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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 2. Nürnberg, 1816.

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Vom Begriff

Wenn nach der gewöhnlichen Weise von dem Ver-
stande
, den Ich habe, gesprochen wird, so versteht
man darunter ein Vermögen oder Eigenschaft, die
in dem Verhältnisse zu Ich stehe, wie die Eigenschaft
des Dings zum Dinge selbst, -- einem unbestimmten
Substrate, welches nicht der wahrhafte Grund und das
Bestimmende seiner Eigenschaft sey. Nach dieser Vor-
stellung habe Ich Begriffe und den Begriff, wie ich auch
einen Rock, Farbe und andere äusserliche Eigenschaften
habe. -- Kant ist über dieses äusserliche Verhältnisse
des Verstands als des Vermögens der Begriffe, und
der Begriffe selbst, zum Ich, hinausgegangen. Es ge-
hört zu den tiefsten und richtigsten Einsichten, die sich
in der Kritik der Vernunft finden, daß die Ein-
heit
, die das Wesen des Begriffs ausmacht, als
die ursprünglich-synthetische Einheit der Ap-
perception
, als Einheit des: Ich denke, oder
des Selbstbewußtseyns erkannt wird. -- Dieser Satz
macht die sogenannte transcendentale Deduction der
Categorie aus; sie hat aber von jeher für eines der
schwersten Stücke der Kantischen Philosophie gegolten, --
wohl aus keinem andern Grunde, als weil sie fodert,
daß über die blosse Vorstellung des Verhältnisses,
in welchem Ich und der Verstand oder die Be-
griffe
zu einem Ding und seinen Eigenschaften oder
Accidenzen stehen, zum Gedanken hinausgegangen
werden soll. -- Object, sagt Kant, Kritik der r. V.
S. 137. 2te Ausg. ist das, in dessen Begriff das
Mannichfaltige einer gegebenen Anschauung ver-
einigt
ist. Alle Vereinigung der Vorstellungen erfo-
dert aber Einheit des Bewußtseyns in der Syn-
thesis
derselben. Folglich ist diese Einheit des
Bewußtseyns
dasjenige, was allein die Beziehung
der Vorstellungen auf einen Gegenstand, mithin ihre
objective Gültigkeit, ausmacht, und worauf selbst

die
Vom Begriff

Wenn nach der gewoͤhnlichen Weiſe von dem Ver-
ſtande
, den Ich habe, geſprochen wird, ſo verſteht
man darunter ein Vermoͤgen oder Eigenſchaft, die
in dem Verhaͤltniſſe zu Ich ſtehe, wie die Eigenſchaft
des Dings zum Dinge ſelbſt, — einem unbeſtimmten
Subſtrate, welches nicht der wahrhafte Grund und das
Beſtimmende ſeiner Eigenſchaft ſey. Nach dieſer Vor-
ſtellung habe Ich Begriffe und den Begriff, wie ich auch
einen Rock, Farbe und andere aͤuſſerliche Eigenſchaften
habe. — Kant iſt uͤber dieſes aͤuſſerliche Verhaͤltniſſe
des Verſtands als des Vermoͤgens der Begriffe, und
der Begriffe ſelbſt, zum Ich, hinausgegangen. Es ge-
hoͤrt zu den tiefſten und richtigſten Einſichten, die ſich
in der Kritik der Vernunft finden, daß die Ein-
heit
, die das Weſen des Begriffs ausmacht, als
die urſpruͤnglich-ſynthetiſche Einheit der Ap-
perception
, als Einheit des: Ich denke, oder
des Selbſtbewußtſeyns erkannt wird. — Dieſer Satz
macht die ſogenannte tranſcendentale Deduction der
Categorie aus; ſie hat aber von jeher fuͤr eines der
ſchwerſten Stuͤcke der Kantiſchen Philoſophie gegolten, —
wohl aus keinem andern Grunde, als weil ſie fodert,
daß uͤber die bloſſe Vorſtellung des Verhaͤltniſſes,
in welchem Ich und der Verſtand oder die Be-
griffe
zu einem Ding und ſeinen Eigenſchaften oder
Accidenzen ſtehen, zum Gedanken hinausgegangen
werden ſoll. — Object, ſagt Kant, Kritik der r. V.
S. 137. 2te Ausg. iſt das, in deſſen Begriff das
Mannichfaltige einer gegebenen Anſchauung ver-
einigt
iſt. Alle Vereinigung der Vorſtellungen erfo-
dert aber Einheit des Bewußtſeyns in der Syn-
theſis
derſelben. Folglich iſt dieſe Einheit des
Bewußtſeyns
dasjenige, was allein die Beziehung
der Vorſtellungen auf einen Gegenſtand, mithin ihre
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die
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[12/0030] Vom Begriff Wenn nach der gewoͤhnlichen Weiſe von dem Ver- ſtande, den Ich habe, geſprochen wird, ſo verſteht man darunter ein Vermoͤgen oder Eigenſchaft, die in dem Verhaͤltniſſe zu Ich ſtehe, wie die Eigenſchaft des Dings zum Dinge ſelbſt, — einem unbeſtimmten Subſtrate, welches nicht der wahrhafte Grund und das Beſtimmende ſeiner Eigenſchaft ſey. Nach dieſer Vor- ſtellung habe Ich Begriffe und den Begriff, wie ich auch einen Rock, Farbe und andere aͤuſſerliche Eigenſchaften habe. — Kant iſt uͤber dieſes aͤuſſerliche Verhaͤltniſſe des Verſtands als des Vermoͤgens der Begriffe, und der Begriffe ſelbſt, zum Ich, hinausgegangen. Es ge- hoͤrt zu den tiefſten und richtigſten Einſichten, die ſich in der Kritik der Vernunft finden, daß die Ein- heit, die das Weſen des Begriffs ausmacht, als die urſpruͤnglich-ſynthetiſche Einheit der Ap- perception, als Einheit des: Ich denke, oder des Selbſtbewußtſeyns erkannt wird. — Dieſer Satz macht die ſogenannte tranſcendentale Deduction der Categorie aus; ſie hat aber von jeher fuͤr eines der ſchwerſten Stuͤcke der Kantiſchen Philoſophie gegolten, — wohl aus keinem andern Grunde, als weil ſie fodert, daß uͤber die bloſſe Vorſtellung des Verhaͤltniſſes, in welchem Ich und der Verſtand oder die Be- griffe zu einem Ding und ſeinen Eigenſchaften oder Accidenzen ſtehen, zum Gedanken hinausgegangen werden ſoll. — Object, ſagt Kant, Kritik der r. V. S. 137. 2te Ausg. iſt das, in deſſen Begriff das Mannichfaltige einer gegebenen Anſchauung ver- einigt iſt. Alle Vereinigung der Vorſtellungen erfo- dert aber Einheit des Bewußtſeyns in der Syn- theſis derſelben. Folglich iſt dieſe Einheit des Bewußtſeyns dasjenige, was allein die Beziehung der Vorſtellungen auf einen Gegenſtand, mithin ihre objective Guͤltigkeit, ausmacht, und worauf ſelbſt die

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Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 2. Nürnberg, 1816, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik02_1816/30>, abgerufen am 30.04.2024.