Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877.Schindler stand bewegt auf und wandte sein Antlitz gegen das geschlossene Fenster, weil dem Auge Thränen drohten. Holl fuhr fort: Das letzte Lebewohl, von ihm gerufen, klingt mir noch im Ohre wieder! Dann sehe ich den Hafen, den ich endlich erreicht hatte! Die "glückliche Mary", ganz schwarz, wie berußt, finde ich auf! Der joviale Schiffscapitän! Der herrliche, gute, biedere Mensch nimmt mich auf wie den Sohn seines besten Freundes! Und mein sogenannter Wohlthäter hatte nur ein Paar Flaschen Wein mit ihm in einem Keller geleert! Ach, dann die Schreckensscene vor St. Thomas! Der Edle, Gute - ich will mir die Scene nicht erneuern! In Elend und Gefahr sagte ich mir immer: Ein harter Posten, auf Schiff dienen, aber der Mann hat es gut gemeint! Ich lernte auf Schiff auch befehlen! In den Navigationsschulen, die ich noch besuchte, vergaß ich nicht meinen Wohlthäter! Und als es wieder rechte Gefahr gab, unter dem Kugelregen aus den Schanzen und Forts am Mississippi, sagte ich doch: Harte Zeit, aber der Mann hat's gut gemeint. Und nun erkenne ich das mit mir getriebene fürchterliche falsche Spiel! Schindler rieb sich den Hals vor höchster Aufregung. Das Blut stieg ihm zu Kopfe. Er knöpfte die weiße Halsbinde loser. Schindler stand bewegt auf und wandte sein Antlitz gegen das geschlossene Fenster, weil dem Auge Thränen drohten. Holl fuhr fort: Das letzte Lebewohl, von ihm gerufen, klingt mir noch im Ohre wieder! Dann sehe ich den Hafen, den ich endlich erreicht hatte! Die „glückliche Mary“, ganz schwarz, wie berußt, finde ich auf! Der joviale Schiffscapitän! Der herrliche, gute, biedere Mensch nimmt mich auf wie den Sohn seines besten Freundes! Und mein sogenannter Wohlthäter hatte nur ein Paar Flaschen Wein mit ihm in einem Keller geleert! Ach, dann die Schreckensscene vor St. Thomas! Der Edle, Gute – ich will mir die Scene nicht erneuern! In Elend und Gefahr sagte ich mir immer: Ein harter Posten, auf Schiff dienen, aber der Mann hat es gut gemeint! Ich lernte auf Schiff auch befehlen! In den Navigationsschulen, die ich noch besuchte, vergaß ich nicht meinen Wohlthäter! Und als es wieder rechte Gefahr gab, unter dem Kugelregen aus den Schanzen und Forts am Mississippi, sagte ich doch: Harte Zeit, aber der Mann hat’s gut gemeint. Und nun erkenne ich das mit mir getriebene fürchterliche falsche Spiel! Schindler rieb sich den Hals vor höchster Aufregung. Das Blut stieg ihm zu Kopfe. Er knöpfte die weiße Halsbinde loser. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0270" n="264"/> <p> Schindler stand bewegt auf und wandte sein Antlitz gegen das geschlossene Fenster, weil dem Auge Thränen drohten.</p> <p>Holl fuhr fort: Das letzte Lebewohl, von ihm gerufen, klingt mir noch im Ohre wieder! Dann sehe ich den Hafen, den ich endlich erreicht hatte! Die „glückliche Mary“, ganz schwarz, wie berußt, finde ich auf! Der joviale Schiffscapitän! Der herrliche, gute, biedere Mensch nimmt mich auf wie den Sohn seines besten Freundes! Und mein sogenannter Wohlthäter hatte nur ein Paar Flaschen Wein mit ihm in einem Keller geleert! Ach, dann die Schreckensscene vor St. Thomas! Der Edle, Gute – ich will mir die Scene nicht erneuern! In Elend und Gefahr sagte ich mir immer: Ein harter Posten, auf Schiff dienen, aber der Mann hat es gut gemeint! Ich lernte auf Schiff auch befehlen! In den Navigationsschulen, die ich noch besuchte, vergaß ich nicht meinen Wohlthäter! Und als es wieder rechte Gefahr gab, unter dem Kugelregen aus den Schanzen und Forts am Mississippi, sagte ich doch: Harte Zeit, aber der Mann hat’s gut gemeint. Und nun erkenne ich das mit mir getriebene fürchterliche falsche Spiel! </p> <p>Schindler rieb sich den Hals vor höchster Aufregung. Das Blut stieg ihm zu Kopfe. Er knöpfte die weiße Halsbinde loser.</p> </div> </body> </text> </TEI> [264/0270]
Schindler stand bewegt auf und wandte sein Antlitz gegen das geschlossene Fenster, weil dem Auge Thränen drohten.
Holl fuhr fort: Das letzte Lebewohl, von ihm gerufen, klingt mir noch im Ohre wieder! Dann sehe ich den Hafen, den ich endlich erreicht hatte! Die „glückliche Mary“, ganz schwarz, wie berußt, finde ich auf! Der joviale Schiffscapitän! Der herrliche, gute, biedere Mensch nimmt mich auf wie den Sohn seines besten Freundes! Und mein sogenannter Wohlthäter hatte nur ein Paar Flaschen Wein mit ihm in einem Keller geleert! Ach, dann die Schreckensscene vor St. Thomas! Der Edle, Gute – ich will mir die Scene nicht erneuern! In Elend und Gefahr sagte ich mir immer: Ein harter Posten, auf Schiff dienen, aber der Mann hat es gut gemeint! Ich lernte auf Schiff auch befehlen! In den Navigationsschulen, die ich noch besuchte, vergaß ich nicht meinen Wohlthäter! Und als es wieder rechte Gefahr gab, unter dem Kugelregen aus den Schanzen und Forts am Mississippi, sagte ich doch: Harte Zeit, aber der Mann hat’s gut gemeint. Und nun erkenne ich das mit mir getriebene fürchterliche falsche Spiel!
Schindler rieb sich den Hals vor höchster Aufregung. Das Blut stieg ihm zu Kopfe. Er knöpfte die weiße Halsbinde loser.
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder02_1877/270>, abgerufen am 10.06.2024. |