß erscheinen, obschon sie es nicht war. Sie reichte ihrem Bruder mit dem Kinn nur bis an die Schulter und mußte sich auf die Zehen stützen, wenn sie ihm zu seinem Geburtstag einmal auf die Wange einen Kuß geben durfte. Sonst kommt dergleichen bei ihm nicht vor! konnte sie wohl mit scherzhafter Trauer sprechen. </p> <p>Helene hörte jetzt nur sprechen. Sie schwieg. Lange konnte das Gebot des Schweigens im Vorzimmer nicht gehalten bleiben. </p> <p>Plümicke macht Eure Vereinsspäße mit! hatte denn auch der Meister selbst etwas nachdrucksvoll gesagt. Die Anwesenheit seiner Tochter störte ihn nicht in seiner Arbeit. Er modellirte in Thon. Ihr, die Ihr Künstler seid, solltet Euch doch nicht mit solchen Cigarren- </p> </div> </body> </text> </TEI> [76/0082]
zum Glück fast den ganzen Sommer in Bädern oder auf seinen Gütern war – waren vom Gartengenuß ausgeschlossen.
Helene trat bei der warmen Herbstluft noch im fast sommerlichen hellgrauen Kleide von leichtem Wollenstoff, die Stickerei einer kleinen Spitze in der Hand, in den Raum ein, an dem man sich mit der Benennung Park versündigte. Ihr röthlich blondes Haar lag in dichten Flechten bis in den Nacken. Ihre Haut war durchsichtig weiß. Ihr Lächeln zeigte kleine weiße Zähne. Das Ebenmaß ihres Baues ließ sie groß erscheinen, obschon sie es nicht war. Sie reichte ihrem Bruder mit dem Kinn nur bis an die Schulter und mußte sich auf die Zehen stützen, wenn sie ihm zu seinem Geburtstag einmal auf die Wange einen Kuß geben durfte. Sonst kommt dergleichen bei ihm nicht vor! konnte sie wohl mit scherzhafter Trauer sprechen.
Helene hörte jetzt nur sprechen. Sie schwieg. Lange konnte das Gebot des Schweigens im Vorzimmer nicht gehalten bleiben.
Plümicke macht Eure Vereinsspäße mit! hatte denn auch der Meister selbst etwas nachdrucksvoll gesagt. Die Anwesenheit seiner Tochter störte ihn nicht in seiner Arbeit. Er modellirte in Thon. Ihr, die Ihr Künstler seid, solltet Euch doch nicht mit solchen Cigarren-
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder01_1877/82>, abgerufen am 18.06.2024. |