Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Rathskeller. Stuttgart, 1827.wollte ich das Sprachrohr ansetzen und dir ein Steh' ich in finstrer Mitternacht So einsam auf der fernen Wacht,Dann denk' ich an mein fernes Lieb', Ob es mir treu und hold verblieb. Als ich zur Fahne fortgemüßt, Hat sie so herzlich mich geküßt,Mit Bändern meinen Hut geschmückt, Und weinend mich ans Herz gedrückt. Sie liebt mich noch, sie ist mir gut, Drum bin ich froh und wohlgemuth,Mein Herz schlägt warm in kalter Nacht, Wenn es ans ferne Lieb' gedacht. wollte ich das Sprachrohr anſetzen und dir ein Steh' ich in finſtrer Mitternacht So einſam auf der fernen Wacht,Dann denk' ich an mein fernes Lieb', Ob es mir treu und hold verblieb. Als ich zur Fahne fortgemuͤßt, Hat ſie ſo herzlich mich gekuͤßt,Mit Baͤndern meinen Hut geſchmuͤckt, Und weinend mich ans Herz gedruͤckt. Sie liebt mich noch, ſie iſt mir gut, Drum bin ich froh und wohlgemuth,Mein Herz ſchlaͤgt warm in kalter Nacht, Wenn es ans ferne Lieb' gedacht. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0052" n="46"/> wollte ich das Sprachrohr anſetzen und dir ein<lb/> Lied hinabſingen ins Schlafkaͤmmerlein; doch<lb/> nein! das wuͤrde ja den ſuͤßen Engel aus ſei¬<lb/> nem Schlummer wecken, aus ſeinen holden,<lb/> lieblichen Traͤumen. Doch hier unten hoͤrt<lb/> mich niemand, da will ich eines ſingen. Seele!<lb/> komme ich mir denn nicht gerade vor, wie ein<lb/> Soldat auf dem Poſten, dem das Heimweh<lb/> recht ſchwer und tief im Herzen liegt? Und hat<lb/> nicht einer meiner Freunde dieß Lied gedichtet?</p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l rendition="#et">Steh' ich in finſtrer Mitternacht</l><lb/> <l>So einſam auf der fernen Wacht,</l><lb/> <l>Dann denk' ich an mein fernes Lieb',</l><lb/> <l>Ob es mir treu und hold verblieb.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l rendition="#et">Als ich zur Fahne fortgemuͤßt,</l><lb/> <l>Hat ſie ſo herzlich mich gekuͤßt,</l><lb/> <l>Mit Baͤndern meinen Hut geſchmuͤckt,</l><lb/> <l>Und weinend mich ans Herz gedruͤckt.</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l rendition="#et">Sie liebt mich noch, ſie iſt mir gut,</l><lb/> <l>Drum bin ich froh und wohlgemuth,</l><lb/> <l>Mein Herz ſchlaͤgt warm in kalter Nacht,</l><lb/> <l>Wenn es ans ferne Lieb' gedacht.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [46/0052]
wollte ich das Sprachrohr anſetzen und dir ein
Lied hinabſingen ins Schlafkaͤmmerlein; doch
nein! das wuͤrde ja den ſuͤßen Engel aus ſei¬
nem Schlummer wecken, aus ſeinen holden,
lieblichen Traͤumen. Doch hier unten hoͤrt
mich niemand, da will ich eines ſingen. Seele!
komme ich mir denn nicht gerade vor, wie ein
Soldat auf dem Poſten, dem das Heimweh
recht ſchwer und tief im Herzen liegt? Und hat
nicht einer meiner Freunde dieß Lied gedichtet?
Steh' ich in finſtrer Mitternacht
So einſam auf der fernen Wacht,
Dann denk' ich an mein fernes Lieb',
Ob es mir treu und hold verblieb.
Als ich zur Fahne fortgemuͤßt,
Hat ſie ſo herzlich mich gekuͤßt,
Mit Baͤndern meinen Hut geſchmuͤckt,
Und weinend mich ans Herz gedruͤckt.
Sie liebt mich noch, ſie iſt mir gut,
Drum bin ich froh und wohlgemuth,
Mein Herz ſchlaͤgt warm in kalter Nacht,
Wenn es ans ferne Lieb' gedacht.
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Zitationshilfe: | Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Rathskeller. Stuttgart, 1827, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauff_phantasien_1827/52>, abgerufen am 17.06.2024. |